Die akademische Bildungsexpansion schreitet voran. Laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) waren im Wintersemester 2022/23 rund 2,92 Millionen Studenten an deutschen Hochschulen immatrikuliert. Im Wintersemester 2007/08 waren es nicht mal zwei Millionen. Viele der angehenden Akademiker können aber nicht mehr mit bescheidenem Komfort und zu angemessenen Konditionen ohne Streß bei der Wohnungssuche in der Nähe ihrer Hochschulen untergebracht werden. In der DDR lebten 75 Prozent der Studenten in campusnahen Wohnheimen. Die Unterbringung in den überbelegten Zimmern war allerdings spartanisch.
Im Westen war parallel zur großen Bildungsexpansion ein gewaltiger Ausbau der Wohnheimkapazitäten mit dem Ziel einer 30prozentigen Unterbringungsquote geplant. Doch schon in den 1980er Jahren zog sich der Bund aus der Wohnheimfinanzierung zurück. Viele Studenten kamen stattdessen in den seit den 1970er Jahren immer mehr an Bedeutung gewinnenden Wohngemeinschaften unter.
Nach einer aktuellen Befragung des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) sind aktuell nicht einmal 15 Prozent der Studenten in Wohnheimen untergebracht. Ein gutes Viertel lebt in WGs – genauso viele wie in privaten Mietwohnungen. Die wichtigste studentische Wohnform ist jedoch das „Hotel Mama“ mit inzwischen fast 30 Prozent. Diese Studenten kommen nicht aus ihrer gewohnten Umgebung heraus und lassen sich nicht in fernen akademischen Gestaden den Wind um die Nase wehen. Ein wesentlicher Grund dafür dürfte die Unerschwinglichkeit von Wohnraum in den Hochschulstädten liegen. Familien können sich ein auswärtiges Studium ihrer Kinder immer weniger leisten.
Höhere Wohnkosten, stagnierendes Einkommen
Laut dem „MLP Studentenwohnreport 2023“ des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) sind in 38 untersuchten Hochschulstandorten die Mieten qualitäts- und lagebereinigt um 6,2 Prozent gestiegen (Studentenwohnpreisindex 2022: +5,9 Prozent). Die stärksten Anstiege verzeichneten Heidelberg (+8,0 Prozent), Oldenburg (+6,8 Prozent) und Berlin (+6,4 Prozent). In den vergangenen drei Jahren war der Mietpreisanstieg für Studenten in Berlin mit +10,1 Prozent mit Abstand am höchsten. Der monatliche Mietpreis einer Studentenwohnung lag 2022 in Berlin bei 15,50 Euro pro Quadratmeter, in München bei 20,50 Euro.
Laut Destatis lag der Anteil der Wohnkosten bei Studenten 2021 bei 31,6 Prozent. Das waren acht Prozentpunkte mehr als in der Gesamtbevölkerung. Studenten, die alleine oder in einer WG leben, geben sogar die Hälfte ihres Monatsbudgets fürs Wohnen aus. In Heidelberg müssen Studenten nach den IW-Berechnungen mit einer Miete von 572 Euro rechnen. Das entspricht rund 60 Prozent des Bafög-Höchstsatzes. Nur in zwei untersuchten Städte reicht die Bafög-Wohnkostenpauschale in Höhe von 360 Euro für die Deckung der Wohnkosten.
Während die Mieten immer weiter klettern und die Inflation die Lebenshaltung verteuert, stagnieren die Studenteneinkommen. Das studentische Median-Nettoeinkommen liegt bei rund 1.000 Euro. Das unterste Viertel kommt nicht einmal auf 800 Euro. Von der BAföG-Reform 2022 profitieren nur wenige Studenten, denn nur 16,7 Prozent unter ihnen kommen überhaupt in den Genuß dieses Transfers. Für ihren Studienkredit verlangt die KfW inzwischen einen Wucherzins von über neun Prozent. Die Mittelschicht steht also wieder mal im Regen. Zwei Kinder auswärts studieren zu lassen wird ohne BAfög zu einer großen finanziellen Herausforderung. Studienort, akademische Freiheit und Lebenschancen hängen immer mehr vom Geldbeutel der Eltern ab.
Studenten im Wohnungswettbewerb
Die Ursachen der studentischen Wohnungsnot sind dieselben wie die der allgemeinen Wohnungsnot: Eine zuwanderungsbedingt dynamische Nachfrageentwicklung trifft auf eine im Verhältnis dazu völlig unzureichende Bautätigkeit. Die Lage hat sich seit 2021 wegen des parallelen Anstiegs der Baupreise und Zinsen wesentlich verschärft, und inzwischen befinden sich die Baugenehmigungen im freien Fall. Der Wohnungsmangel erfaßt inzwischen alle Segmente des Wohnungsmarktes.
Studenten konkurrieren mit anderen Gruppen wie jungen Erwerbstätigen, Auszubildenden, Fernpendlern oder Senioren um dieselben Wohnungen. In den Groß- und Unistädten ist die Lage besonders prekär, weil diese Zuwanderungsmagneten sind: 58,5 Prozent aller Personen mit Migrationshintergrund lebten 2022 in städtischen und nur 13,2 Prozent in ländlichen Regionen. Je größer eine Gemeinde ist, desto höher ist auch der Migrantenanteil: Dieser lag in Gemeinden mit weniger als 2.000 Einwohnern im Jahr 2022 bei 11,3 Prozent, in Gemeinden mit 20.000 bis unter 50.000 Einwohnern schon bei 29,4 Prozent und in Gemeinden mit 500.000 Einwohnern bei 39,1 Prozent.
Finanzieren, bauen, abschieben
Die extreme Anspannung der städtischen Wohnungsmärkte führt dazu, daß den Studenten das Finden einer Unterkunft immer schwerer fällt. Und die wenigen angebotenen Wohnungen werden für sie immer weniger erschwinglich. Dazu tragen auch die steigenden Nebenkosten bei. Das drängende Problem der studentischen Wohnungsnot sollte einerseits direkt adressiert werden: Der Bezieherkreis des BAfög sollte deutlich erweitert und der KfW-Studienkredit am besten zinslos vergeben werden.
Außerdem braucht es Anreize für den Wohnheimbau. Das Ende März von SPD-Bauministerin Klara Geywitz verkündete 500 Millionen Euro schwere Programm für Wohnheimplätze reicht nicht aus. Auf der anderen Seite kann sich der studentische Wohnungsmarkt nicht vom allgemeinen Wohnungsmarkt abkoppeln. Dieser braucht nicht nur Steuersenkungen, Förderung und Deregulierung, sondern auch eine Begrenzung der Zuwanderung nach Deutschland. Andernfalls droht der Wohnungsbaupolitik das Schicksal des Sisyphos.