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Marc Jongen, ESN Fraktion

Energiewende: Das Ohr an der Heizung

Energiewende: Das Ohr an der Heizung

Energiewende: Das Ohr an der Heizung

Das Bild zeigt den Regler einer Heizung auf diversen Euro-Banknoten. Die Änderung des Gebäudeenergiegesetzes sieht finanzielle Unterstützung für den Heizungstausch in Form von Zuschüssen, Krediten oder Steuergutschriften vor. Schon ab 2024 soll jede neu eingebaute Heizung auf Basis von 65 Prozent erneuerbaren Energien betrieben werden. (Symbolfoto, Themenfoto)
Das Bild zeigt den Regler einer Heizung auf diversen Euro-Banknoten. Die Änderung des Gebäudeenergiegesetzes sieht finanzielle Unterstützung für den Heizungstausch in Form von Zuschüssen, Krediten oder Steuergutschriften vor. Schon ab 2024 soll jede neu eingebaute Heizung auf Basis von 65 Prozent erneuerbaren Energien betrieben werden. (Symbolfoto, Themenfoto)
Viele Bürger spüren die steigenden Energiekosten bereits. Die neuesten Pläne der Ampel-Regierung für Heizungen könnten die Situation noch verschlimmern Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress | Burkhard Schubert/Geisler-Fotopr (Symbolbild)
Energiewende
 

Das Ohr an der Heizung

Der viel beschworene „Heizhammer“ hat es in sich: Dem Bürger drohen deutliche Mehrkosten. Die zuständigen Behörden sind völlig überfordert, weil die Politik viel zu spät mit der praktischen Arbeit begonnen hat. Drei von vier Heizungen in Deutschland laufen aktuell mit Öl und Gas.
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Unwort, Umfrage, Alternativ

In der Kontroverse über den „Heizhammer“, also die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG/JF 21/23), ist ein Punkt etwas aus dem Blick geraten: Fernwärme ist eine Erfüllungsoption für die geplante 65prozentige Quote von „Erneuerbaren Energien“ (EE) bei neuen Heizungen. Zwar zählen auch Hausübergabestationen als Heizungsanlagen im Sinne des GEG, doch unterliegen sie nicht wie Gas- oder Ölkessel einem Betriebsverbot nach 30 Jahren Laufzeit. Eigentümer von Eigenheimen oder Eigentumswohnungen, die an ein Fernwärmenetz angeschlossen sind oder in Zukunft daran angeschlossen werden, haben einen wesentlichen Vorteil: Sie werden nicht gezwungen sein, die 65prozentige EE-Quote dezentral zu erfüllen und sparen sich damit erst einmal auch die meist hohen Folgeinvestitionen in Gebäudehülle und Flächenheizungen.

Vielmehr ist der Netzbetreiber verpflichtet, für zunehmend grüne Fernwärme zu sorgen. Ein Neuanschluß ist allerdings nur möglich, wenn das Wärmenetz schon zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien gespeist wird oder der Netzbetreiber eine Transformation plant, wobei in diesem Fall bis 2030 schon 50 Prozent der Wärme erneuerbar erzeugt werden müssen. Garantiert die Kommune oder der zukünftige Netzbetreiber den zukünftigen Anschluß, kann sogar eine neue, rein fossile Heizung eingebaut und für mindestens zehn Jahre betrieben werden. Auf der anderen Seite wird man mit dem Netzanschluß zum Kunden eines regionalen Monopolisten.

Mit dem noch in der Ressortabstimmung befindlichen Referentenentwurf des Gesetzes für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze (Wärmeplanungsgesetz/WPG) – wie das GEG aus den Wirtschaftsressort von Robert Habeck (Grüne) und dem Bauministerium von Klara Geywitz (SPD) – soll die weitere Entwicklung der Wärmenetze gesteuert werden. Ein solches Gesetz ist für die individuelle Heizungsplanung erforderlich, denn es muß Klarheit über die zukünftigen Anschlußmöglichkeiten an Fernwärme- und Wasserstoffnetze geben, damit die Gebäudeeigentümer beim Austausch der Heizung rational entscheiden können.

Die Ampel-Regierung hat das Pferd von hinten aufgezäumt

Und hier liegt das große Problem: Diese Klarheit müßte längst herrschen. Die Ampel-Regierung hat das Pferd von hinten aufgezäumt. Es kann nicht sein, daß ab 2024 dort dezentrale Wärmepumpen eingebaut werden, wo in Zukunft ein Wärmenetzanschluß verfügbar sein wird. Die kommunalen Wärmepläne müßten bereits vorliegen. Das WPG regelt die Entwicklung der grünen Fernwärme einschließlich der dafür erforderlichen Daten- und Planungsgrundlagen. Es muß gebäudescharf feststehen, wo und ab wann in Zukunft Fernwärme, Geothermie, Biogas oder Wasserstoff für die Wärmeversorgung zur Verfügung stehen.

Das ist keine triviale Aufgabe, denn es muß hier das zukünftige Soll planerisch vorweggenommen werden. Laut dem Entwurf sollen die Wärmenetze von 2030 an zu mindestens 50 Prozent aus erneuerbaren Energien oder Abwärme von Industrieanlagen gespeist werden. Bei neuen Wärmenetzen müssen es von Anfang an mindestens 65 Prozent sein.

Großstädte müssen ihren Wärmeplan bis 2026 vorlegen. Kleinere Städte haben zwei Jahre länger Zeit. Dafür braucht es natürlich eine umfangreiche Datenbasis. Die Süddeutsche Zeitung vom 24. Mai hat dazu unter Berufung auf das SPD-Bauministerium falsch berichtet, daß dazu „ausschließlich auf bereits vorhandene Daten zurückgegriffen“ werde. Die Kommunen sollen zwar im rechtlich zulässigen Rahmen Daten aus Gebäuderegistern, Grundbüchern, Liegenschaftskatastern, Datenbanken und Energieausweisen nutzen, aber man hat ja schon bei der Grundsteuererklärung gesehen, daß das nicht funktioniert.

Daten von Heizungen sollen verstärkt gesammelt werden

Nach dem Entwurf sollen neben Informationen zum Gebäude selbst (Baujahr, Nutzungsart und Denkmalschutz) auch Daten zur Art der Heizungsanlage samt Heizleistung und Jahr der Inbetriebnahme erhoben werden, außerdem der jährliche Endenergieverbrauch des Gebäudes in den letzten drei Jahren (gelieferte Brennstoffmengen) und das Dachflächen- und Freiflächenpotential für die Solarenergienutzung. Es ist klar, daß es bei Gebäuden mit Öl- oder Pelletheizungen auf keinen Fall ohne die Eigentümer gehen wird, aber vermutlich wird man der Einfachheit halber einfach gleich alle Eigentümer befragen.

Natürlich kommt auch auf Unternehmen, die Prozeßwärme einsetzen, einiges zu, etwa Angaben zur thermischen und elektrischen Nennleistung der Wärmeerzeuger in Kilowatt (kW), zu technisch unvermeidbaren Abwärmemengen in Kilowattstunden (kWh) und -temperaturen in Grad Celsius sowie der internen und externen Nutzung der Abwärme; darüber hinaus Informationen zu geplanten Investitionen, die die Prozeßwärmeversorgung betreffen. Außerdem sollen Informationen zu bestehenden oder bereits geplanten Wärme-, Gas-, Strom- und Abwassernetzen gesammelt werden.

Die Wärmewende ist ein titanisches Projekt, denn aktuell heizen etwa 75 Prozent der Haushalte noch mit Öl und Gas (50 Prozent Gas, 25 Prozent Öl). Nur 5,5 Millionen Haushalte oder gut 14 Prozent aller Haushalte sind an ein Fernwärmenetz angeschlossen, wobei der Anteil erneuerbarer Energien an der Fernwärme nach Angaben des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) 2021 erst bei 17,5 Prozent lag. Erzeugt wird die Wärme bislang vor allem durch die Verbrennung von Kohle und Erdgas in Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen (KWK), die sowohl Strom als auch Wärme erzeugen.

Die Netzwende ist voller Risiken

Den besonders in größeren Städten verbreiteten, oft von den Stadtwerken betriebenen Wärmenetzen ist eine entscheidende Rolle bei der Wärmewende zugedacht. Laut einer BDEW-Studie aus dem Jahr 2021 sind für den erneuerbaren Um- und Ausbau der Fernwärmenetze Investitionen von etwa 50 Milliarden Euro erforderlich. Die Expansion der Netze in neue Gebiete, deren Verdichtung sowie der Neubau von Wärmenetzen mit mindestens 75 Prozent erneuerbarer Wärme werden bereits mit hohen Summen gefördert. Die grüne Fernwärme der Zukunft soll vor allem durch Großwärmepumpen erzeugt werden, mit denen es noch nicht viele Erfahrungen gibt.

Die örtliche Zentralisierung der Heizungsversorgung bietet die Chance, Eigentümer von teuren, individuellen Investitionen zu entlasten und zum Ausgleich könnten man etwas Anpassungsdruck von den Eigentümern nehmen, die nicht angeschlossen werden können – etwa weil sie auf dem Dorf leben. Aber die Netzwende ist per se ein gigantisches Projekt mit großen technischen und wirtschaftlichen Risiken. Und doch wäre es im Sinne der Bürger zu erwägen, diese Netzwende zu forcieren und im Gegenzug die individuelle Heizwende zurückzustellen.

JF 23/23

Viele Bürger spüren die steigenden Energiekosten bereits. Die neuesten Pläne der Ampel-Regierung für Heizungen könnten die Situation noch verschlimmern Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress | Burkhard Schubert/Geisler-Fotopr (Symbolbild)
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