„Für eine systematische Auswahl von Weltklassesportlern wissen wir noch viel zu wenig“, erklärt Petra Platen, Leiterin der Sportmedizin an der Deutschen Sporthochschule Köln, im Interview mit der Zeitschrift Focus. Mit „systematisch“ meint sie hier nicht eine Auswahl wie einst in der DDR, wo reihenweise Schulklassen auf sportliche Eignung geprüft und frühzeitig dressiert wurden. Betrachtet man die deutschen Ergebnisse bei der Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Paris, so wünschen sich manche diese Diszipliniertheit zurück. Doch Platen meint mit „systematischer Auswahl“ eine genetische Selektion von Spitzensportlern, damit nicht allzu viel Zeit und Geld in Kandidaten investiert wird, die es „einfach nicht draufhaben“. Noch läßt sich beim Baby nicht sagen: Der wird – mit vernünftigem Training, versteht sich – ein Kraftsportler, jener ein Ausdauersportler, und der dritte kann schon froh sein, wenn er den Fahrtenschwimmer macht. Was bisher zum Thema „Fitness-Gene“ erforscht wurde, liest man nicht im Focus, sondern auf der Naturwissenschaftsseite der FAZ (20.08.03). Dort sind diesmal nicht die üblichen ästhetisch ansprechenden Aufnahmen mit dem Elektronenmikroskop zu sehen oder verfremdete Korallen und Pilze, sondern etwas, das aussieht wie Wahldiagramme – nur längs statt quer aufgebaut. Statt der Parteien stehen dort so seltsame Namen wie CPT2, D1S1334 oder NPY. Dem Text darf man entnehmen, daß es sich um Gene handelt, die alle mit der körperlichen Fitness in Zusammenhang stehen. 106 sind es inzwischen, und „beinahe wöchentlich“ (!) steigt die Zahl an. Doch wer nun fragt, für welche der sportlichen Fähigkeiten welches Gen zuständig ist, wird enttäuscht. Was auf der jeweiligen Skala eingetragen ist, zeigt nur das gehäufte Vorkommen eines Gens bei der DNS-Reihenuntersuchung sportlich erfolgreicher Menschen und seine ungefähre Lage. Wenn die DNS-Auswertung übereinstimmende Muster ergibt, darf man annehmen, daß an diesen Stellen die entscheidenden Gene liegen. Im Grunde handelt es sich also um Statistik, noch fast ohne Erkenntnis der funktionellen Zusammenhänge. Mit „Wir wissen noch viel zu wenig“ hat die Sportmedizinerin also den Nagel auf den Kopf getroffen. Die Erwartung auswahltauglicher Genchips „in den nächsten fünf Jahren“ ist mehr als optimistisch. Doch abgesehen von der technischen Machbarkeit stellt sich der Nachdenkliche bald die Frage, wieso die Stammzellforschung dämonisiert wird, während hier ganz ungestört die Grundlagen für eine so nie dagewesene Geburtselite entstehen. Denn was dem Sport recht ist, kann der Mathematik oder Musik nur billig sein. Irgendwann wird die Einschulung mit einem Gentest beginnen, auf dessen Ergebnis ein spezieller Stundenplan und jede andere Art von Förderung genau abzustimmen ist. Zumindest die Lehrer hätten es dann wohl erheblich leichter.
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