Die internationale Finanzkrise brachte nicht nur Großbanken ins Wanken, sondern ganze Länder wie Island oder Ungarn an den Rand des Staatsbankrotts, sie verhalf Barack Obama mit zu seinem überwältigenden Wahlsieg — und mutierte erklärte Marktwirtschaftler zu Staatsinterventionisten. Wohl noch nie ist es derart geschwind, umfassend und länderübergreifend zu einem Angriff auf die Freiheit durch staatliche und andere politische Akteure gekommen wie in diesen Tagen und Wochen. Auch dies ein Anlaß für liberale Bürger und liberale Institutionen, Alarm zu schlagen. Jüngst haben sie sich in Berlin zum Forum Freiheit zusammengefunden, um zur Gegenwehr aufzurufen. Der Andrang zu ihrer Veranstaltung war groß, immer mehr Stühle mußten hinzugestellt werden. Ins Auge fiel die Teilnahme auch der jüngeren Generation. Die Gegner der Freiheit sind derzeit in der Überzahl Diese Liberalen wollen die persönliche Freiheit gegen ihre Gegner, wie Gerd Habermann einleitend sagte, in besonders pointierter Form verteidigen. Er leitet das Institut der Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer und ist Geschäftsführer der Hayek-Gesellschaft. Die Gegner der Freiheit seien gerade jetzt in der Überzahl, denn die Finanzkrise begünstige sie. Manche unter ihnen verstünden sich sogar als Freunde der Freiheit, aber sie mißverstünden sich — aus begrifflicher Unklarheit — selbst. Habermann befürchtet, daß die Finanzkrise „verwüstende Wirkungen auf unsere Institutionen“ haben wird „und damit auch unser aller Freiheit bedroht“. Andere Institutionen, die den „Angriff auf die Freiheit“ analysierten, waren das Liberale Institut der Stiftung für die Freiheit, das Liberale Institut (LI) in Zürich, der Freie Verband Deutscher Zahnärzte, der Verein „Familie ist Zukunft.de“, das Institut für unternehmerische Freiheit, der Bund Freiheit der Wissenschaft, die Zivile Koalition, das Centre for a New Europe (CNE), der Verband Privatärztlicher Verrechnungsstellen (PVS) und das Liberale Netzwerk. In den Debattenbeiträgen ging es um den politischen Angriff auf das Eigentum und die Familie, auf die Vertrags- und Konsumentenfreiheit, auf Selbständigkeit und Wettbewerb, ferner um „Die drohende Klimazwangswirtschaft“ — und um die Finanzkrise. Für den Unternehmensberater Michael von Prollius ist die Finanzkrise eine Krise durch staatlich herbeigeführte Inflation. In den Medien dominiere noch immer der Trugschluß, die „Finanzmarktkrise“ sei allein Folge unternehmerischen Versagens, unzureichenden Risiko-Managements der Finanzinstitute, spekulativer Gier und von sich aus instabiler Finanzmärkte. Die Legende laute: „Das Marktversagen im großen Stil ist Ausdruck einer epochalen Krise des (Finanz-)Kapitalismus oder: zuviel chaotische Marktfreiheit — zuwenig ordnende staatliche Regulierung.“ Tatsächlich jedoch seien die politisierten Märkte heute keine freien Märkte. Die Banken zählten in nahezu allen entwickelten Volkswirtschaften zu den am stärksten regulierten Branchen. Wer heute mit vermeintlichem Regulierungsmangel und anarchischen Finanzmärkten argumentiere und deshalb eine Intensivierung der Regulierung fordere, habe entweder die bisher weitreichende Regulierung übersehen oder müsse eingestehen, daß diese versagt habe. Die Regulierung habe die Märkte nicht sicherer, sondern unsicherer gemacht. Hardy Bouillon vom CNE legte dar, warum die gegenwärtige Familienpolitik „die traditionell fruchtbare Gemeinschaft von Eigentum und Familie“ aufzulösen droht, obwohl der Staat für Familien doch soviel Geld ausgibt, das er sich aber beschafft durch Eingriffe in das Eigentum der Bürger und auch der von ihm unterstützten Familien. Mit diesen Eingriffen werde ihnen die Möglichkeit genommen, ihre ureigene Vertrags- und Versicherungsgemeinschaft Familie nach eigenem Gutdünken zu gestalten. Privat- und Kassenärzte ihrer Selbständigkeit beraubt Maria Steuer von Familie-ist-Zukunft beschrieb den Zustand und die Folgen dieser staatlichen Familienzerstörung, die Ursachen dafür (Feminismus, Gender Mainstreaming) und die Methoden: Ideell durch Manipulation und Propaganda, rechtlich durch die Paragraphen 1666 BGB (Gerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls) und 24 SGB VIII (Ausgestaltung des Förderungsangebots in Tageseinrichtungen) sowie finanziell, indem Familien in wirtschaftliche Not gebracht werden, die auch Mütter in die Erwerbstätigkeit zwingt. Jörg Großelümern vom Netzwerk Bildungsfreiheit forderte weniger Staat und mehr Freiheit für die Eltern bei Erziehung und Bildung. Er verlangte Vielfalt und Pluralismus anstelle der verordneten Einheitsschule. In keinem Land mit einer freiheitlichen Demokratie sei ein solch strafbewehrter Schulzwang bekannt, wie er (seit 1938) in Deutschland herrsche. Pierre Bessard vom LI meinte, die Ethik des Eigentumsschutzes sollte stets über die fiskalische Gier des Umverteilungsstaates triumphieren — und sei es nur als eine Art praktikable Notwehr durch Steuerflucht in die Schweiz. Detmar Doering vom Liberalen Institut der Friedrich-Naumann-Stiftung sieht die Vertragsfreiheit bereits besorgniserregend unterhöhlt. In vielen Fällen sei die Vertragsfreiheit so stark eingeschränkt, daß das unternehmerische Risiko willkürlich erhöht wurde. Inzwischen drohe eine umfassende Verhaltensregulierung. In die gleiche Kerbe schlug auch der Rechtsanwalt Carlos A. Gebauer vom Liberalen Netzwerk. Er sprach von „inzwischen schier unbeherrschbaren Fallstricken“, die der Gesetzgeber gelegt habe. Stefan Tilgner vom PVS führte vor, wie stark der Staat in die Wettbewerbs- und Vertragsfreiheit der privaten Krankenversicherungsunternehmen eingreift und diese damit letztlich zu Fall bringt. Gebauer zeigte, wie ein Kassenarzt in seiner ursprünglichen Selbständigkeit inzwischen entrechtet ist und dies auch freiberufliche Ärzte treffen kann. Mit einer Entschließung fordern die Träger des Forums Freiheit weniger statt mehr Staat, weniger falsche Regulierung, dagegen ein Mehr an wahrhaftiger Information und im übrigen eine Rückgabe von Freiheit und Verantwortlichkeit und von Mitteln an die Bürger. Die gemeinsame Entschließung des „Forum Freiheit“ im Internet: www.hayek.de/docs/2008/entschliessung-forum-freiheit.pdf
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