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Michelalarm

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Weißmann, Reich, Republik, Nachkriegsrechte

Schon länger hat man ihn vermißt, den guten alten deutschen Michel. Er tritt kaum noch in der Öffentlichkeit auf, und sein Ruf als Personifikation des Deutschen, als echte Nationalfigur, schwindet zusehends dahin. Nun hat Thomas Petersen vom Allensbach-Institut in der FAZ die neuesten Zahlen bekanntgegeben. Demnach können inzwischen nur noch 41 Prozent der Deutschen mit dem deutschen Michel als Symbolfigur überhaupt etwas anfangen. Bei den Unter-Dreißigjährigen sind es sogar nur noch 17 Prozent, die ihn richtig zuordnen können.

Es scheint so, als drohte damit eine Tradition ins Leere zu laufen, die sich immerhin bis in die Frühe Neuzeit zurückverfolgen läßt. Seine besten Zeiten hatte der Michel wohl während der Reformation und im 19. Jahrhundert, beides Zeiten, in denen sich die Deutschen auf sich selbst besonnen und die eigenen Stärken und Schwächen registriert haben. Sie erkannten sich im einfachen Mann mit Mütze wieder, ausgesöhnt mit Deutsch als Volkssprache und ausgestattet mit einer leichten Selbstironie über die eigene Versonnenheit und Trägheit. Auch die Wirtschaftswunderrepublik der Nachkriegszeit konnte sich nach 1945 noch ganz gut in ihm erkennen.

Ein Welteroberer ist der Michel nie gewesen, so wenig wie die Deutschen insgesamt. Wenn er etwas symbolisiert hat, dann das urdeutsche Verlangen, doch bitte in Ruhe gelassen zu werden, von den Zeitumständen, von der Weltpolitik, von den Ansprüchen eigener besserwisserischer Oberschichten, oder von der kulturellen Landnahme durch ausländische Traditionen, ob sie sich früher nun im Zwang zum Gebrauch lateinischer oder französischer Vokabeln ausdrückten.

Soll der deutsche Michel beiseite treten?

Wahrscheinlich ist der Michel heutzutage, als nicht mehr verwendete Symboldarstellung, ein weiteres Opfer von NS-Hysterie. Die Karikaturisten und Zeichner aktueller Prägung dürften derzeit wohl mehrheitlich davon ausgehen, daß in der Mitte der Gesellschaft nicht die Schlafmütze, sondern eher die latente Gefahr lauert. Jedenfalls läßt sich die Mütze nur schwer für den stets angesagten gesellschaftskritischen Alarmismus mobilisieren. So hätte es sich eigentlich angeboten, die vielerorts in Deutschland demonstrierenden „-gida“-Anhänger als Michel zu karikieren. Das war den Redaktionen wohl zu harmlos. Daher mußte auch „-gida“ mit Terrorismus- und NS-Verdacht in Verbindung gebracht werden.

Insgesamt gibt es wirklich etwas Grund für eine Alarmmeldung. Der deutsche Michel hat schon viel überstanden. Wenn er jetzt langsam beiseite treten sollte, wird das kaum nur symbolisch geschehen.

 

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