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„Sie wollten Elitesoldaten sein“

„Sie wollten Elitesoldaten sein“

„Sie wollten Elitesoldaten sein“

 

„Sie wollten Elitesoldaten sein“

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Cato, Palmer, Exklusiv

Bereits vor vier Jahren interviewte die JUNGE FREIHEIT den Publizisten Wolfgang Venohr, der in seinem damals erschienenen Buch „Die Abwehrschlacht“ seine Vergangenheit als Soldat bei der Waffen-SS-Division „Leibstandarte Adolf Hitler“ thematisierte. Angesichts der Debatte um die nun offenbarte Waffen-SS-Vergangenheit von Günter Grass druckt die JF Teile des Interviews nochmals ab: Herr Dr. Venohr, Sie haben länger gezögert, Ihre Kriegserlebnisse zu veröffentlichen, die jetzt in der EDITION JF unter dem Titel „Die Abwehrschlacht“ erschienen sind. Venohr: Ja, das ist richtig. Geschrieben habe ich das Wesentliche schon früh, nämlich in der Zeit vom 15. Mai bis 15. Juli 1945. Zu der Zeit lag ich im Lazarett Ladelund bei Leck an der deutsch-dänischen Grenze. Dort habe ich ein Kriegskalendarium niedergeschrieben, das ich später nur noch ein bißchen verfeinern und mit dem Tagebuch meines Freundes Werner Pickhardt vergleichen mußte. Sie hatten jedoch nicht vor, diesen Bericht als Buch zu publizieren? Venohr: Nein, ich wollte diese Erinnerung nicht veröffentlichen. Diese persönlichen Aufzeichnungen waren nur für meine Familie und meinen engsten Freundeskreis bestimmt. Für sie habe ich drei Dutzend Notexemplare herstellen lassen. Ich habe aber die Idee, diese Kriegserlebnisse in die breite Öffentlichkeit zu bringen, bis zuletzt strikt abgelehnt. Warum haben Sie Ihre Meinung dann geändert? Venohr: Die Wende war die unsägliche Anti-Wehrmachtsausstellung des Herrn Reemtsma. Als ich da erleben mußte, wie die ganze Wehrmacht und damit auch meine gefallenen Kameraden als ein Haufen von Verbrechern dargestellt wurden, da war ich mir klar darüber: Ich muß meine Erinnerungen in die Öffentlichkeit bringen, die ja beweisen und dokumentieren, wie diese jungen Leute, die damals 17 bis 20 Jahre alt waren, sich immer wieder dem Feind entgegengeworfen haben und dabei alles andere waren, nur keine Verbrecher. Wie erklären Sie denn einem heute 17jährigen, weshalb Sie sich 1942 freiwillig als 17jähriger ausgerechnet zur Waffen-SS, zur „Leibstandarte Adolf Hitler“ meldeten? Venohr: Das ist fast unmöglich. Das versuche ich gerade bei einem meiner beiden Enkel. Der ist 20 Jahre alt und dient als Soldat. Er fragt mich ständig neugierig aus, aber ich glaube, verstehen tut er überhaupt nichts. Ich denke, daß die ganze junge Generation das nicht mehr verstehen kann. Es sei denn, man schnappt sich denjenigen am Kragen und setzt ihn vor das Fernsehgerät und führt ihm den Film „Leibstandarte Adolf Hitler im Einsatz“ vor, der mich damals als Schüler so beeindruckt hat. Haben Sie Ihren Einsatz bei der Waffen-SS nach dem Krieg unter den Teppich gekehrt? Venohr: Wer mich nach meiner militärischen Vergangenheit fragte, ob das der Fernsehjournalist Werner Höfer war oder die Verantwortlichen bei der ARD oder beim ZDF, denen ich meine Produktionen als Chefredakteur von „Stern-TV“ lieferte, der hat das erfahren. Ich war ansonsten der Meinung, daß das eigentlich sehr private, sehr persönliche und subjektive Erinnerungen sind, die nicht in die Öffentlichkeit müssen. Spielte die NS-Ideologie eine Rolle bei Ihrer Entscheidung, in der Waffen-SS zu dienen? Oder was zog Sie so an, sich gerade dort zu melden? Venohr: Es ging kaum einer von diesen 17-,18-,19jährigen aus Gründen des Nationalsozialismus zur Waffen-SS. Man sah 1942 als Schüler überhaupt keinen Unterschied, denn schließlich hielten wir alle damals die ganze Wehrmacht für nationalsozialistisch. Daran gab es doch gar keinen Zweifel, daß alle Soldaten treu und loyal zu ihrem Führer und Obersten Befehlshaber standen. Man hätte sich auch in der Klasse oder in der Hitlerjugend lächerlich gemacht, wenn man gesagt hätte, man gehe aus politischen Gründen zur Waffen-SS. Man wäre für verrückt erklärt worden. Man ging zur Waffen-SS, wie man sich zu den Fallschirmjägern meldete. Man wollte zu einer militärischen Eliteeinheit, das war das Ziel. Was machte diese Generation damals aus, was trieb sie in diesen unbedingten Einsatz auf Leben und Tod? Venohr: Eine sehr schwer zu beantwortende Frage. Man muß sich da vielleicht an den israelischen Militärhistoriker Martin van Creveld halten, der dieses großartige Buch „Kampfkraft“ geschrieben hat, die beste Untersuchung, die es über die deutsche Wehrmacht gibt. Er vergleicht dort die deutsche, die amerikanische und die britische Armee. Dabei kommt nicht nur heraus, daß die Wehrmacht die beste Armee der Welt war, sondern es kommt heraus, daß die deutschen Soldaten, wie dieser ausgezeichnete israelische Militärhistoriker feststellt, gar keine politische Ideologie besaßen, sondern daß sie durch die Bank – Luftwaffe, Marine, Heer, Waffen-SS – von Vaterlandsliebe und vom Patriotismus bewegt waren. Das war eine alte Tradition seit der Zeit der Lützowschen Jäger aus den Befreiungskriegen. Es war einfach normal, sich freiwillig zu melden? Venohr: Vor allem, wenn man Student, auf einer Oberschule oder einem Gymnasium war, meldete man sich selbstverständlich kriegsfreiwillig, sowie der Krieg ausbrach. Das war 1870 so, 1914 so und nun eben auch wieder. Die jungen Leute, die schließlich zur Waffen-SS gingen, waren ja alle keine Mitglieder der Partei. Sie wollten Elitesoldaten sein, und das waren sie dann auch. Haben Sie sich im Alter von 17 Jahren aber selbst nicht sehr wohl schon als politischen Menschen gesehen? Venohr: Natürlich, im nationalen und patriotischen Sinne sah ich mich als politischen Menschen. Ich glaubte an die deutsche Geschichte und wollte mein Volk verteidigen. Welche Rolle hat dahinter die NS-Ideologie für Sie gespielt? Venohr: Ich war wie alle meine Altersgenossen vor allen Dingen einverstanden und eingebunden in die Hitlerjugend und deren Atmosphäre. So ungetrübt waren doch aber Ihre Erlebnisse nicht. Sie schreiben in Ihren Lebenserinnerungen, daß Sie in der Hitlerjugend angeeckt sind. Bei einem Fahnenmarsch von Posen nach Kutno hatten Sie öffentlich gegen Brutalitäten an Polen und Juden protestiert. Man habe Sie daraufhin krankenhausreif geprügelt und aus der Hitlerjugend geworfen. Das hat nicht zu grundsätzlichen Zweifeln bei Ihnen geführt? Venohr: Nein. Ich hielt das für einen Ausrutscher! Ich hielt das für einen isolierten Vorfall im Reichsgau Wartheland, für das ganze Altreich gab es diese Schwierigkeiten zwischen Polen und Deutschen ja nicht. Ich sah diese Übergriffe aber als eine Schande. Ich habe deshalb unter Protest als Fahnenträger meine Fahne vor der versammelten Front eingerollt. War die Waffen-SS nicht auch an Kriegsverbrechen beteiligt? Venohr: Ja. Ich erinnere an den Mai 1940, im Frankreichfeldzug, als eine Kompanie der „Totenkopf“-Division in der Nähe von Arras 88 Tommies, die sich bereits ergeben hatten, massakrierte. Eine furchtbare Schweinerei, ein furchtbares Verbrechen, das durch nichts zu rechtfertigen ist und von dem ich erst lange nach dem Krieg gehört habe. Man muß aber auch daran erinnern, daß einen Monat früher, im April 1940, die Briten im Hafen von Narvik mit MGs und Geschützen hilflos schwimmende Matrosen und Offiziere unserer Zerstörer massakriert haben. Hat die Leibstandarte, Ihre Einheit, Kriegsverbrechen begangen? Venohr: Nach dem Krieg habe ich mit Entsetzen von dem Malmedy-Kriegsverbrechen gehört. Im Dezember 1944 sollen LAH-Männer bei Malmedy waffenlose Amerikaner massakriert haben. Ich war tief beschämt, als ich davon hörte. Es stellte sich dann aber heraus, daß es eher ein Versehen als ein Verbrechen war. Wahrscheinlich wurden dort fliehende Amerikaner erschossen, die sich bereits vorher ergeben hatten. Jedenfalls wurde der Malmedy-Prozeß von den Amerikanern mit einer derartigen Brutalität und Barbarei geführt, mit Folterungen, Quälereien und Scheinhinrichtungen, daß von einer gerechten Prozeßfindung keine Rede sein kann. Kriegsverbrechen haben sich im Zweiten Weltkrieg leider alle beteiligten Parteien zuschulden kommen lassen. Ich selbst habe keine erlebt. Hätte ich so etwas erlebt, wäre ich dazwischen gegangen. Wie damals 1940 auf dem Fahnenmarsch nach Kutno. Dr. Wolfgang Venohr , geboren 1925 in Berlin, studierte Geschichte und Germanistik. Bevor er von 1965 bis 1985 als Chefredakteur bei „Stern TV“ und „Lübbe TV“ tätig war, arbeitete er bei verschiedenen Tageszeitungen. Zwischen 1969 und 1974 durfte er als einziger westdeutscher Journalist aus der DDR direkt berichten. Venohr, zuletzt als freier Schriftsteller tätig, verstarb am 26. Januar 2005 in Berlin. Unter anderem veröffentlichte er die Werke „Die deutsche Einheit kommt bestimmt“ (1982); „Stauffenberg – Symbol der deutschen Einheit“ (1986); „Der Soldatenkönig – Revolutionär auf dem Königsthron“ (1987); „Ludendorff“ (1993); „Patrioten gegen Hitler. Der Weg zum 20. Juli“ (1994). weitere Interview-Partner der JF

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