BERLIN. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hat im Vorfeld des Koalitionsgipfels die überbordende Bürokratie in Deutschland scharf kritisiert. „Deutschland liegt gefesselt wie Gulliver am Boden. Wir sind zu teuer, zu langsam und staatlich überreglementiert“, sagte der 50jährige gegenüber der Bild-Zeitung.
Im Fokus von Kretschmers Kritik stand vor allem die Ampel-Regierung unter Olaf Scholz (SPD), die verantwortlich für die schleppende Entbürokratisierung sei. Trotz des sogenannten Bürokratieentlastungsgesetzes seien viele Vereinfachungen bestehender Überregulierungen abgelehnt worden.
Das neue Bundesministerium soll es richten
Insbesondere die Grünen hätten wichtige Vorhaben zum Bürokratieabbau gestoppt – wie die Abschaffung des Lieferkettengesetzes, das Unternehmen mit Sorgfaltspflichten und Reglementierungen überzieht. „Nötig ist ein Befreiungsschlag“, betonte Kretschmer. „Es muß jetzt darum gehen, das Land von Vorschriften und Einschränkungen zu befreien.“
Der neue Beauftragte für Bürokratieabbau und Bundesminister des neu geschaffenen Ministeriums für Digitales und Staatsmodernisierung, Karsten Wildberger (CDU), soll das Problem der fehlenden Modernisierung der Verwaltung und der ausufernden Bürokratie beheben.
Ifo-Institut warnt seit Jahren vor belastender Bürokratie
Die jährlichen Bürokratiekosten in Deutschland belaufen sich für die Wirtschaft auf bis zu 146 Milliarden Euro. Zu diesem Schluß kam eine Studie des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung im Auftrag der Industrie- und Handelskammer (IHK) für München und Oberbayern. „Der Schaden ist gigantisch. Es darf nun keinen Verzug mehr geben“, mahnte IHK-Hauptgeschäftsführer Manfred Gößl und forderte, sämtliche gesetzlichen Vorgaben, Pflichten und Verfahren zu prüfen sowie deutlich zu verschlanken.
Schon eine Umstellung der Prozesse auf digitale, internetbasierte Verwaltungsprozesse nach dänischem Vorbild würde dem Ifo-Institut zufolge 96 Milliarden Euro an entgangener Wirtschaftsleistung kompensieren. „Allerdings ergeben die Schätzungen auch, daß der Effekt eines grundlegenden Bürokratieabbaus doppelt so groß ist wie der eines Digitalisierungsschubs“, heißt es in der Studie. So sei etwa der Erfüllungsaufwand für Steuererklärungen in Deutschland mit 218 Stunden fast doppelt so hoch wie in Schweden.
Seit Jahren warnen die Münchner Wirtschaftsforscher vor einer steigenden Belastung durch Bürokratie. Einer weiteren Ifo-Erhebung zufolge hatten rund 91 Prozent der Unternehmen angegeben, daß die Verwaltungslasten seit 2022 massiv angestiegen seien. Hauptgründe dafür waren das seit 2023 geltende Lieferkettengesetz, aufwendige Genehmigungsverfahren und komplizierte Steuerregelungen. Die überladene Bürokratie sei auch für den steigenden Auftragsmangel in der Wirtschaft verantwortlich.
Koalitionsausschuß tagt über aktuelle Themen
Am frühen Mittwoch abend treffen sich die Spitzen aus Union und SPD zum Koalitionsausschuß. Neben Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) nehmen seine Parteikollegen, Generalsekretär Carsten Linnemann und Fraktionschef Jens Spahn, an der Sitzung teil.
Die CSU wird durch ihren Parteivorsitzenden Markus Söder, Bundesinnenminister Alexander Dobrindt und Landesgruppenchef Alexander Hoffmann repräsentiert. Die SPD vertreten Finanzminister Lars Klingbeil, Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas und der Fraktionsvorsitzende Matthias Miersch. Neben dem Vorantreiben des Bürokratieabbaus dürfte beim Treffen der Streit über die Stromsteuer und aktuelle Haushaltsdebatten Thema sein. (rsz/kuk)