Die AfD-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg hat sich am Dienstag im „Fall des Gedeon“ auf einen Kompromiß geeinigt. Für den Dresdner Politikwissenschaftler Werner Patzelt ist die Entscheidung nachvollziehbar, dennoch warnt er im Interview mit der Wochenzeitung Junge Freiheit davor, in dieser Frage auf Zeit zu spielen. Es gehe darum, was die AfD sein wolle: eine staatstragende Partei rechts der CDU, oder eine „Sammlungsbewegung von rechten Spinnern“.
Im Fall Gedeon entscheide sich, wie ernst es der AfD damit sei, einen Trennstrich zwischen sich und dem rechten Narrensaum zu ziehen. „Antisemitismus ist nämlich eine Haltung von Narren – und überdies von Verbrechern sowie von deren Sympathisanten“, erklärt Patzelt.
Im Grunde besage der Beschluß zu Gedeon nur: „Wir alle tun erst einmal so, als gehöre Herr Gedeon nicht mehr zu uns; und dann sehen wir weiter. Falls das nur den Showdown verhindern sollte, war das ein aus Verzweiflung geborener taktischer Zug, der ein wenig Tage Nachspielzeit für eine dann nachhaltig tragfähige Entscheidung verschafft. Falls mit jenem Beschluß aber die Hoffnung verbunden war, er werde den Streit um das Profil und die Glaubwürdigkeit der AfD einstweilen beenden, wird bittere Enttäuschung nicht ausbleiben. Im Gegenteil: Jetzt wird sich alles Interesse darauf richten, welche Rolle Gedeon im Landtag und in der AfD wirklich spielt“, so Patzelt.
AfD-Fraktion könnte Ausschluß von Gedeon wegen Täuschung wiederholen
Auf die Frage, wie die AfD aus dieser verfahrenen Situation noch herauskommen können, antwortet der Politikwissenschaftler: „Nichts hindert Herrn Gedeon daran, sein Mandat niederzulegen und damit der AfD einen wichtigen Dienst zu erweisen. Und nichts hindert die baden-württembergische Landtagsfraktion daran, nach Sicherstellung entsprechender Mehrheitsverhältnisse ihren Beschluß zum Begutachtungsverfahren wieder aufzuheben. Plausibles Argument wäre, daß man sich über die Möglichkeit einer „ruhenden Fraktionsmitgliedschaft“ getäuscht habe und, zutreffend informiert, gleich anders entschieden hätte. Und die politische Klugheit geböte es, sich – mit Bereitschaft zur wechselseitigen Gesichtswahrung – auf den einen oder anderen Weg zu machen. Das schlechteste Vorgehen wäre tatenloses Abwarten.“
Im Fall Gedeon stehe eine Frage zur Entscheidung an, bei der es keine inhaltliche Konkurrenz unter AfD-Führern geben dürfe, wenn diese ihre Partei als eine zweifelsfrei vernünftige und staatstragende Partei rechts neben der CDU aufstellen wollten – und nicht als eine Sammlungsbewegung von rechten Spinnern. „Ist man sich aber hinsichtlich dieses Ziels einig, muß man einander auch bei der Durchsetzung eines entsprechenden Kurses in jedem Fall bedingungslos unterstützen“, erklärt Patzelt.
Er habe den Eindruck, daß die gesamte AfD-Führung versagt habe: „Mir scheint, daß da manche ihre eigenen Interessen und Loyalitätsinvestitionen für wichtiger genommen haben als jene Hoffnungen, die so viele AfD-Mitglieder und AfD-Wähler in die von ihnen geführte Partei gesetzt haben. Den politischen Gegner freut dieser Vorgang jedenfalls. Wer aber als Parteiführer genau diese Wirkung zeitigt, der hat sein Amt ganz gewiß unzulänglich ausgeübt.“
Hier lesen Sie das ganze Interview mit Politikwissenschaftler Werner Patzelt: https://jungefreiheit.de/debatte/interview/2016/den-politischen-gegner-freut-dieser-vorgang/