Als „historischen Tag für Slowenien und Europa“ begrüßte der slowenische EU-Kommissar für Wissenschaft und Forschung, Janez Potocnik, die Entscheidung von EU-Kommission und den EU-Staats- und Regierungschefs, Slowenien den Weg in die Euro-Zone zu öffnen. Slowenien erfülle die Kriterien, heißt es lapidar, und so wird das Land zwischen Alpen und Adria, das schon im ehemaligen Jugoslawien wirtschaftlich vergleichsweise gut dastand, als erstes der zehn EU-Beitrittsländer von 2004 am 1. Januar 2007 den Euro einführen. Mit einer Staatsverschuldung, die nur die Hälfte des Maastricht-Maximums beträgt, mit einer für Südosteuropa ungewöhnlich niedrigen Arbeitslosenquote von 6,3 Prozent und einem Wirtschaftswachstum von 3,9 Prozent (jeweils 2005) ist der stark mittelständisch geprägte Staat, dessen Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner heute 83 Prozent des EU-Durchschnitts beträgt, zum Musterland Mittel- und Südosteuropas geworden. Ein Drittel des Brutto-Inlandsproduktes wird mit dem Tourismus an der 45 Kilometer langen Küste an der Bucht von Triest am nördlichen Adria-Ende und in den wunderschönen Gebirgsorten erwirtschaftet, die in den Julischen Alpen und in den Karawanken liegen. Metallverarbeitung, Maschinenbau, Elektrotechnik und Automobilindustrie (Renault) bilden weitere Schwerpunkte des Wirtschaftslebens. Konsequenter Weg zur Marktwirtschaft Entsprechend dieser Entwicklung hat das Manager-Magazin in seiner „Risk Map“ für 2006 der Republik ein niedriges politisches und wirtschaftliches Risiko bescheinigt, zugleich aber auch auf das ineffiziente Rechtssystem hingewiesen. In der Tat: Slowenien hat konsequent den Weg zur Marktwirtschaft bestritten und seit seiner Unabhängigkeit von Jugoslawien politische Stabilität mit einer funktionierenden Demokratie bewiesen. Mit den Mängeln im Justizwesen steht es in Ost- und Südosteuropa jedoch nicht allein. Überall ist der Transformationsprozeß der Gerichte und der Organe der Strafverfolgung noch lange nicht abgeschlossen. Gegen ein zu starkes Eindringen ausländischen Kapitals bauen die Slowenen derzeit einen Schutzwall auf. Finanzminister Andrej Bajuk verhinderte, daß die belgische Finanzgruppe KBC ihren Anteil an der Nova Ljubljanska Banka (40 Prozent Marktanteil) auf über ein Drittel erhöhen konnte. Sein Ziel ist es, die wichtigsten Unternehmen des Landes mehrheitlich in slowenischer Hand zu behalten. Banken, Telefonanbieter, Getränkefirmen, Handelsketten sind überwiegend slowenisch geblieben, teilweise mit staatlichem Einfluß. Das verspricht Konflikte mit den Gralshütern des freien Wettbewerbs in Brüssel. Ob die totale Privatisierung den Interessen der Bevölkerung und der europäischen Nationen dient, wird indes nach negativen Erfahrungen in Westeuropa in naher Zukunft viele Diskussionen auslösen. Vielleicht geht Slowenien den richtigen (Mittel-)Weg. Viele Privatisierungen erfolgten, indem die bisherigen Manager und Mitarbeiter günstig Anteile erwerben konnten und ausländisches Kapital und Know-how hinzugezogen wurde. Überhaupt pflegt Slowenien einen starken Einfluß der Politiker und des Staates auf die Wirtschaft und die Medien. Der Chef der österreichischen Styria-Mediengruppe nannte dies vor wenigen Tagen „unerträglich“. Sie ist minderheitlich an der größten slowenischen Tageszeitung Dnevnik (Der Tag) beteiligt. Fragt man Kenner des Landes nach den Gründen des wirtschaftlichen Erfolges Sloweniens in so kurzer Zeit, so lautet die Antwort: Fleiß, Effizienz, Nationalbewußtsein und der Bruch mit der kommunistischen Vergangenheit. Gerade die Trennung von der ehemaligen Diktatur und Ideologie wird besonders von der Regierung Janez Jansa und seiner Mitte-Rechts-Koalition vorangetrieben. Sie bekämpft – im Gegensatz zu den Verhältnissen in anderen ost- und südosteuropäischen Staaten – die Netzwerke der gewandelten Kommunisten. Der heutige Staatspräsident Sloweniens, Janez Drnovsek, ist im Amt bis 2007. Er wandelte sich vom höchsten kommunistischen Repräsentanten Sloweniens in der Republik Jugoslawien zum Anführer des Aufbruchs zum Westen. Lange war er Ministerpräsident des Landes, bevor 2004 überraschend sein Gegenspieler, der Anti-Kommunist Jansa, die Regierung bilden konnte. Am 25. Juni begehen nun Slowenien und seine zwei Millionen Einwohner das 15jährige Jubiläum der Unabhängigkeit. Als eigener Staat hatte Slowenien vorher nie existiert. Vielmehr war es seit dem Mittelalter immer ein Spielball fremder Mächte gewesen. Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges gehörte es zu Österreich-Ungarn, dann zum serbischen Königreich unter Annektierung seiner Küstenregion durch Italien. Die Achsenmächte teilten es im Zweiten Weltkrieg zwischen Italien, Ungarn und Deutschland auf. Danach wurde es Teilrepublik des kommunistischen Jugoslawien. Als das Tito-Reich zerfiel, stimmten im Jahre 1990 88 Prozent der Bevölkerung für die Unabhängigkeit. Im Gegensatz zu den anderen Staaten Ex-Jugoslawiens zeichnet Slowenien eine hohe ethnische Homogenität aus. Fast 90 Prozent der Bevölkerung sind Slowenen. Die am Anfang des letzten Jahrhunderts bedeutsame deutschsprachige Minderheit ist durch Verfolgung und Diskriminierung nach den beiden Weltkriegen auf 1.600 Menschen zurückgegangen. Dessenungeachtet sind die bilateralen Beziehungen seit 15 Jahren ausgezeichnet – das Auswärtige Amt in Berlin bezeichnet sie gar außergewöhnlich als „harmonisch“. Höchste Ehrung für Helmut Kohl am 2. Juni Dies kommt nicht von ungefähr. Am 6. November 1991 errichtete die deutsche Regierung vor dem Hintergrund der ungeklärten verfassungsrechtlichen Situation in Jugoslawien ein Generalkonsulat in Laibach. Sechs Wochen später erfolgte die völkerrechtliche Anerkennung des neuen Staates durch das Kabinett von Bundeskanzler Helmut Kohl, an der Außenminister Hans-Dietrich Genscher entscheidenden Anteil hatte. Ende Januar 1992 wurde der neue deutsche Botschafter in Slowenien, Dr. Günther Seibert, als erster ausländischer Botschafter vom slowenischen Ministerpräsidenten Milan Kucan zur Übergabe des Beglaubigungsschreibens empfangen. Dies hat man in Slowenien nicht vergessen, und so wurde Helmut Kohl am 2. Juni für seine „außerordentliche Verdienste im Bereich der internationalen Diplomatie“ der höchste Orden Sloweniens verliehen. Zum Dank, so die Laudatio, für dessen „führende und unschätzbare Rolle bei der Anerkennung Sloweniens“ durch die Europäischen Gemeinschaft und sein Wirken zugunsten slowenischer Selbstbestimmung, Selbständigkeit und Unabhängigkeit. Im Einklang mit der Strategie der EU, die Teilrepubliken Jugoslawiens in ihren Unabhängigkeitsbestrebungen zu fördern, hatten Kohl und Genscher in einer völlig unübersichtlichen Lage auf die richtige Karte gesetzt. Erfolgreiche Beitrittsverhandlungen zur EU und zur Nato folgten. Westlichte und vor allem deutsche Investoren begannen sich frühzeitig für das Land zwischen den Karawanken und dem Mittelmeer zu interessieren und zu engagieren. Vielleicht hat dazu beigetragen, daß das Land, das eine ähnliche Größe wie Sachsen-Anhalt aufweist und eine Einwohnerzahl wie die von Hamburg hat, viel mehr mitteleuropäische als Elemente des Balkans besitzt. Die relativ tolerante Herrschaft der Habsburger, die Abwehr der türkischen Hegemoniebestrebun-gen, die Zugehörigkeit zur Alpenregion und nicht zuletzt die einstmals starke deutschsprachige Volksgruppe mit Verbindungen zu Österreich und Deutschland haben es geprägt. Kein Wunder also, daß die frühere deutsche Botschafterin in Slowenien, Heike Zenker, vor zwei Jahren in einem Erfahrungsbericht vor Zuhörern der Europäischen Akademie Berlin ins Schwärmen kam: „1997 kam ich nach Slowenien. Es erschien mir als ein kleines Paradies. Die schöne Alpenlandschaft, die hübschen Dörfer im Alpenstil, ähnlich denen in Bayern …, der mediterrane Süden mit der italienisch geprägten Landschaft … bildeten eine große Überraschung für mich, die mich beeindruckte und begeisterte.“ So sei es auch den höchsten Repräsentanten Deutschlands bei Besuchen ergangen. Sie seien beeindruckt gewesen von dem Sachverstand, den Leistungen und der Beharrlichkeit der slowenischen Regierung und Bevölkerung. Hohe Zufriedenheit mit der Standortwahl Slowenien hat den Absprung in die Unabhängigkeit mit respektablen Ergebnissen geschafft. Das unterscheidet es von den anderen Teilrepubliken Jugoslawiens. Serbien kämpft mit seiner kriegerischen Vergangenheit und dem Zerbrechen seines Imperiums. Bosnien-Herzegowina genießt internationale Anerkennung, ist aber ethnisch und religiös zerrissen. Montenegro, das kürzlich die Loslösung von Serbien und die Unabhängigkeit wählte, ist wirtschaftlich schwach und verteidigungspolitisch schutzlos. Mazedonien bleibt konfliktreich in der brisanten Kombination von Mazedoniern und Albanern. Es scheint, daß nur die Slowenen ihre Zukunft in trockenen Tüchern haben und einen ruhigen politischen Weg gehen können. Dies bestätigt auch die jüngste Umfrage des Delegiertenbüros der Deutschen Wirtschaft in Slowenien, die unter den dortigen deutschen Unternehmen durchgeführt wurde. Sie ergab eine hohe Zufriedenheit mit der Standortwahl. Konstatiert wurde, daß Fachkräfte bereits knapp würden. Die Slowenen haben – gegen den europäischen Trend – ein Wirtschaftswunder geschafft. Nichtsdestoweniger mahnte der slowenische Kurienkardinal in Rom, Franc Rode, bei einem Besuch seines Landes dazu, dessen lange christliche Tradition zu wahren. Auch warnte er seine Heimat vor negativen Entwicklungen – vor der hohen Zahl der Drogenabhängigen und dem starken Geburtenrückgang. Stichwort: Unabhängigkeit Mai 1989: Forderung der Opposition nach einem souveränen slowenischen Staat. Erste demokratische Wahlen im April 1990. Proklamation der Republik Slowenien am 25. Juni 1991. Am 26. Juni 1991 Angriff der jugoslawischen Volksarmee. Waffenstillstand nach zehn Tagen. Im Oktober 1991 verließ der letzte jugoslawische Soldat Slowenien. Januar 1992 Anerkennung Sloweniens durch die EU. Mai 1992: Aufnahme als Mitglied der UNO. Im Mai 2004 wird Slowenien Mitglied der Europäischen Union.