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Sicherheitspolitik: Mit Drohnen drohen – Die Bundeswehr will aufrüsten

Sicherheitspolitik: Mit Drohnen drohen – Die Bundeswehr will aufrüsten

Sicherheitspolitik: Mit Drohnen drohen – Die Bundeswehr will aufrüsten

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, r-l), Boris Pistorius (SPD), Bundesminister der Verteidigung, und Ingo Gerhartz, Inspekteur der Luftwaffe, bei der feierlichen Indienststellung des Luftverteidigungssystems IRIS- T SLM in der Kaserne Todendorf. Das neue Luftverteidigungssystem wird in die Bundeswehr bei der Flugabwehrraketengruppe 61 eingeführt. Es bekämpft Bedrohungen aus der Luft wie zum Beispiel Drohnen, Flugzeuge, Hubschrauber oder Marschflugkörper.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, r-l), Boris Pistorius (SPD), Bundesminister der Verteidigung, und Ingo Gerhartz, Inspekteur der Luftwaffe, bei der feierlichen Indienststellung des Luftverteidigungssystems IRIS- T SLM in der Kaserne Todendorf. Das neue Luftverteidigungssystem wird in die Bundeswehr bei der Flugabwehrraketengruppe 61 eingeführt. Es bekämpft Bedrohungen aus der Luft wie zum Beispiel Drohnen, Flugzeuge, Hubschrauber oder Marschflugkörper.
Der Inspekteur der Luftwaffe Ingo Gerhartz, Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, v.l.n.r.) bei der Indienststellung des Luftverteidigungssystems IRIS- T SLM: Eigene Kampfdrohnen, aber auch bessere Verteidigungssysteme sollen angeschafft werden. Foto: picture alliance/dpa | Christian Charisius
Sicherheitspolitik
 

Mit Drohnen drohen – Die Bundeswehr will aufrüsten

Die Bundeswehr soll bewaffnete Kampfdrohnen bekommen. Aus dem SPD-geführten Verteidigungsministerium kommt große Euphorie – dabei waren die Sozialdemokraten lange dagegen.
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An kaum einem militärischen Thema läßt sich die vielbeschworene Zeitenwende in der Verteidigungspolitik besser nachvollziehen als bei der Beschaffung bewaffneter Drohnen für die Bundeswehr. Jahrelang stritten die Parteien darüber, ob Deutschland neben unbewaffneten Aufklärungsdrohnen auch unbemannte Fluggeräte anschaffen sollte, die bewaffnet werden können. Vor allem die SPD mit ihrem friedenspolitischen Wortführer und Ex-Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich stellte sich lange quer und warnte davor, daß der Einsatz bewaffneter Drohnen zu einer Spirale der Gewalt führen und der Einsatz von Kampfdrohnen im Zuge des technologischen Fortschritts die Entscheidungen über einen Einsatz immer stärker vom Menschen auf Maschinen verlagern könnte. 

Noch im März 2021 war die SPD derart von Gewissensbissen gequält, daß sie unter Vorsitz der früheren Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin eine dreizehnköpfige Projektgruppe „zur Frage der Bewaffnung von Drohnen“ einsetzte, die wenige Monate vor dem Angriff Rußlands auf die Ukraine ihren Abschlußbericht vorlegte. In diesem Bericht, der noch ganz vom Einsatz bewaffneter Drohnen in Auslandseinsätzen wie beispielsweise Afghanistan geprägt war, rang sich die Kommission im Oktober 2021 unter Aufzählung zahlreicher Bedingungen und Einschränkungen zu der Empfehlung durch, daß eine Bewaffnung von Drohnen der Bundeswehr „in Erwägung gezogen werden kann“. Zwei Mitglieder der Kommission wollten indes sogar diese wachsweiche Empfehlung nicht mittragen.

Drohnen als Panzer des 21. Jahrhunderts

Wenige Monate später wurden diese akademischen Überlegungen von der Realität eingeholt. Der Krieg in der Ukraine zeigte eine neue Dimension des Drohnenkrieges. Über das Internet fanden seitdem Tausende Videos Verbreitung, die Angriffe von Kampfdrohnen beider Konfliktparteien auf Panzer, Artillerie, Munitionsdepots oder aber auf einzelne Soldaten dokumentieren. Deutlich wird auch der rasante Wandel des Drohnenkriegs. Während die deutsche Diskussion bis dahin von wenigen Kampfdrohnen ausging, die beispielsweise bei einem Auslandseinsatz der Bundeswehr einen Konvoi oder ein Feldlager aus der Luft sichern und gegebenenfalls Feinde mit Raketen bekämpfen sollten, haben sich unbemannte Fluggeräte im Krieg Rußlands gegen die Ukraine endgültig zu einer Waffe entwickelt, die massenhaft als sogenannte Selbstmorddrohne zum Einsatz kommt.

Seitdem ist auch die Diskussion in Deutschland eine andere. Damit, daß die Bundeswehr Kampfdrohnen benötigt, hat sich nun sogar die SPD abgefunden.

In der vergangenen Woche leitete das Verteidigungsministerium dann endgültig den Kurswechsel ein und kündigte erstmals die Beschaffung von modernen und mit Sprengsätzen versehenen Angriffsdrohnen an. Die Verträge für diese Waffensysteme, die auch als „loitering ammunition“, also als „herumlungernde Munition“ bezeichnet werden, sollten zeitnah unterzeichnet werden, teilte das Ministerium mit. Es gehe zunächst um kleinere Stückzahlen von mindestens zwei verschiedenen Herstellern, um Erfahrungen zu sammeln. Drohnen seien im heutigen Kriegsbild das, was Panzer vor hundert Jahren waren – „ein wirklicher Gamechanger“, hieß es aus dem Ministerium mit Blick auf die Erfahrungen im Krieg in der Ukraine. Dabei könne der Einsatz im Verbund von Drohnen gefechtsentscheidend sein, jedoch nicht kriegsentscheidend. 

Kiesewetter bemängelt „gravierende“ Defizite

War der Einsatz von Drohnen bislang vor allem besonders geschulten Spezialisten vorbehalten, sollen künftig alle Soldaten der Bundeswehr die Fluggeräte ebenso einsetzen können wie beispielsweise ein Fernglas. Die Militärplaner verweisen auch auf schnelle Entwicklungszyklen. Deswegen nütze es nichts, große Lagerbestände anzulegen, die schnell veralten könnten.

Verteidigungspolitiker wie der Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter (CDU) sehen sich durch die Entscheidung des Verteidigungsministeriums in ihren Forderungen bestätigt. „Wir brauchen künftig in der Bundeswehr bewaffnete Drohnen und Drohnenabwehr in jedem Verband und in jedem Bereich der Streitkräfte“, sagte Kiesewetter am Wochenende dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Drohnen seien ein maßgeblicher Teil der „technologischen Revolution der Kriegsführung“. Bislang verfüge die Bundeswehr über keine einsatzbereiten bewaffneten Drohnen. Die aktuellen Defizite seien „gravierend“, kritisierte der frühere Oberst. Der deutschen Armee fehle es „an Fähigkeiten zur Drohnenabwehr, elektronischer Kampfführung und bewaffneten Drohnen“. Dies stelle eine „Sicherheitsbedrohung“ dar. Künftig werde jedoch keine moderne Armee ohne die Waffensysteme auskommen, sagte Kiesewetter.

Auch Generalinspekteur Carsten Breuer drückt aufs Tempo, um die Fähigkeitslücke der Bundeswehr auf diesem Gebiet zu schließen. „Wir wollen noch in diesem Jahr mit Loitering-Munition in der Truppe schießen. Auch hier setzen wir auf maximale Beschleunigung, weil wir es ob der Bedrohungslage müssen“, sagte der ranghöchste Soldat der Deutschen Presse-Agentur.

„Letztlich steht Deutschland nicht schlechter oder besser da als ein durchschnittliches europäisches Land“

Die Beschaffung der mit einem Sprengkopf ausgerüsteten sogenannten Kamikaze-Drohnen, die über einem Einsatzgebiet so lange lauern, bis ein Ziel erkannt und attackiert werden kann, schließe eine Lücke in den Fähigkeiten der deutschen Streitkräfte. Durch den Einsatz gewinne die Bundeswehr die Flexibilität zurück, die in einem Gefecht entscheidend sei. „Unbemannte Waffensysteme und Loitering-Munition werden in den kommenden Jahren flächendeckend in Heer, Luftwaffe und Marine eingesetzt werden. Sie sind eine unverzichtbare Ergänzung unserer Fähigkeiten“, machte der Generalinspekteur deutlich. Es sei aber klar: „Effektive Abschreckung funktioniert nur, wenn wir die militärischen Mittel im sogenannten Gefecht der verbundenen Waffen kombinieren können. Wenn wir nur auf eine Fähigkeit setzen, verlieren wir die für eine erfolgreiche Abschreckung notwendige Flexibilität“, so Breuer. 

Daß Investitionen in die Abwehr dieser ferngesteuerten Waffen genauso wichtig sind wie deren Anschaffung, werden Fachleute nicht müde zu betonen. Um feindliche Drohnen blenden und lahmlegen zu können, bräuchte die Bundeswehr hochsensible Radare mit Lasern. Und gegen die bereits derzeit akute hybride Bedrohung (JF 39/24) in Form von Spionage-Drohnen etwa über Truppenübungsplätzen, müßten großflächige Tarnnetze angeschafft und neue Hangars gebaut werden, rät der Militärexperte Alexander Jag im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT. Letztlich sei aber nur die Verlegung kritischer Infrastruktur unter die Erde am sichersten, betont er. Das wiederum würde einen erheblichen finanziellen Aufwand nach sich ziehen. 

Zugleich mahnt Jag, die unbemannten Flugzeuge zur Wunderwaffe und einer Art eierlegenden Wollmilchsau des Militärs zu überhöhen: „Drohnen sind keine Alternative zur Artillerie. Sie sind zwar präziser, aber mit geringerer Wirkung. Drohnen sind gut, um Personen und den Transport anzugreifen, aber wirken nicht gegen Befestigungen“, so der Chef eines auch in der Ukraine tätigen Sicherheitsunternehmens. Anlaß, angesichts der Rückstände in Panik zu verfallen, sieht er nicht. Die Bundeswehr sei dabei, die verpaßte Digitalisierung nachzuholen. Die Probleme seien erkannt und würden angegangen. „Letztlich steht Deutschland nicht schlechter oder besser da als ein durchschnittliches europäisches Land“, gibt sich Jag im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT überzeugt. 

Aus der JF-Ausgabe 17/25.

Der Inspekteur der Luftwaffe Ingo Gerhartz, Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, v.l.n.r.) bei der Indienststellung des Luftverteidigungssystems IRIS- T SLM: Eigene Kampfdrohnen, aber auch bessere Verteidigungssysteme sollen angeschafft werden. Foto: picture alliance/dpa | Christian Charisius
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