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Ansturm auf die Privaten

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Der Ruf der staatlichen Universitäten in Deutschland ist nicht der beste. Das sehen auch immer mehr Studenten so. Sie suchen nach Alternativen und stoßen in zunehmendem Maße zu den privaten Hochschulen, die – zumeist dem anglo-amerikanischen Modell mit seinen Bachelor- und Master-Abschlüssen folgend – viel und gern die Worte von Effizienz und gelebter Internationalität im Munde führen. Waren es im Wintersemester 1994/95 noch 24, sind heute bereits 69 dieser Einrichtungen registriert. Die Zahl der dort eingeschriebenen Studenten hat sich verdreifacht: von 14.900 auf 45.100. Das sind zwar nur knapp drei Prozent aller deutschen Studierenden, doch ist die Tendenz – im Gegensatz zu den Studentenzahlen insgesamt – steigend. Für Klaus Hekking vom Verband der Privaten Hochschulen ist die Malaise klar: „Deutschland war einmal weltweites Vorbild in der höheren Bildung. Noch Anfang des 20. Jahrhunderts kamen Delegationen aus Japan und den USA nach Deutschland, um am deutschen Vorbild zu studieren, wie man Universitäten effektiv organisiert. Darunter übrigens auch die Harvard University, die heute pro Jahr allein aus Studiengebühren soviel einnimmt, wie die Bundesregierung in den nächsten fünf Jahren für den Aufbau von sogenannte ‚Eliteuniversitäten‘ ausgeben will.“ Die „Top-Entscheider“ von morgen heranziehen Anfang des 21. Jahrhunderts hat sich jedoch vieles geändert: Das Gros der staatlichen Universitäten und Hochschulen in Deutschland ist von der akademischen Weltspitze abgehängt. Wer heute die Möglichkeit hat, geht zum Studium nach Amerika oder Großbritannien. So entstehen private Hochschulen nicht ex nihilo, sondern weil Bedarf vorhanden ist. Die Anforderungen sind gestiegen, während die Leistungen der Universitäten nicht zuletzt aufgrund einer Massenakademisierung stetig gesunken sind. Doch sind außerhalb des staatlichen Wirkungskreises organisierte Ausbildungsgänge nichts wirklich Neues. Als der Staat im 13. Jahrhundert neben den kirchlichen Dom- und Stiftsschulen aufgrund der großen Nachfrage begann, ein städtisches Schulwesen einzurichten, meldete auch die Wirtschaft ihre Interessen an: Sie gründete die Schreib- und Leseschulen. Vor allem die Kaufleute waren maßgeblich an der Ausweitung des Bildungssystems beteiligt, weil sie durch den entstehenden Handelsverkehr zu einer besseren Ausbildung ihres kaufmännischen Nachwuchses gezwungen waren. Dieser Einfluß setzte sich im Aufbau von Fachhoch- und Berufsschulen oder technischen Gymnasien fort. Heute ruft die Wirtschaft aufgrund ihrer rasanten Entwicklungsgeschwindigkeit immer schneller nach gut ausgebildete Experten, die spezialisierte Funktionen erfüllen können. Deshalb decken private Unis im Vergleich zu öffentlichen meist einen geringeren Fächerkanon ab, der in vergleichsweise kurzer Zeit bewältigt werden kann. Viele Angebote bestehen aus Studiengängen, die nur von der Wirtschaft benötigt werden. Eine solche Institution ist die European School of Management and Technology (ESMT) mit Sitz in Berlin, München und Köln. Die Managementschule wurde von führenden deutschen Unternehmen gegründet, um auf die „wirtschaftlichen Herausforderungen im wachsenden Europa zu reagieren und hierfür Führungskräfte aus- und weiterzubilden“. Als eine Alternative oder Konkurrenz zu bestehenden Bildungsangeboten sei die ESMT aber nicht gedacht, erklärt Gründungsmitglied Allianz beschwichtigend. Sie solle nur „auf die spezifischen wirtschaftlichen Herausforderung antworten“. Privatuniversitäten im Bereich der Geisteswissenschaften wie das European College of Liberal Arts in Berlin bilden eher die Ausnahme. Auch die private Zeppelin University (ZU) am Bodensee, die im Wintersemester 2003 ihren Betrieb aufnahm, möchte „Pioniere heranbilden, die in Wirtschaft und Politik das Unmögliche möglich machen“. Und die Volluniversität hat sich hohe Ziele gesteckt. Sie möchte nicht nur schnell gut ausgebildete akademische Fachkräfte heranziehen, sondern gleich die „Top-Entscheider von morgen“. „Wir brauchen Menschen, die Komplexität begreifen und managen können, die unterschiedliche Kenntnisse und Fähigkeiten verbinden können“, sagt Stephan Jansen, der mit 33 Jahren der jüngste Präsident einer deutschen Universität ist. Die Ausrichtung ist international: Neben Englisch lernen die Studenten eine weitere Fremdsprache. Auch die drei Praktika während der Ausbildung sollen in internationalen Unternehmen auf drei verschiedenen Kontinenten absolviert werden; dabei soll der Student nicht nur Kontakte knüpfen, sondern gleich das Geld für das anschließende Auslandssemester verdienen. So eine Ausbildung gibt es natürlich nicht umsonst. Aber mit 633 Euro pro Monat oder 3.700 Euro pro Halbjahr bewegen sich die Kosten im oberen Mittelfeld der privaten Hochschulen, ein Bachelor kostet auf diese Weise etwa 22.500 Euro. Wer wenig Geld hat und auch sonst keine finanzielle Unterstützung erwarten kann, steht nicht auf verlorenem Posten: Es gibt Stipendien von privaten Mäzenen, die bis zu 15 Prozent der Kosten übernehmen. Außerdem bietet die Sparkasse Bodensee ein günstiges Darlehen an. Der Zinssatz liegt bei vier Prozent, und die Rückzahlung beginnt erst ein Jahr nach dem Einstieg in das Berufsleben. Dabei verzichtet die Bank auf die sonst übliche Bonitätsprüfung und verläßt sich auf das Auswahlverfahren der ZU. Bei diesem Test spielt nicht die Abiturnote die entscheidende Rolle, sondern die tatsächliche Leistungsstärke, das allgemeine Engagement und der persönliche Eindruck. Die ZU läßt maximal 30 Studierende pro Semester zu, zeitgleich werden etwa 800 Studenten ausgebildet. Vorlesungen im klassischen Sinne werden nicht angeboten, vielmehr findet die Vermittlung von Fachwissen über kleinere übersichtliche Seminare statt. Die Finanzierung läuft ganz ohne Geld vom Staat. Ein Drittel zahlt die Trägergesellschaft, die wiederum zu 70 Prozent der Zeppelin GmbH gehört. Die anderen zwei Drittel werden über Studiengebühren sowie mit Erträgen aus Forschungs- und Beratungsprojekten für die freie Wirtschaft finanziert. „Graf Zeppelin war Ende des 19. Jahrhunderts ein Manager, wie ihn kein Lehrbuch beschreiben könnte, und der genau deswegen einer Universität als Vorbild dienen kann: der Innovation verpflichtet und der Tradition bewußt, international agierend und am Bodensee verankert, visionär und willensstark“, erklärt Jansen den Gründungsimpuls seiner Universität. Auch die erste private deutsche Hochschule, die Ende der siebziger Jahre gegründete Universität Witten/Herdecke, hat sich dreizehn Jahre lang ausschließlich privat finanziert. Erst 1993 haben sich Bund und Land durch die Mitfinanzierung eines Universitätsgebäudes beteiligt. Seit 1995 trägt das Land Nordrhein-Westfalen zu den laufenden Kosten bei. Um die akademische Freiheit aber nicht zu gefährden, führte die Uni den „umgekehrten Generationenvertrag“ ein. Das bedeutet, daß Studenten die Möglichkeit haben, die Finanzierung über drei Varianten sicherzustellen. In der ersten Variante zahlen Absolventen ihren Beitrag nach Beendigung des Studiums. In der zweiten Variante wird für das Gesamtstudium ein fester Betrag entrichtet, der rund 15.000 Euro beträgt. In der dritten Variante werden die erste und zweite Möglichkeit kombiniert. Die privaten Hochschulen sind trotz ihrer relativ hohen Selbstbeteiligungskosten bei den Studenten beliebt. Während einige staatliche Einrichtungen wie die Universität Bremen rückläufige Zahlen bei der Einschreibung verzeichnen, können sie über mangelnde Bewerbungen wahrlich nicht klagen. Einen Zulauf von fast 900 auf etwa 1.000 Studenten konnte beispielsweise die private International Universität in Bremen (IUB) verzeichnen, die im Februar 1999 als gemeinnützige GmbH gegründet wurde und im September 2001 ihren Lehr- und Forschungsbetrieb aufgenommen hat. Angeboten werden internationale Abschlüsse mit vergleichsweise kurzen Studienzeiten: In drei Jahren können Studenten dort den Bachelor of Science oder den Bachelor of Arts erwerben. Im Jahr 2006 waren 880 Studierende aus 86 Nationen immatrikuliert. Auf einen Lehrenden kommen neun Studenten. Auch hier wird nach Leistungskriterien ausgesucht: ein internationaler Eignungstest, die Qualität schulischer Abschlüsse, ein Englischtest für Nicht-Muttersprachler, ein Essay in englischer Sprache zum Verstehen, Referenzen, ein persönliches Interview und anderes. Doch bietet die professionelle Vermittlungvon Lerninhalten noch keine Garantie für eine gesicherte finanzielle Grundlage; dies gilt besonders dann, wenn man nicht wie die öffentlichen Universitäten am „goldenen Zügel“ staatlicher Finanzierung hängt. So hat die private Hochschule im Jahre 2004 18,4 Millionen Euro und Jahre 2005 20,9 Millionen Euro Verlust eingefahren. Da halfen auch die rund 100 Millionen Euro Starthilfe des Landes Bremen wenig. Besonders eingesetzt hatte sich seinerzeit der damalige Bürgermeister Henning Scherf (SPD), der mit einer privaten Universität das Bild seiner hoch verschuldeten Stadt verbessern wollte. In die Bresche sprang nun die Schweizer Jacobs Foundation, sie wird sich mit rund 200 Millionen Euro beteiligen. Fünf Jahre lang wird sie jeweils 15 Millionen Euro für Forschung und Lehre, im Jahre 2011 noch einmal 125 Millionen für den Kapitalstock geben. Damit übernimmt Jacobs zwei Drittel der Geschäftsanteile. Die Hochschule bedankte sich artig mit einer Namensänderung: „Jacobs University Bremen“. Von Anbeginn war Englisch die Lehr- und Forschungssprache der UIB. Damit wurde zwar der Internationalität Vorschub geleistet, in letzter Zeit offenbarten sich aber Probleme. Denn die Bachelor-Absolventen, der Landessprache nicht mächtig, verließen Deutschland schleunigst, und so hatten laut Spiegel-online die Personalabteilungen der Firmen, die doch für die IUB spenden sollten, recht wenig von den effizienten Absolventen. „Die Sprache des Gastlandes zu beherrschen, ist nicht nur nützlich, um sich auch außerhalb des Campus zurechtzufinden“, erklärte daraufhin Uni-Präsident Joachim Treusch den Neuankömmlingen. Nicht immer spielen allein die Finanzen die tragende Rolle bei einer Universitätsgründung. Manchmal zählt eine Idee. Auf einer solchen baut die im Jahre 1994 von dem Ingenieur Erman Tanyildiz gegründete OTA-Hochschule in Berlin auf. Neben einer fundierten Ausbildung ging es dem Stifter in erster Linie um die Förderung von Lebenschancen „für soziale und ethnische Gruppen, die besondere Barrieren überwinden müssen“. Mit 600 Euro beteiligen sich die Studierenden an der Finanzierung. Doch „Studiengebühren lohnen sich“, unterstreicht Tanyildiz und erklärt sein Credo: „Studierende haben die Wahl zwischen einem kostenpflichtigen Studium, das nach drei Jahren den Berufseinstieg ermöglicht, oder gebührenfrei in einem auslaufenden Modell zwei bis drei Jahre länger zu studieren.“ Stichwort: Verband der Privaten Hochschulen Die staatliche Anerkennung von privaten Hochschulen ist Ländersache. Daher sind die Voraussetzungen für deren Gründung, Betrieb und Förderung zuweilen unterschiedlich. Um die Interessen gegenüber der Politik besser vertreten zu können, hat sich im Mai 2004 der Verband der Privaten Hochschulen gegründet. Dessen Hauptziel ist die Gleichbehandlung aller Hochschulen durch den Staat – unabhängig von Trägerschaft, Rechtsform oder innerer Verfassung. Info: www.private-hochschulen.net Foto: Studenten der Jacobs University Bremen: Getreu dem anglo-amerikanischen Modell den Erfolg suchend

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