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Philosophie nur für Starke und Reiche

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Immobilienhaie, Ausbeuter, Gehirnwäscher, Weltverschwörer und Spitzel – wenn es um Scientology geht, werden viele Vorwürfe laut. Doch was steckt wirklich dahinter? Als die Organisation am 13. Januar ihre neue „Kirche“ in Berlin eröffnete, berichteten viele Medien darüber, wie sich nun die Inkarnation des Bösen in der deutschen Hauptstadt etabliere. Scientology sei eine Gefahr für die Demokratie – was durch die Beobachtung des Bundesamtes des Verfassungsschutz belegt werde. Schlägt man aber in dessen Bericht nach, worin denn die verfassungsfeindlichen Bestrebungen liegen, erhält man keine konkreten Angaben. Dort steht lediglich, daß Scientology politische Ziele verfolge. Es lägen „Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“ vor, was durch „aktuelle Aktivitäten und Publikationen bestätigt“ würde. Dennoch wird wenig Aufschluß über die eigentlichen oder vermeintlichen Gefahren der Sekte gegeben. Und so bleibt offen, was nun so besonders gefährlich an Scientology ist. Schließlich gibt es eine Vielzahl von Sekten, Esoterik-Vereinen und Erfolgsphilosophien. Viele davon sind ebenfalls suspekt, und dennoch werden sie unter dem Gebot der Religions- und Meinungsfreiheit toleriert und in den Medien allenfalls als Spinner abgehandelt. Scientology wurde 1950 von dem amerikanischen Science-Fiction-Schriftsteller L. Ron Hubbard ursprünglich als psychotherapeutisches Selbsthilfesystem unter dem Namen „Dianetik“ konzipiert. Nur wenige Jahre später wurde es dann 1954 in den USA als „Church of Scientology“ mit dem Anspruch einer Religion gegründet. Scientology versteht sich in der Tradition des frühen Buddhismus, dessen Lehre Hubbard „perfektioniert“ haben will. Die Lehre beansprucht für sich, exakte Techniken anzubieten, mit deren Hilfe Menschen sich ihrer spirituellen Existenz über mehrere Leben hinweg bewußt werden und zu mehr Leistung in der physischen Welt fähig werden können. In acht Stufen könne sich ein Mensch zum „Operierenden Thetan“ entwickeln. Der Thetan, also die Seele, kann sich dann vom Körper lösen und frei „über Materie, Energie, Raum, Zeit und Denken“ verfügen. Der Begriff Scientology wurde aus dem lateinischen Wort „scio“ und dem griechischen Wort „logos“ gebildet bedeutet soviel wie „Wissen über das Wissen“. Scientology bezeichnet sich selbst als „angewandte religiöse Philosophie“, als „Technologie“ und als „Religion“. In Deutschland ist die seit 1970 niedergelassene Sekte jedoch nicht als Religionsgemeinschaft anerkannt. 1995 entschied das Bundesarbeitsgericht, daß Scientology dieser Status nicht zustehe. In den USA dagegen gilt sie bereits seit Jahrzehnten offiziell als Religion. Weltweit soll es zehn Millionen gläubige Scientologen geben. In Deutschland sind es nach Angaben der Sekte 30.000, davon tausend in Berlin. Laut dem Verfassungsschutz gibt es hierzulande aber nur 8.000 Anhänger – in Berlin lediglich zweihundert. Der 1911 geborene Hubbard starb bereits 1986. Seitdem ist der Leiter der Organisation David Miscavige, der im vergangenen November Trauzeuge bei der Hochzeit des erfolgreichen Hollywood-Schauspielers und Vorzeige-Scientologen Tom Cruise war. Perfekt werden die Besucher durch die Ausstellung gelotst Im neuen Scientology-Zentrum in Berlin-Charlottenburg tummeln sich nachmittags die Gäste. Schon von der Straße aus können Passanten einen neugierigen Blick hineinwerfen: Die ganze Front besteht aus Glas. Die Sekte will Transparenz vermitteln – oder zumindest den Schein davon. Drinnen befinden sich Menschen allen Alters – auch viele Jugendliche. „Kann ich Ihnen helfen?“ fragt eine etwa zwanzigjährige Schweizerin und lächelt freundlich. Sie trägt einen schwarzen Hosenanzug – eine Art Uniform. So sind die zahlreichen Mitarbeiter der „Kirche“ zwischen den Menschenmassen deutlich zu erkennen. Sie wirken äußerst professionell – sie sind sehr höflich, zuvorkommend und interessiert. Sie geben einem das Gefühl, etwas Besonderes zu sein – wie ein guter Kunde eben. Im neuen Gebäude, das auf 4.000 Quadratmetern Platz für eine Bibliothek, drei Kinosäle und zahlreiche Seminarräume bietet, ist alles auf Hochglanz poliert. Im Hintergrund läuft Musik, die an amerikanische Fernsehserien erinnert. Im Foyer befindet sich eine kurze Ausstellung über Hubbard – daneben werden dessen zahlreiche Lehrbücher zum Kauf angeboten. In einem Nebenraum sind ein Dutzend große Bildschirme aufgestellt: Fast sieht es so aus wie in der Science-Fiction-Serie „Raumschiff Enterprise“. Der Besucher kann es sich auf einer Couch gemütlich machen und insgesamt über zwölf Stunden lang Werbefilme anschauen. Die orangefarbenen Sofas riechen neu – sie erinnern fern an den Geruch in einer Flugzeugkabine. Diese Assoziation wird durch das breite Lächeln der Mitarbeiterinnen verstärkt – sie ähneln Stewardessen: Genauso perfekt geschminkt lotsen sie den Besucher durch die Ausstellung. Journalisten sind dagegen eher unerwünscht: Bei der Eröffnung wurden Medienvertreter gar nicht reingelassen. Doch viele waren da – und das macht die Scientologen nun erst recht mißtrauisch. Sie halten sich zurück, ganz im Gegenteil zu den in den Medien beschriebenen Monstern, die sogar kleine Kinder auf der Straße ansprächen und reinlockten. Hier steht keiner auf der Straße. Es werden keine Flugblätter verteilt – niemand wird irgendwie überredet. Wer Information will, muß die Initiative ergreifen und die netten Damen selber fragen. „In Deutschland war man schon immer intolerant gegenüber religiösen Minderheiten“, erklärt eine Mitarbeiterin den schlechten Ruf der Sekte. Und dennoch wirkt alles irgendwie verdächtig. Zu jeder gestellten Frage gibt es einen passenden Film. Fragt man, woran sie eigentlich glauben, bekommt man die Einführung in die Dianetik und die „Acht Dynamiken des Daseins“ zu sehen. Will man wissen, was sie machen, werden Filme über die zahlreichen sozialen Projekte der Sekte gezeigt. In bunten Farben und mit weichgezeichnetem Bild wiederholen die interviewten Menschen immer wieder das gleiche: wie gut und wirkungsvoll Scientology ist. Die Filme, die an schlecht synchronisierte Angebote auf dem Shoppingkanal erinnern, sollen überzeugen. Will man wissen, wie Scientologen zu anderen Religionen stehen, so wird man in einen der Kinosäle geführt. Hier kann man 45 Minuten lang ein gefilmtes Interview mit Gründer Hubbard anschauen. Hubbard würde diese Frage viel besser beantworten, sagen die Mitarbeiter. „Wie war es?“ fragen sie nach dem Film. Antwortet man: „Sehr interessant – ich würde gerne so ein Persönlichkeits-test ausprobieren, von dem Hubbard im Film gesprochen hat“, freuen sich die Mitarbeiter sehr. Sofort können dann die zweihundert Fragen der „Oxford Persönlichkeits-Analyse“ beantwortet werden. Im Test werden allgemeine Fragen gestellt wie: „Blättern Sie einfach zum Vergnügen in Eisenbahnfahrplänen, Telefonbüchern oder Wörterbüchern?“ und: „Haben Sie oft das Gefühl, daß Leute Sie beobachten oder hinter Ihrem Rücken schlecht über Sie sprechen?“ Nach dem Test werden die Antworten mit Hilfe eines Rechners zu einer Persönlichkeitskurve ausgewertet. Unausgeglichene Menschen mit einem steilen Liniendiagramm können Gelassenheit, innere Ruhe und Effektivität mit Hilfe von Scientology-Kursen üben. Schnell stellt ein junger Mann passende Kurse zum Testergebnis vor. Es sei wichtig zu wissen, daß ein Mensch sich unbegrenzt verbessern könne. „Auch Sie können das“, sagt er. Er persönlich versuche schon seit zehn Jahren, besser zu werden. Natürlich gebe es auch böse Menschen in der Welt, die einen negativ beeinflußten. Aber die meisten Menschen seien von sich aus gut. Diesen Menschen könne Scientology helfen, noch besser zu werden. Die angebotenen „Kurse“ sind in Wirklichkeit Übungshefte, die zwischen sechzig und 150 Euro kosten. Geübt werden kann dann selbständig in den Seminarräumen. Dort sei immer auch ein „Kursüberwacher“ anwesend, der bei schwierigen Fragen helfe, erzählt der Mann. „Sie haben vorhin gesagt, daß Sie sich ein wenig krank fühlen und deshalb gehen wollen“, sagt der Mann. Er hat offensichtlich ganz genau hingehört. „Wissen Sie, daß Krankheit immer auch ihre geistige Fassung widerspiegelt? Mit Hilfe von Scientology bin ich in den letzten zehn Jahren nur wenige Tage außer Gefecht gewesen.“ Es gebe Methoden, mit denen man in so einem Fall schnell Abhilfe schaffen könne. „Wenn Sie wollen, kann ich das Ihnen zeigen“, sagt er. Dafür müsse man in ein ruhiges Zimmer gehen. „Sie schließen nur Ihre Augen und hören, was ich Ihnen sage. Dann berühre ich Ihre Stirn mit meinen Finger. Wichtig ist dabei, daß ich Ihnen immer sage, was ich gerade tue“, erzählt der junge Mann begeistert. „Das hilft bei mir immer!“ Trotz Kreuz – nichts mit dem Christentum gemeinsam Obwohl als eines ihrer wichtigsten Symbole ein Kreuz abgebildet wird, hat Scientology nichts mit dem Christentum gemeinsam: Es ist eine erbarmungslose Erfolgsphilosophie der Starken, was die Scientologen sogar selber zugeben. Versagen und Krankheit zeugten ihrer Meinung nach nur von geistiger und seelischer Schwäche. Solchen Menschen könne nicht mehr geholfen werden und sie seien deshalb uninteressant für Scientology. In Wirklichkeit sind sie deshalb uninteressant für die Sekte, weil sie nicht in der Lage sind, für die existentielle Grundlage des Weltunternehmens zu sorgen. Je höher ein Scientologe in der Hierarchie der „Acht Stufen“ aufsteigen möchte, desto mehr muß er nämlich bezahlen. Über genaue Summen wird viel spekuliert. Sicher ist allerdings, daß Scientology ein weitverzweigtes Netzwerk bildet, das sich über verschiedene wirtschaftliche, politische und soziale Branchen ausdehnt. Narconon zum Beispiel betreibt Drogenrehabilitationszentren, Criminon bekämpft Kriminalität, und Able engagiert sich auf dem Bildungssektor. Zudem hat Scientology zahlreiche eigene „Menschenrechtsorganisationen“ gegründet und schickt „Volunteer Ministers“, also ehrenamtliche „Scientology-Geistliche“, weltweit in Krisengebiete. Scientology bietet auch eine eigene Unternehmensphilosophie. Untergeordnete Unternehmen müssen sich durch Lizenzverträge verpflichten, Hubbards Technologien und Lehren korrekt anzuwenden und dafür ordentlich zu bezahlen. Nach Einschätzung des Sektenbeauftragten der Evangelischen Kirche in Deutschland, Thomas Gandow, kämen Opfer der Organisation innerhalb von zwei Jahren sogar auf Kosten zwischen 50.000 und 250.000 Euro – Beträge, die Existenzen ruinieren können. Foto: Das neue Scientology-Zentrum in Berlin: Die ganze Front in der Charlottenburger Otto-Suhr-Allee besteht aus Glas. Die Sekte will Transparenz vermitteln – oder zumindest den Schein davon. Organisation Scientology Religious Technology Center (RTC) Das Überwachungsorgan RTC hat zum Zweck , „die Öffentlichkeit und Mitglieder der Kirche vor Mißbrauch des Erlösungsweges zu schützen“. www.rtc. org, www.scientology. org Office of Special Affairs (OSA) Das Büro für spezielle Angelegenheiten ist ein weltweit operierender Scientology-Geheimdienst. Citizens Commission on Human Rights Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte. www.cchr. com, www.kvpm. de, www.fightforkids. com, www.psychcrime. org New Era Verlagshaus www.newerapublishing. com The Way to Happiness Ein „nichtreligiöser Moralkodex“, mit der Scientology neue Mitglieder wirbt. www.thewaytohappiness. org Golden Era Produziert Audiovisuelle Medien. www.goldeneraproductions. org Freedom Magazin Scientology Zeitschrift www.freedommag. org Association for Better Living and Education Die Vereinigung für besseres Leben und Erziehung koordiniert soziale und pazifistische Projekte weltweit. www.able. org Narconon Eine Organisation zur Rehabilitation von Suchtkranken. www.narconon. de, www.narconon. org Criminon Widmet sich der Rehabilitation von Kriminellen und der Verhinderung von Kriminalität. www.criminon. de, www.criminon. org Applied Scholastics Engagiert sich weltweit für bessere Bildung und Lesekompetenz. www.appliedscholastics. org, www.besserebildung. de Scientology Volunteer Ministers Ein Programm, das ehrenamtliche „Scientology Geistliche“ weltweit für soziale Projekte einsetzt. www.volunteerministers. org World Institute of Scientology Enterprises Sorgt als Dachverband dafür, daß Mitglieder – durch Lizenzverträge gebunden – Hubbards Verwaltungstechnologie umfassend verbreiten, indem die Ethikprinzipien und Grundsätze von Scientology nach und nach in die gesamte Geschäftswelt hineingebracht werden. WISE-Mitglieder sind unter anderem in der Personalberatung, Unternehmensberatung, Personalausbildung und im Immobilienhandel tätig. www.wise. org

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