BERLIN. Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm hat die Reform der Witwenrente gefordert. „Die Witwenrente gehört auf den Prüfstand“, verlangte die 53jährige Volkswirtin in einem Interview mit der Rheinischen Post. Eine Kürzung oder Abschaffung der Witwenrente beträfe über 5,2 Millionen Menschen, davon allein rund 4,5 Millionen Frauen. Diese leben im Durchschnitt vier Jahre länger als Männer, weshalb derzeit nur etwa 700.000 Männer Witwenrente beziehen.
„Wenn Frauen sich darauf verlassen, daß sie im Alter von der Rente des Partners leben, senkt das den Anreiz für eigene Erwerbstätigkeit und Vorsorge“, warnte die Nürnberger Professorin. Ihr Vorschlag sieht vor, beim Tod eines Partners die Rente des Hinterbliebenen herabzusenken, da dieser dann auch nur noch Alleinversorger ist.
Verwitwete Frauen bekamen zuletzt durchschnittlich rund 735 Euro, Männer 402 Euro. Die Diskrepanz ergibt sich aus den Einkommensunterschieden. Diese gehen meist auf eine längere Erziehungszeit der Kinder und eine höhere Teilzeitquote bei Frauen zurück. Bei etwa 85 Prozent der Hinterbliebenen wird das eigene Einkommen angerechnet, was die Höhe der Witwenrente zusätzlich reduziert.
Mütterrente und Rente ab 63 müßten auch weg
Grimm forderte zudem, die Mütterrente und die Rente ab 63 abzuschaffen. Die Pläne der Koalition sehen dagegen eine Angleichung der Mütterrente vor. „Ich mache mir große Sorgen, bei der Rente tickt eine Zeitbombe. Statt die Mütterrente und Rente mit 63 abzuschaffen, was angesichts der alternden Gesellschaft notwendig wäre, verteilt die künftige Koalition nun neue Geschenke“, kritisierte sie das Vorhaben von Union und SPD. Demnach soll in Zukunft nicht mehr relevant sein, ob die Kinder vor oder nach 1992 geboren wurden, um die Mütterrente beanspruchen zu können.
Aufgrund des demographischen Wandels und der höheren Lebenserwartung stellte Grimm weiter eine grundsätzliche Forderung: „Das Renteneintrittsalter muß steigen, sonst ist die Rente mittelfristig nicht finanzierbar.“ Sie untermauerte ihren Vorstoß mit der Idee, daß „zwei Drittel der zusätzlichen Lebenszeit in Arbeit gehen und ein Drittel in Ruhestand. Dann ergibt sich das höhere Rentenalter von allein, wenn die Lebenserwartung steigt“.
Mit Blick auf das gesamte Rentenkonzept des Koalitionsvertrages befürchtet Grimm eine verpaßte Chance von Schwarz-Rot, die „Rentenversicherung nachhaltig aufzustellen“. Das aktuelle Rentenniveau von 48 Prozent soll laut Koalitionspapier bis 2031 gesetzlich abgesichert werden. Darin heißt es, die damit einhergehenden Mehrkosten sollen mit Steuermitteln ausgeglichen werden. (rsz)