Alle 193 Militärstützpunkte der gesamten Halbinsel Krim befinden sich nun unter Kontrolle Moskaus. Von 61 ukrainischen Schiffen wurden 51 beschlagnahmt. Von den 18.000 Krim-Soldaten sind die meisten übergelaufen. Laut Kiew gebe es nur 4.500 Fahnentreue. Moskau spricht gar von nur 1.500. Glaubt man den Ausführungen des russischen Komponisten Sergej Newski im Feuilleton der FAZ vom 03. April 2014, dann sei Putins erfolgreicher Feldzug allein dafür gut gewesen, von inneren Problemen abzulenken. „Die Krim ist hochverschuldet, sie ist, was Wasser- und Stromversorgung anbetrifft, von der Ukraine abhängig“, schreibt Newski. „Dazu kommt, daß jede russische Militärbasis im Schwarzen Meer nur so lange einen militärischen Nutzen hat, wie das Nato-Mitglied Türkei den Bosporus nicht für Militärschiffe sperrt.“
Beim Besuch im Museum der Schwarzmeerflotte widerspricht Ausstellungsführerin Nina Alexeewna vehement. Gemäß der internationalen Konvention von Montreux sei die Türkei verpflichtet, in Friedenszeiten auch Kriegsschiffe passieren zu lassen. Und zu einem Krieg mit der Nato werde es nicht kommen.
Die adrett gekleidete ältere Dame legt ein strenges Auftreten an den Tag. Fragen nimmt sie ernst wie eine Lehrerin. So auch diese, wieso Russland so viel Wert auf Sewastopol lege und die Schwarzmeerflotte nicht einfach in den Stützpunkt Noworossijsk bei Sotschi verlege. Nina Alexeewna holt aus: „Die natürlichen Gegebenheiten sind perfekt. Es gibt 38 Buchten, die Gewässer sind tief und Steilküsten bieten Sicht- und Windschutz.“ Alexeewna verweist auf das Atombomben-sichere U-Boot-Dock im nahen Balaklawa. Von dem in den 50er und 60er Jahren in Berg getriebenen Kanal konnten die reparierten Unterseeboote sofort an der Ausfahrt 30 Meter abtauchen. Die Anlage, die James-Bond-Filmen alle Ehre machen würde, ist seit 2003, nach über einem Jahrzehnt der Verwahrlosung, als Museum zu besichtigen.
Kulturelles Kernland
Sewastopol auf die zahlreichen Militärdenkmäler zu reduzieren, würde seiner Bedeutung im russischen Bewusstsein nicht gerecht. Östlich des Stadtzentrums liegt das antike Chersones: Hier soll der Kiewer Fürst Wladimir I. als Voraussetzung für die Ehe mit einer byzantinischen Prinzessin im Jahre 988 die Taufe empfangen haben. Damit begann die Christianisierung der ostslawischen Welt. Wladimir gilt der staatsnahen russisch-orthodoxen Kirche heute deshalb als „Heiliger“. Eine eiserne Statue des Kriegsherrn ist unweit der griechischen Ruinen-Hügel postiert. Lena, 27jährige Psychologin, schlendert mit ihrem Hund vorbei. „Eines Tages werden sie auch Putin heiligsprechen“, meint sie nüchtern.