Kinder von anerkannten Flüchtlingen haben ein Recht auf Erziehungsgeld, selbst wenn dieses eine freiwillige Leistung eines Bundeslandes ist. Asylanten und Kinder von Eltern aus Staaten außerhalb der EU dürfen nicht schlechter gestellt werden als Kinder von Deutschen oder EU-Angehörigen. So lautet ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofes (VGH) Mannheim gegen das Land Baden-Württemberg. Seit 1986 zahlt das Land Baden-Württemberg für Kinder ein Landeserziehungsgeld. Im Anschluß an das zwei Jahre laufende Bundeserziehungsgeld werden unterhalb einer Einkommensgrenze von 2.450 Mark ein weiteres Jahr lang monatlich 400 Mark beigesteuert. Diese freiwillige Leistung, die es auch in Bayern, Sachsen und Thüringen gibt, kostete das Land im vergangenen Jahr nach Angaben des Sozialministeriums in Stuttgart immerhin 130 Millionen. Das Besondere: Anspruch auf das Landeserziehungsgeld hatten bislang nur deutsche Eltern sowie Familien aus der EU und den EFTA-Staaten Norwegen, Island und Liechtenstein. Dagegen hatte eine türkische Mutter, deren Antrag auf Bewilligung des Landeserziehungsgeldes 1998 abgelehnt worden war, zunächst vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe geklagt und in erster Instanz recht bekommen. Gegen das Urteil hatte Baden-Württemberg damals Berufung eingelegt. Das Land begründete seinen Widerspruch damit, daß es sich beim Erziehungsgeld um eine freiwillige Leistung handele, die nicht an gesetzliche Vorgaben gekoppelt sei. Der Fall ging als Musterprozeß in die nächste Instanz. Bei der heute 33jährigen Antragstellerin und ihrem Mann handelt es sich um Asylanten mit unbefristeter Aufenthaltserlaubnis, die seit 1989 in Deutschland leben. Der Mann ist berufstätig, sie selbst geht einer Nebentätigkeit unterhalb der Geringfügigkeitsgrenze nach. Das Berufungsverfahren vor dem VGH in Mannheim verurteilte jetzt das Land Baden-Württemberg erneut zur Zahlung des Landeserziehungsgeldes auch an Kinder von Asylanten und Eltern aus Drittstaaten. Das Stuttgarter Sozialministerium schätzt, daß im Land jährlich allein etwa 2.000 türkische Kinder antragsberechtigt sein könnten. Sollten alle anerkannten Flüchtlinge und Angehörige von Staaten außerhalb der EU künftig Antrag auf Zahlung des Erziehungsgeldes stellen, dann würden auf das Land jährliche Mehrkosten von 16 Millionen zukommen. Während kirchliche Organisationen, Gewerkschaften und Grüne das Urteil ausnahmslos begrüßten, will der Fraktionschef der CDU im Stuttgarter Landtag, Günther Oettinger, die Abschaffung dieser freiwilligen Leistung nicht ausschließen. Die SPD warf der CDU darauf vor, mit solchen Überlegungen den „familienpolitischen Offenbarungseid“ geleistet zu haben. Die Republikaner stellten die Förderungspraxis in Frage und forderten die Umstellung der Kindergeld- und Erziehungsgeldzahlung auf ein einkommensunabhängiges Familiengeld. Die CDU-FDP-Regierungskoalition wies insbesondere den Vorwurf zurück, sie betreibe verdeckt eine ausländerfeindliche Sozialpolitik. Sozialminister Friedhelm Repnik (CDU) wies Diskriminierungsvorwürfe zurück. Das Erziehungsgeld solle vielmehr die Integration fördern. Kinder, die zur Staatsbürgerschaft ihrer Eltern auch die deutsche annähmen, erhielten das Erziehungsgeld schon jetzt. „Wer eine freiwillige Leistung des Landes in Anspruch nehmen möchte“, sagte der Minister, „von dem kann ein solcher Beitrag zur Integration erwartet werden.“ In der Bundesrepublik wird für 17,3 Millionen Kinder Kindergeld gezahlt. Darunter sind etwa 1,75 Millionen Kinder ausländischer Eltern. Nach dem Einkommensteuergesetz und dem Bundeskindergeldgesetz wurden im Jahr 1999 insgesamt 57,8 Milliarden Mark Kindergeld gezahlt, davon 5,8 Milliarden an Ausländer.