Heiß ist der Sand, karg ist das Land – wenn es lange nicht geregnet hat. Läßt die Regenzeit jedoch wie in diesem Jahr ihre Himmelsschleusen länger offen, dann werden sonst trockene Reviere zu reißenden Strömen. Ein sattes Grün sprießt über Wochen aus dem Land hervor, in dessen Innerem sonst in der Sommerjahreszeit mitunter eine große Dürre Mensch, Pflanze und Tier zu schaffen macht. Die Rede ist von Namibia, dem jüngsten Staat Afrikas. 1990 erhielt es als letztes Land auf dem schwarzen Kontinent seine Unabhängigkeit. Unter Aufsicht der Vereinten Nationen (UN) bekam Namibia eine moderne demokratische Verfassung. Die vergleichsweise geringe Bevölkerungszahl von zwei Millionen auf einer Fläche, die zweimal so groß ist wie Deutschland, hat zweifelsohne positiven Einfluß auf das soziale Klima im Lande. Die Verfassungsorgane funktionieren, gemessen an vielen anderen afrikanischen Staaten, in geradezu vorbildlicher Weise. Der neue Präsident als Hoffnungsträger der Weißen An der Südwestküste Afrikas hat sich inzwischen ein Staat etabliert, der dabei ist, den Beweis zu führen, wie mit einer Politik der Versöhnung die unterschiedlichsten Ethnien einer gescheiten Administration entgegengeführt werden können: unter dem Gesichtspunkt eines friedlichen Miteinanders als Voraussetzung einer positiven ökonomischen Entwicklung der einzig denkbare Weg. Realpolitik ist angesagt unter dem neuen Staatspräsidenten Hifikepunye Pohamba. Gegenüber seinem Vorgänger Sam Nujoma läßt dieser auch von den Weißen als Hoffnungsträger bewertete neue erste Mann Namibias jegliche Attitüden überzogener Selbstdarstellung vermissen. Als erstes wurden die den Präsidenten begleitenden, jedesmal mit einem Hupkonzert auftretenden Polizeieskorten abgeschafft. Seinen Staatsbesuch nach Deutschland absolvierte Pohamba in einer Linienmaschine der Air Namibia – zusammen mit Touristen. Eine große Portion Vertrauensvorschuß kann man ihm auch deswegen entgegenbringen, weil Pohamba in Sachen der umstrittenen Landreform das rechtsstaatliche Prinzip „willing seller – willing buyer“ nicht nur in Deutschland anläßlich seines Staatsbesuchs im November 2005 immer wieder betont hat: „Enteignung ist das letzte Mittel, zu dem wir nur dann greifen, wenn dies im öffentlichen Interesse ist – und natürlich gegen Zahlung einer gerechten Entschädigung … Tatsächlich ist aber seit Beginn der Landreform noch keine Farm auf diesem Wege übernommen worden. Ich muß hier erklären, daß gegenwärtig nur fünf derartige Fälle bei unseren Gerichten anhängig sind“. In dreizehn Regionen ist dieses zirka 800.000 Quadratkilometer große Land aufgeteilt. Es herrscht ein sehr trockenes Klima. Die Temperaturen schwanken im Sommer (Oktober bis April) zwischen 18 °C und 35 °C und im Winter (Mai bis September) zwischen 0 °C und 20 °C. An der Küste herrscht in der Regel ein mildes, mediterranes Klima. Für die naturhungrigen Touristen wartet Namibia mit einer Bilderbuchlandschaft auf: Unberührte Natur, die stille, herbe Schönheit des Landes, gekennzeichnet durch lange Bergketten, tiefe Täler, Geröll, Fels, Sand und seine weite fremde Wildnis vermitteln das Gefühl, ein Stück paradiesischen Friedens zu erleben. Zu dieser eigenwilligen und variationsreichen Landschaft kann man eine regelrechte Liebe entwikkeln, weil ihre einzigartige Schönheit vor allem darin besteht, daß es unendlich viel Raum gibt, eine endlose Weite. So vielfältig die Natur, so facettenreich die Menschen: 12 Ethnien zählt dieses Land – und die weiße Bevölkerung. 25 Prozent der namibischen Bevölkerung lebt in Städten. Windhoek als Hauptstadt hat 240.000 Einwohner. Beeindruckend ist die Sauberkeit dieser Vielvölkermetropole. Ob Schwarze, Farbige oder Weiße – die durch Engagement und Zielstrebigkeit gekennzeichnete Betriebsamkeit der Menschen beeindruckt den Besucher. 90jähriges Jubiläum der „Allgemeinen Zeitung“ Mit dem klassischen Afrikabild hat Windhoek nichts zu tun. Die Stadt vermittelt europäisches Flair. Gebäude aus der deutschen Kolonialzeit und postmoderne Architektur geben dem Zentrum von Windhoek einen unverwechselbaren Charakter. Für die Menschen der ländlichen Regionen ist ihre Hauptstadt Brennpunkt von Kommunikation und Geschäftigkeit. Es mutet sehr erstaunlich an, unter dem in „Fidel Castro Street“ umbenannten Straßenverkehrsschild einen fast Quadratmeter großen Wegweiser mit dem Hinweis Reiterdenkmal, Christuskirche, Alte Feste unübersehbar in Augenschein zu nehmen. Offenbar gehört es in Windhoek und anderen Städten dazu, auf der einen Seite die „soziali-stischen Helden“ und ihre Swapo-Anhänger“ via Straßennamen nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, auf der anderen Seite aber mit aller Selbstverständlichkeit auf die markanten Denkmäler aus der deutschen Kolonialzeit hinzuweisen, um diese zu besuchen. Der deutsche Einfluß hat sich auch sicherlich deswegen halten können, weil er der Stadt, vom touristischen Potential aus betrachtet, sehr zugute kommt. Wo sonst gibt es jährlich in Afrika einen ausgelassenen deutschen Karneval, eine Luisen-Apotheke, eine deutsche Buchhandlung. Die beste Kleidung für eine Safari kauft man bei Ernst Holz, einem alteingesessenen Einzelhändler. Geschäftsleute dinieren im Thüringer Hof und am Nachmittag unterhält man sich bei Käsesahne- oder Schwärzwälder Kirschtorte im Café Schneider in der Independence Avenue, der früheren Kaiserstraße. Die Heinitzburg als luxuriöses Hotel mit einem Gourmetrestaurant bietet von seiner Terrassenplattform während des Sonnenuntergangs einen sehenswerten Ausblick auf die ihr zu Füßen liegende Namibia-Metropole. Zeitungsverkäufer erkennen zielsicher ihre deutsche Leserschaft und bieten die Allgemeine Zeitung, die dieser Tage ihr 90jähriges Bestehen feiert, zum Verkauf. Am intensivsten spürbar wird der deutsche Einfluß in Swakopmund, nach der Hauptstadt Windhoek zweitbekannteste Stadt des Landes. Zirka 40.000 Menschen wohnen hier. Obwohl schon seit 1915 zunächst die Engländer und dann die Südafrikaner diesen Flecken Erde mit seinen Menschen verwalteten, ist im Stadtbild, in der Geschäftswelt und im gesellschaftlichen Leben die Orientierung am Deutschen unverkennbar. Ja es gibt sogar manche Besucher aus Übersee, die das Leben in dem Seebad deutscher als deutsch charakterisieren. Von daher ist es auch nachvollziehbar, daß so mancher einheimische Swakopmunder nur noch den Kopf schüttelt, wenn wieder neue Marotten der neudeutsch geprägten Spaßgesellschaft in Deutschland die Runde machen. Wasser auf die Mühlen ihrer tiefen Enttäuschung über das Mutterland lieferte jüngst die von der Lehrergewerkschaft GEW geforderte Abschaffung des Deutschlandliedes. Für die meisten deutschen Besucher ist es immer wieder ein Erlebnis, die redegewandten Swakopmunder mit ihrem akzentfreien Hochdeutsch im Gespräch zu erleben. Eine Augenweide für die Touristen sind die markanten Gebäude der Stadt. Zunächst sticht der 1901 erbaute und inzwischen stilvoll renovierte Bahnhof ins Auge, der heute ein Hotel der Luxusklasse beherbergt. Der Leuchtturm, das kaiserliche Bezirksgericht, das Amtsgericht, das Marinedenkmal, die alte Post, die evangelisch-lutherische Kirche, das Wöhrmannhaus mit seinen holzgetäfelten Wänden, das Hohenzollernhaus im Neobarockstil der Kaiserzeit, die Adler-Apotheke und die sogenannte Ritterburg in der Bismarckstraße lösen beim baustilkundigen Betrachter aus dem deutschsprachigen Raum Europas ein leichtes Wehmutsgefühl aus – 9.000 Kilometer von der Heimat entfernt. Erwähnung finden muß das Hansahotel in der Roonstraße. Sein Ambiente, seine vorzügliche Speisekarte, sein topqualifiziertes Personal und sein in beeindrukkender Profimanier auftretender deutscher Manager verleihen diesem Haus die Note „Extraklasse“. Zirka 30.000 deutschstämmige Namibier, die sich stolz zu ihrer Muttersprache Deutsch bekennen, leben „da unten“. Die bisherige deutsche Auswärtige Politik hat diesem Land kräftig unter die Arme gegriffen. Doch eine gezielte Kulturförderung, wie sie beispielsweise bei Engländern oder Franzosen an der Tagesordnung ist, vermißt man seit Jahren. Nur die Deutsche Höhere Privatschule in Windhoek (DHPS) genießt eine akzeptable, materielle Förderung. Die sieben deutschen Privatschulen, die daneben existieren, beklagen jedoch zu Recht, sich ausschließlich aus eigenen Mitteln finanzieren zu müssen. Diese deutschen Privatschulen haben sich nach der Unabhängigkeit Namibias etabliert, um weiterhin mit Deutsch als Unterrichtssprache bis zum Ende der Grundschulzeit aufwarten zu können; eine Grundvoraussetzung, für die Kinder der Deutschstämmigen Deutsch als Muttersprache zu erhalten und zu pflegen. Aber da kam und kommt so gut wie nichts an materieller Unterstützung aus dem fernen Deutschland, obwohl Sprachförderung eine Kernaufgabe jeder auswärtigen Kulturpolitik zu sein hat. Abgesehen von der Stabilität, die eine funktionierende demokratische Verfassung mit sich bringt, verfügt Namibia über eine ausgezeichnete Verkehrs- und Informationsinfrastruktur. Die Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs hat europäischen Standart. Alle führenden internationalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sind hier ansässig. Das Bankensystem operiert auf dem gleichen Niveau wie in Europa. Eine Vielzahl von Anwaltskanzleien und Notariaten zusammen mit einem gut gegliederten Gerichtswesen gewährleisten Rechtssicherheit. Zwischen Deutschland und Namibia gibt es eine Reihe von bilateralen Abkommen, unter anderem ein Investitionsschutzabkommen. Seit mehr als zehn Jahren bietet das Land ausländischen Investoren die Möglichkeit, in Namibia unter äußerst günstigen steuerlichen Bedingungen zu produzieren und zu exportieren – keine Einkommens-, Körperschafts- und Mehrwertsteuer, keine Einfuhrzölle. Die Städte Walvisbay und Swakopmund mit einer überwiegend europäisch orientierten Bevölkerung in ihren Zentren und sehr guten Anbindungen an die Weltmärkte mit Hochsee- und Flughafen bieten beste Möglichkeiten für einen attraktiven Produktionsstandort. Die Lohnkosten sind im Vergleich zu Deutschland sehr gering, was bereits dazu führte, daß sich einige deutsche mittelständische Unternehmen, so die Weser-Metall Umformtechnik GmbH aus Hannoversch Münden in Kooperation mit der Namibian-Press & Tools International Ltd. in Namibia ansiedelten. Denn auch die Nachbarschaft zu Südafrika mit einem Markt von über 50 Millionen Menschen, wirkt sich sehr positiv auf Namibia aus. Fotos: Lüderitzbucht: Blick auf ein Haus im Kolonialstil in Lüderitz, in der Mitte die evangelisch-lutherische Felsenkirche (erbaut 1911). Die Stadt wurde im Jahr 1883 von dem Bremer Kaufmann Adolf Lüderitz gegründet. / Reiterdenkmal Windhoek Stichwort: Namibia Über 50 Prozent der zwei Millionen Namibier sind Ovambos. Die Kavangos stellen neun, Hereros und Damara acht, Namas fünf, Buschmänner drei und die Weißen sechs Prozent der Bevölkerung. Die Bevölkerungsdichte beträgt 2,2 Einwohner pro Quadratkilometer. Offizielle Landessprache ist Englisch (7 Prozent). Allgemein Afrikaans. Deutsch sprechen 32 Prozent. Seit der Unabhängigkeit im März 1990 ist die SWAPO (South West African People’s Organisation) Regierungspartei und stellt den Staatspräsidenten. Seit März 2005 regiert Hifikepunye Pohamba.
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