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300. Geburtstag von Jean-Jaques Rousseau: Großvater des Totalitarismus

300. Geburtstag von Jean-Jaques Rousseau: Großvater des Totalitarismus

300. Geburtstag von Jean-Jaques Rousseau: Großvater des Totalitarismus

300. Geburtstag von Jean-Jaques Rousseau
 

Großvater des Totalitarismus

Er gilt als einer der einflußreichsten Philosophen der Geschichte und legte sich mit den Großen seiner Zeit an. Jean Jacques Rousseau ebnete den geistigen Weg für die jakobinische Schreckensherrschaft der französischen Revolution und pflanzte so den Keim des Totalitarismus.
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Weißmann, Reich, Republik, Nachkriegsrechte

Vor 300 Jahren, am 28. Juni 1712, wurde Jean Jacques Rousseau in der Altstadt von Genf als Sohn des Uhrmachers Isaac Rousseau und seiner Ehefrau Suzanne geboren. Er gilt zu Recht bis heute als der einflußreichste politische Denker Frankreichs, wurde er doch als Ahnherr der französischen Revolution gefeiert. Maximilian de Robespierre nannte ihn in einer Rede vor dem Nationalkonvent der französischen Revolution im Jahre 1794 als den „wichtigsten Vorläufer der französischen Revolution“.

Ungeachtet seiner Berühmtheit führte Rousseau ein unstetes Leben. Er schlug sich mit Hauslehrerstellen oder als Notenkopist durch, wechselte häufig seinen Wohnort, überlegte, nach England oder in das liberalere Preußen überzusiedeln, lebte mit Therese Lavasseur 23 Jahre ohne Trauschein, bekam von ihr fünf Kinder geschenkt, die er in ein Findelhaus abgab, ausgerechnet er, der später den berühmtesten Erziehungsroman seiner Zeit schreiben sollte. Im Alter litt er unter Depressionen und Verfolgungswahn, war streitbar und legte sich auch mit ihm wohlgesonnenen Personen wie David Hume oder Voltaire an. Von einem „gelungenen Leben“ kann also bei Rousseau nicht die Rede sein.

Schlagartig berühmt wurde er, als er 1750 den Preis der Akademie von Dijon mit seinem „Discours sur les sciences et les arts“ gewann. 1753 nahm er an der Ausschreibung der gleichen Akademie mit dem „Diskurs über den Ursprung der Ungleichheit unter den Menschen“ teil. Zwar gewann er nicht den Wettbewerb, aber diese Schrift machte ihn über Frankreich hinaus bekannt. Der große Gotthold Ephraim Lessing nannte ihn den „kühlen Weltweisen“.

Kampfprogramm der französischen Revolution

1762 veröffentlichte er seinen Erziehungsroman „Émile, ou De léducation“, was ihm einen Haftbefehlt des Pariser Parlaments einbrachte, worauf er in die Schweiz flüchtete. In seinem Émile vertritt Rousseau die Ansicht, daß die Gesellschaft den Menschen vom Wege der Natur abgebracht habe, es komme darauf an, das Kind kindgemäß und naturnah zu erziehen, damit es seine Anlagen voll entfalten kann. Rousseau war gleichsam in literarischer Sicht der Entdecker der Kindheit. Hermann Weimer betont in seiner „Geschichte der Pädagogik“, daß Rousseau der erste war, der die Pädagogik vom Kinde aus entworfen habe und „daß alle Erziehungsmöglichkeit im Entfaltungsdrang des werdenden Menschen wurzelt“.

Ebenfalls 1762 erscheint Rousseaus Hauptwerk „Du contrat social ou Principes du droit politique“, ein Buch, das in seiner politischen Wirkung gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Das Buch beginnt mit einem politischen Trompetenstoß: „L‘ homme est ne libre, et partout il est dans les fers“ (Der Mensch ist frei geboren und überall ist er in Ketten).

Der Satz wurde zum Kampfprogramm der französischen Revolution, er ist allerdings, worauf schon David Hume und Voltaire aufmerksam machten, so falsch, wie ein Satz nur sein kann. Denn natürlich wird der Mensch nicht frei geboren, er wird immer in eine konkrete historische, familiäre und soziale Situation hineingeboren, eine Situation, die den Lebensweg eines Menschen ganz entscheidend bestimmt und determiniert. Der Mensch ist eben nicht „von Natur aus“ frei, er muss sich diese Freiheit individuell und als Mitglied der Gesellschaft erarbeiten und erkämpfen. Die Konfusion des ersten Satzes setzt sich im gesamten contrat social weiter fort.

Keim des Totalitarismus

Wolfgang von Wartburg stellt fest, daß die gesamte Theorie von Rousseau voll von Widersprüchen sei und Wolfgang Ritzel konstatiert, daß der Gesellschaftsvertrag reich sei an „Belegen eines unklaren, insbesondere unkritischen Denkens“. Denn nach Rousseau hat es den „Naturzustand“ historisch gar nicht wirklich gegeben, der status naturae purae ist ein hypothetischer Zustand, eine gedankliche Konstruktion der vollkommenen Selbstgenügsamkeit des einsamen und damit völlig freien Individuums.

Aus diesem hypothetisch freiheitlichen Naturzustand wird der Mensch durch Zivilisation und gesellschaftlicher Domestizierung vertrieben; es gilt, durch den Gesellschaftsvertrag die Freiheit des Naturzustandes wieder in Kraft zu setzen. Der Gesellschaftsvertrag konstituiert dabei einen Gesamtwillen als Ausdruck der Volkssouveränität, dem sich der Einzelne mit seiner gesamten Person unterwerfen muss.

Durch diese Unterwerfung gewinnt der Einzelne unbedingte Freiheit, denn Gehorsam gegen das Gesetz, „das man sich selber vorgeschrieben hat, ist Freiheit“. Hier liegt bei Rousseau bereits der Keim des Totalitarismus. Denn gefordert wird die totale Unterwerfung unter den Volonté générale, einem „wahren Gemeinwillen“, der mit dem Volonté de tous (dem Willen aller) nicht verwechselt werden darf.

Großvater von Bolschewismus und Nationalsozialismus

Den wahren Allgemeinwillen ermittelt man nach Rousseau, wenn man bei Beschlußfassungen die Meinungsränder wegstreicht (die Gaußsche Nomalverteilung läßt grüßen), dies geht aber nur, wenn „die Staatsbürger keine feste Verbindung untereinander haben“, weil sie sich sonst gegenseitig beeinflussen (so zum Beispiel durch Parteien), was dann den Volonté générale verschiebt und verfälscht. Rousseau ahnt die Unpraktikabilität dieser merkwürdigen Konstruktion und so muß der Allgemeinwille vom Volk auf eine Repräsentationsinstanz des Willens delegiert werden, auf einen „göttlichen Führer“ oder eine „göttliche Führungsinstanz, „dessen erhabene Seele in seiner Tugendhaftigkeit aufleuchtet“.

Napoleon erscheint als späte Vision des Herrn Rousseau. Die Volkssouveränität, wenn sie denn in politische Formen gegossen wird, endet im Caesarismus. So fällt das Urteil des Publizisten Robert Ingrimm über Rousseau vernichtend aus, wenn er formuliert, „daß Rousseau die teuflische Lehre von der Souveränität des unfehlbaren und von Natur aus guten Volkes entwickelt, das, anders als die Fürsten, der Gnade Gottes nicht bedürfe; die Lehre vom Gemeinwillen, dem sich jeder zu fügen habe. Nicht umsonst nannten die Pariser Schreckensmänner Rousseau den Vater der Revolution, und so können wir ihn mit gutem Recht als den Großvater des Bolschewismus und des Nationalsozialismus bezeichnen“.

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