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Verfassungsrechtler stellt klar: Warum der „ethnische Volksbegriff“ nicht verfassungswidrig ist

Verfassungsrechtler stellt klar: Warum der „ethnische Volksbegriff“ nicht verfassungswidrig ist

Verfassungsrechtler stellt klar: Warum der „ethnische Volksbegriff“ nicht verfassungswidrig ist

Leipzig, Sachsen, Deutschland, 17.04.2024: Leipziger Baumwollspinnerei: Medientage Mitteldeutschland: Hubertus Gersdorf. Debatte um Volksbegriff entbrannt.
Leipzig, Sachsen, Deutschland, 17.04.2024: Leipziger Baumwollspinnerei: Medientage Mitteldeutschland: Hubertus Gersdorf. Debatte um Volksbegriff entbrannt.
Hubertus Gersdorf: Ordnet Verfassungsschutz-Debatte ein. Foto: IMAGO / dts Nachrichtenagentur
Verfassungsrechtler stellt klar
 

Warum der „ethnische Volksbegriff“ nicht verfassungswidrig ist

Es ist das Hauptargument des Verfassungsschutzes gegen die AfD: die Nutzung des „ethnischen Volksbegriffs“. Ein renommierter Verfassungsrechtler räumt nun mit der Legende auf, dies sei grundsätzlich verfassungswidrig. Auch die Stimmen, die ein Verbot der Partei skeptisch sehen, mehren sich.
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LEIPZIG. Der Leipziger Staats- und Verfassungsrechtler Hubertus Gersdorf hat klargestellt, daß das Festhalten am „ethnisch-abstammungsmäßigen Volksbegriff“ grundsätzlich nicht verfassungswidrig sein kann. Genau dies wirft das Bundesamt für Verfassungsschutz der AfD seit Jahren vor. Auch im von der JUNGEN FREIHEIT veröffentlichten Geheimgutachten des Inlandsgeheimdienstes nimmt die Auseinandersetzung mit dem Begriff eine zentrale Position ein.

„Für einen Verstoß gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, konkret gegen die Menschenwürde-Garantie, genügt der Vorwurf des ‚ethnisch-abstammungsmäßigen Volksbegriffs‘ nicht“, sagte Gersdorf der Berliner Zeitung. Verfassungsrechtlich sei es zulässig, Staatsangehörigkeit an die Abstammung zu knüpfen, betonte Gersdorf. Dieses Abstammungsprinzip habe auch in Deutschland bis ins Jahr 2000 gegolten und sei „ein weltweit anerkanntes, zulässiges Kriterium für das Staatsangehörigkeitsrecht“.

Staatsangehörigkeitsrecht ist nicht in Stein gemeißelt

Daß man automatisch den Paß des Landes bekomme, in dem man geboren wurde – das sogenannte Geburtsortprinzip –, sei verfassungsrechtlich nicht vorgeschrieben, unterstrich der Staatsrechtler. Tatsächlich verfassungswidrig sei eine rechtliche Unterscheidung zwischen „Deutschen“ und „Paßdeutschen“. Laut dem Grundgesetz gebe es „nicht zwei Klassen von Deutschen. Deutsche sind Deutsche, egal wie sie es geworden sind“, sagte Gersdorf.

Viele Zitate von AfD-Politikern, die der Verfassungsschutz in seinem Papier kritisiert, würden allerdings „keine unzulässige Unterscheidung zwischen ‚Deutschen erster und zweiter Klasse’“ treffen. Das Staatsangehörigkeitsrecht neu auszurichten sei eine „verfassungsrechtlich zulässige Forderung“.

Viele unproblematische Aussagen in AfD-Gutachten

Aussagen wie etwa „Es gehört mehr dazu, Deutscher zu sein, als einfach nur ’ne Staatsbürgerurkunde in der Hand zu haben“ oder „Dieses Staatsvolk hat es nicht verdient, hier mit Zuwanderung vollgestopft zu werden und für unsere eigenen Bürger kein Geld mehr zu haben“ seien verfassungsrechtlich unproblematisch, da sie die Forderung nach einem „zurück zum alten Staatsbürgerschaftsrecht beinhalten“.

Zu einem ähnlichen Urteil war der Staatsrechtler Dietrich Murswiek auch in einer ersten Einschätzung des Gutachtens gekommen.

Ex Verfassungsschutz-Vize gegen AfD-Verbotsverfahren

Unterdessen mehren sich die Stimmen, die ein Verbot der AfD auf Grundlage des nun bekannten Gutachtens kritisch sehen. Neben Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sieht auch die ehemalige Vizepräsidentin des Bundesverfassungsschutzes und heutige Justizsenatorin, Felor Badenberg, dafür wenig Chancen. „Wenn ich mich mit meinen früheren Kollegen unterhalte, die die Einstufung vorgenommen haben und die früher auch beim NPD-Verbot mitgearbeitet haben, dann sagen die: Die Voraussetzungen liegen nicht vor“, sagte die Politikerin nach Angaben des Tagesspiegels.

Auch der frühere Verfassungsrichter Peter Müller (CDU) zeigte sich „aus mehreren Gründen“ skeptisch. Zum einen dauere ein Parteiverbotsverfahren sehr lange und löse auch keine Probleme, da die AfD während dieser Zeit ihre „Opfererzählung“ verstetigen könne, sagte Müller der Zeit. Zum anderen seien die Hürden für ein Verbot sehr hoch.

Müller verwies zudem auf das Beispiel Rumäniens, wo ein rechter Kandidat, der die erste Runde der Präsidentschaftswahlen klar gewonnen hatte, später von der Wahl ausgeschlossen wurde. „Jetzt wurde die Wahl wiederholt – und ein anderer, genauso rechter Kandidat kam im ersten Wahlgang auf 40 Prozent“, betonte der ehemalige Ministerpräsident des Saarlandes. (ho)

Hubertus Gersdorf: Ordnet Verfassungsschutz-Debatte ein. Foto: IMAGO / dts Nachrichtenagentur
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