Die 3.450 Delegierten der polnischen Adelsversammlung (Sejm) zeigten sich ausnahmsweise einig: Allein Jan Sobieski sollte Oberhaupt ihres Landes werden. Was am 19. Mai 1674 in Warschau beschlossen wurde, sollte noch eine europaweite Dimension erhalten.
Seit 1573 herrschte ein sogenanntes Wahlkönigtum in der polnischen Adelsrepublik (Rzeczpospolita). Dabei war jeder, der sich irgendwie zur Aristokratie gehörig fühlte, auch stimmberechtigt. Das führte oft zu chaotischen Zuständen. Viele Voten wurden regelrecht verhökert, so etwa 1632, als man einen Verwandten des schwedischen Königshauses Wasa wählte. 1669 schlugen die Emotionen des „Wahlvolkes“ so hoch, daß es zu blutigen Straßenkämpfen in Warschau kam. Nach dem Tod des Königs Michael Wisnowiecki Ende 1673 fiel die sogenannte Freie Wahl aber unproblematischer und erwartungsgemäß auf Jan Sobieski, nunmehr Johann III., König von Polen.
Geboren wurde Sobieski am 17. August 1629 auf Schloß Olesko in der heutigen Westukraine und zwar während einer stürmischen Gewitternacht, worauf Zeitgenossen bedeutungsvoll hinwiesen. Sein Vater Jakub zählte als Kastellan (Schloßherr) von Krakau zu den einflußreichsten Adligen des Landes. Seinem Sohn ermöglichte er eine sehr sorgfältige Bildung. Jan beherrschte sechs Fremdsprachen, so etwa Deutsch und Französische, aber auch Türkisch. Zweieinhalb Jahre hielt er sich im Ausland auf, darunter in Berlin und Leipzig. Frankreich beeindruckte ihn besonders, auch wenn er sich in Paris die Syphilis holte.
Sobieski war ritterlich und habgierig zugleich
1665 heiratete er die zwölf Jahre jüngere Marie Casimire de la Grange d’Arquien, ein verarmtes französisches Hoffräulein der Königin von Polen. Zu dieser kapriziösen Dame entwickelte Sobieski ein erstaunliches Hörigkeitsverhältnis. In seinen zahlreichen Briefen nannte er sie „Einziger Trost meiner Seele und meines Herzens, allerschönste und geliebteste Marysienka“. Dabei bewies Maria Kazimiera, wie sie in Polen hieß, ein beachtliches Talent für Intrigen und krumme Geschäfte. Ihre Privatschatulle bereicherte sie unverschämt durch den Verkauf von Hofämtern. Der Gemahl aber wollte von all dem nichts wissen und betete sie zeitlebens an.
Als Feldherr machte sich Sobieski einen gefürchteten Namen. Er kämpfte gegen die Saporoger Kosaken, schwedische Invasoren, Truppen des Zaren und wurde 1668 zum Großhetman der polnischen Krone ernannt, also zum Oberbefehlshaber der gesamten königlichen Streitkräfte. Den Türken lieferte er binnen sechs Jahren 13 Gefechte, wobei vor allem die Schlacht bei Chotyn in der heutigen Ukraine am 11. November 1673 ein beeindruckender Sieg war, weil dadurch ein feindliches Heer von 35.000 Mann nahezu vernichtet wurde. Den Sieger zeichneten einerseits Ritterlichkeit und Frömmigkeit aus, andererseits aber auch maßloser Geltungsdrang und Habgier.
In die Annalen der Geschichte trug sich Sobieski vor allem durch seinen Einsatz bei Wien ein. Die Stadt wurde seit Juli 1683 von den Türken belagert. Wochenlang hielt sie eisern stand. Doch Anfang September wurde die Lage kritisch. Unter den Verteidigern wütete eine Ruhrepidemie; Munition und Lebensmittel gingen zur Neige, mehrere Bastionen lagen in Trümmern. Man schickte einen dringenden Hilferuf an den kaiserlichen Feldherren Karl von Lothringen, der mit seinen Truppen nördlich von Wien auf Verstärkung durch Sobieskis Polen wartete. In der Nacht zum 8. September stiegen von der Anhöhe des Kahlenberges Leuchtraketen auf. Sie signalisierten das Nahen des Entsatzheeres vom nördlichen Rand des Wienerwaldes. Hier hatte sich eine gewaltige Streitmacht versammelt. Fast 75.000 Mann standen bereit, davon 24.000 aus Polen unter König Jan Sobieski, 21.000 Mann unter Karl von Lothringen. Dazu stießen 10.000 Bayern, 9.000 Sachsen, 4.000 Brandenburger.
Sobieskis Nachfolger wurde statt seines Sohnes August der Starke
Am 12. September 1683 kam es auf dem Gebiet des heutigen Wiener Stadtteils Währing zur Schlacht. Die wurde vor allem durch die polnischen Panzerreiter entschieden, eigentlich eine antiquierte Waffengattung. Sie drängten die türkische Kavallerie zurück, so daß Karl von Lothringen sie bei Nußdorf in die Zange nehmen konnte. Gleichzeitig hämmerten sämtliche Wiener Kanonen aus den noch intakten Bastionen auf die Türken ein. Ihr Rückzug verwandelte sich schnell in eine wilde Flucht.
Wien wurde im letzten Moment gerettet. Den Ernst der Lage schilderte Jan Sobieski seiner Frau: „Die gemauerten Bastionen, mächtig und hoch, haben die Türken in entsetzliche Felstrümmer verwandelt und so ruiniert, daß sie weiter nicht standhalten konnten.“ Er sandte Papst Innozenz XI. die erbeutete Fahne des Propheten Mohammed und verkündete voller Enthusiasmus am 13. September 1683: „Unser in Ewigkeit gepriesener Gott und Herr hat unseren Völkern Sieg und Ruhm gegeben, wie man ihn in den vergangenen Jahrhunderten nie gehört hat.“
Ein Wermutstropfen: Während die deutschen Truppen, einem kaiserlichen Befehl folgend, die Nacht nach der Schlacht bei Wien in Gefechtsordnung verblieben, hatten die polnischen gleich nach Eintritt der Dunkelheit mit der Plünderung des Türkenlagers begonnen und sich so die besten Beutestücke gesichert. „Aus dem Wesirzelten nahm das Gesindel in der Nacht eine Menge der schönsten Dinge weg, denn obwohl es auf der einen Seite bewacht wurde, so schnitten sie auf der anderen Seite das Zelt auf und holten heraus, was sie wollten“, empörte sich Sobieski über seine Männer. In den folgenden Jahren bestätigte sich der Polenkönig als eifriger Kunstsammler und Mäzen. Nach seinem Tod 1696 ging die Thronfolge nicht, wie er gehofft hatte, an seinen ältesten Sohn, sondern an den Sachsen Friedrich August alias „der Starke“.