MÜNCHEN. Die jährlichen Bürokratiekosten in Deutschland belaufen sich für die Wirtschaft auf bis zu 146 Milliarden Euro. Zu diesem Schluß kommt eine Studie des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung im Auftrag der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern (IHK). „Der Schaden ist gigantisch. Es darf nun keinen Verzug mehr geben“, mahnte IHK-Hauptgeschäftsführer Manfred Gößl und forderte, sämtliche gesetzlichen Vorgaben, Pflichten und Verfahren zu prüfen sowie deutlich zu verschlanken. „Und das in Berlin und Brüssel.“
Schon eine Umstellung der Prozesse auf digitale, internetbasierte Verwaltungsprozesse nach dänischem Vorbild würde dem Ifo-Institut zufolge 96 Milliarden Euro an entgangener Wirtschaftsleistung kompensieren. „Allerdings ergeben die Schätzungen auch, daß der Effekt eines grundlegenden Bürokratieabbaus doppelt so groß ist wie der eines Digitalisierungsschubs“, heißt es in der Studie. So sei etwa der Erfüllungsaufwand für Steuererklärungen in Deutschland mit 218 Stunden fast doppelt so hoch wie in Schweden.
EU-Bürokratiebremse bleibt wirkungslos
Das Institut bemängelt auch Schlupflöcher in den EU-Entbürokratisierungsvorschriften. Seit 2021 gilt eine EU-weite Bürokratiebremse, die die Abschaffung mindestens einer Vorschrift vor einer Neuregelung mit vergleichbarer Wirkung vorsieht. Trotzdem kamen insgesamt 53 Gesetze und 41 Verordnungen in Deutschland hinzu, während nur zwölf Gesetze und sieben Verordnungen gestrichen wurden. „Der Normenkontrollrat empfiehlt zu Recht, daß die bestehenden Ausnahmen der Regel abgeschafft gehören“, heißt es in der Studie. Dazu gehört auch die Umsetzung der EU-Richtlinien, die 57 Prozent des bürokratischen Erfüllungsaufwands pro Jahr ausmachten.
Seit Jahren warnen die Münchner Wirtschaftsforscher vor einer steigenden Belastung durch Bürokratie. Einer weiteren Ifo-Erhebung zufolge hatten rund 91 Prozent der Unternehmen angegeben, daß die Verwaltungslasten seit 2022 massiv angestiegen seien. Hauptgründe dafür waren das seit 2023 geltende Lieferkettengesetz, aufwendige Genehmigungsverfahren und komplizierte Steuerregelungen. Die Denkfabrik macht die Bürokratie auch für den steigenden Auftragsmangel in der Wirtschaft verantwortlich. „Rechts- und Steuerberater sowie Wirtschaftsprüfer blicken im Moment weniger sorgenvoll auf ihre Auftragslage“, merkte Ifo-Umfrageleiter Klaus Wohlrabe an. (kuk)