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Bundeswehr: Vergangenheit, die nicht vergehen will

Bundeswehr: Vergangenheit, die nicht vergehen will

Bundeswehr: Vergangenheit, die nicht vergehen will

von der Leyen
von der Leyen
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen beim Dienstappell Foto: picture alliance/ dpa
Bundeswehr
 

Vergangenheit, die nicht vergehen will

Einst wurde das deutsche Militär weltweit bewundert. Heute säubert Verteidigungsministerin von der Leyen die Truppe von allen Bezügen zur Wehrmacht. Das ist undankbar gegenüber verdienten Kriegern. Aber auch ein sehr deutscher Umgang mit der Vergangenheit, der weit über die Bundeswehr hinausgeht. <>Ein Kommentar von Martin van Creveld.<>
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Von der Zeit Friedrich des Großen bis 1945 genoß das preußisch-deutsche Militär weltweites Ansehen, oft sogar Bewunderung. Ausländer kamen in Scharen von überall her, um es zu studieren. Als Japan in den 1870ern begann, seine Armee zu modernisieren, holte es sich Rat bei Deutschland. In vielen lateinamerikanischen Ländern, vor allem in Chile, ist der Einfluß des deutschen Militärs bis auf den heutigen Tag sichtbar.

Zum einen resultiert das aus der militärischen Leistung, die seit der Schlacht von Königgrätz 1866 legendär war. Zum anderen aus dem deutschen militärischen Geist. Dieser Geist war wiederum verankert in einer, von mir in einem meiner Bücher beschriebenen Kriegskultur. Kriegskultur ist der konkrete Ausdruck von allem, für das eine Armee kämpft. Oft ist sie Produkt jahrhundertelanger Entwicklung; manches entwickelt sich von selbst, manches gezielt.

Dunkle Schatten auf der deutschen Kriegskultur

Kriegskultur besteht aus Symbolen, Zeremonien, Traditionen, Gebräuchen: den Uniformen, den Marschliedern etc. Sie bildet das „Korsett“ einer Armee. Diese Kriegskultur macht aus einer Zusammenrottung renitenter Männer eine geschlossene Truppe, die fähig ist zu kämpfen und notfalls für die Sache zu sterben.

Das war vor 1945. Es ist wahr: Die Kriegsverbrecherprozesse erklärten die Wehrmacht nie offiziell zur kriminellen Organisation wie sie es mit Nazi-Verbänden wie der Waffen-SS taten. Aber die Jahre gingen ins Land und immer mehr unbestreitbare Erkenntnisse kamen ans Licht. Darunter die Beteiligung der Wehrmacht an Plünderungen, Mißhandlungen sowjetischer Kriegsgefangener, Geiselnahmen, Massaker an Zivilisten sowie die logistische und administrative Unterstützung bei der Auslöschung der Juden.

Das warf dunkle Schatten auf die deutsche Kriegskultur. Paradoxerweise mehr in Deutschland als im Ausland. Um nur ein Beispiel zu nennen: In den meisten Ländern können Modelle von Flugzeugen und Panzern, die ein Hakenkreuz tragen, frei verkauft und ausgestellt werden. Dasselbe gilt für Bücher, Magazine und Erinnerungsstücke. Nicht so in Deutschland, wo all das verboten ist und schnell ein Fall für die Strafverfolgung werden kann.

Undank für verdiente Krieger

Um jede Verbindung mit dem Nationalsozialismus zu kappen, wurden die Kasernen der Bundeswehr gesäubert. Nicht einmal, sondern immer wieder. Verschiedene Verteidigungsminister haben so versucht, Schlagzeilen zu machen. Statuen, Gemälde, Uniformen, Flaggen, Standarten und Trophäen verschwanden wie durch Zauberhand. Ginge es nach dem Willen linker Kritiker, sollte das gleiche auch mit den Namen ehemaliger Wehrmachtsoffiziere passieren.

Nehmen wir den Fall des Jagdpiloten Hans-Joachim Marseille, den nie jemand beschuldigt hat, an Kriegsverbrechen beteiligt gewesen zu sein oder auch nur davon gewußt zu haben. Er schoß nicht weniger als 158 feindliche Flugzeuge ab, kam aber 1942 um, als der Motor seiner Messerschmidt streikte. 1975 wurde ein Fliegerhorst der Luftwaffe nach ihm benannt. Jetzt soll Marseille nach dem Willen der Kritiker zur Unperson werden. Das ist der Lohn, dem deutschen Vaterland gedient zu haben!

Niemandem, der wie ich Kasernen auf der ganzen Welt besucht hat, wird entgehen, wie schmuck- und seelenlos die deutschen im Vergleich zu ausländischen wirken. Etwa die Clausewitz-Kaserne in Hamburg, Heimat der Führungsakademie der Bundeswehr. Dort sucht man vergeblich nach Bezügen zu den Kommandeuren, die – zum Schlechten oder zum Guten – Deutschland zu dem Land gemacht haben, das es heute ist: Hans von Seeckt, Hindenburg, Ludendorff, Schlieffen, Moltke oder – Gott bewahre – Friedrich der Große. In der deutschen Geschichte erhalten scheinbar nur die Befreiungskriege gegen Napoleon den Koscher-Stempel.

Die Deutschen haben sich selbst ans Hakenkreuz genagelt

Jetzt hat Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen eine neue Säuberungswelle befohlen. Unter den Opfern ist diesmal auch der frühere SPD-Kanzler Helmut Schmidt. Ein Foto von ihm als junger Mann in Wehrmachtsuniform wurde aus der Bundeswehruniversität entfernt, die er als Verteidigungsminister gegründet hat. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch er zur Unperson wird.

Wie gewöhnlich ist es das erklärte Ziel, alles loszuwerden, was eine Verbindung der Soldaten mit der Vergangenheit herstellen könnte. Man muß sich fragen, wo, wann und ob dies je aufhören wird. Und welche Auswirkungen es auf die Kampfkraft hat, denn eine effektive Armee ist ohne Kriegskultur undenkbar.

Das Problem ist auch nicht auf die Bundeswehr beschränkt. Durch die Verbrechen, die in ihrem Namen von 1933 bis 1945 begangen wurden, haben sich die Deutschen selbst ans Hakenkreuz genagelt, so wie Jesus ans Kreuz genagelt wurde. Doch wurde Jesus am selben Tage abgenommen, die Deutschen aber werden hängen bleiben, solange die menschliche Erinnerung dauert, ohne die Hoffnung, die Vergangenheit jemals hinter sich lassen zu können.

Schwer auflösbares Problem

Dies, das weiß ich nur zu gut, ist höchst unfair gegenüber sehr vielen Deutschen, die vor 1927 und jenen, die danach geboren worden sind; einschließlich meiner deutschen Freunde, die ich außerordentlich schätze. Dennoch – um wahrhaftig zu sein –, als Jude und Israeli, der etliche Angehörige im Holocaust verloren hat, und als Mensch weiß ich nicht, wie dies je aufgelöst werden könnte.

– – – – –

Prof. Dr. Martin van Creveld. Der renommierte Militärhistoriker beriet die Streitkräfte verschiedener Nationen und lehrte an den Universitäten Jerusalem und Tel Aviv.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen beim Dienstappell Foto: picture alliance/ dpa
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