SCHWERIN. Der Chef der CDU in Mecklenburg-Vorpommern, Daniel Peters, hat seine Partei dazu aufgefordert, die „Ausgrenzung und Dämonisierung der AfD“ zu beenden. Ein „Weiter so“ im Verhältnis zu der rechten Partei funktioniere nicht, sagte er am Mittwoch dem Nordkurier.
Peters ging noch weiter und stellte fest: „In Ostdeutschland gibt es auf Kommunalebene keine Brandmauer mehr mit der AfD.“ Der Christdemokrat führte aus, daß es der AfD nur nütze, wenn man sich ausgrenze und dämonisiere, da man sie so in die Opferrolle drücke. „Aus dieser Rolle heraus erzielt die AfD auch die Solidarisierungseffekte in der Bevölkerung.“
Prien will „zivilisierte Verachtung“ der AfD
Damit stellt sich auch Peters in der von CDU-Fraktionsvize Jens Spahn ausgelösten Debatte über einen anderen Umgang mit der AfD hinter seinen Parteifreund. Es müsse eine „formelle Normalisierung im Umgang mit der AfD“ geben, betonte Peters. „Es sind doch nicht alle AfD-Mitglieder und alle AfD-Abgeordnete Verfassungsfeinde.“ Spahn hatte in der Bild dafür plädiert, „mit der AfD als Oppositionspartei so umzugehen in den Verfahren und Abläufen wie mit jeder anderen Oppositionspartei auch“.
Der Chef der AfD Mecklenburg-Vorpommern, Enrico Schult, reagierte am Donnerstag zurückhaltend auf die Äußerungen von Peters. „Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube, daß es die CDU in Mecklenburg-Vorpommern ernst meint“, sagte er der JUNGEN FREIHEIT. „Denn bisher haben Peters und Co. alle unsere Anträge im Landtag rundheraus abgelehnt, nicht mal eine Verweisung in die Ausschüsse konnte sich die CDU abringen.“ Wenn die CDU es mit einem Politikwechsel wirklich ernst meine, dann bleibe ihr nur die Kooperation mit der AfD.
Optimistischer zeigte sich sein Co-Sprecher Leif-Erik Holm: „Ich kann Daniel Peters da nur unterstützen. Die Realität ist wie sie ist, ob sie linken Politikern gefällt oder nicht. Die Brandmauer zerbröselt kommunal in Rekordgeschwindigkeit. Es ist doch auch weltfremd, eine Partei, die in vielen kommunalen Vertretungen die stärkste Kraft stellt und immer wieder konstruktive Vorschläge macht, einfach außenvorzulassen.“
CDU-Bundesvize Karin Prien plädierte am Mittwoch gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung für eine „zivilisierte Verachtung“ der AfD. „Man muß sehr genau abwägen und im Einzelfall entscheiden, wen man wählen kann, um einerseits die Funktionsfähigkeit des Parlaments zu erhalten und andererseits dieser Partei keine Gelegenheit zu bieten, ihren Opfermythos zu pflegen.“ Die AfD-Abgeordneten seien demokratisch gewählt und es sei wichtig, die Geschäftsordnung einzuhalten.
CSU-Politiker findet Debatte „skandalös“
Massive Kritik kam aus der CSU. Vorstandsmitglied Bernd Posselt bezeichnete die von der Schwesterpartei angestoßene Debatte als „skandalös“. Sie sei geeignet, „die Front gegen die AfD aufzuweichen“.
Auch der CSU-Fraktionsvorsitzende im Bayerischen Landtag, Klaus Holetschek, ging auf Distanz. „Eine Partei, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird, kann niemals so behandelt werden wie jede andere“, betonte er gegenüber dem Bayerischen Rundfunk. Er halte Abgeordnete, die „mit Verfassungsfeinden gemeinsame Sache machen“, für ungeeignet, das Parlament zu repräsentieren oder hohe Ämter zu übernehmen.
Am Mittwoch hatte Holetschek gegenüber Politico noch gesagt: „Ich glaube, auf Dauer hat Jens Spahn vermutlich recht.“ Man müsse eine Lösung für den parlamentarischen Betrieb finden.
Spahn kritisiert „Empörungsschleife“
Spahn selbst äußerte sich erneut bei Markus Land im ZDF. Dort beklagte er eine „Empörungsschleife“ und „Empörungsrituale“ in der Öffentlichkeit. Von „Normalisierung“ im Verhältnis zur AfD habe er gar nicht geredet. Die Grundfrage sei: „Ändern wir die Spielregeln, oder zwingen wir sie, nach den Spielregeln mitzuspielen?“ Die CDU sei „das letzte Bollwerk“ gegen die AfD.
Gegenüber Correctiv antwortete er auf die Frage, ob die CDU einen Sitz im Parlamentarischen Kontrollgremium bekommen solle, mit einem Wort: „Nein.“ Das Parlamentarische Kontrollgremium kontrolliert die Geheimdienste.
Auch Innenministerin Nancy Faeser (SPD) schaltete sich in die Debatte ein. „Die AfD ist keine Oppositionspartei wie andere auch“, sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe am Mittwoch. „Wer sie so behandeln und damit weiter normalisieren will, macht einen schweren Fehler. Das wäre verantwortungslos und geschichtsvergessen.“ Faeser verwies auf den Verfassungsschutz, der die AfD „zu Recht“ als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft habe.
Ex-Ministerpräsident ist fassungslos
Unterdessen übt der frühere CDU-Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Gerd Gies, massive Kritik am allgemeinen Kurs der Parteiführung. „So schnell hat sich noch kein designierter Kanzler von Versprechen verabschiedet“, schreibt der 81jährige Christdemokrat in einem offenen Brief, der der JUNGEN FREIHEIT vorliegt.
Gies verweist besonders auf die Grundgesetzänderung, „die mit einem in meinen Augen nicht mehr vom Wähler legitimierten Bundestag beschlossen wurde“. Sie habe zudem einen Inhalt, „der bisher nur von linken Parteien vertreten wurde“. Ihn lasse das fassungslos werden. „Ist das noch meine CDU?“
Gies sieht CDU im „linken Blocksystem“
Gies führt aus, er habe die CDU noch „unter dem Diktat der SED“ als Blockpartei kennengelernt. Nun begäben sich die Christdemokraten erneut „in die Gefangenschaft eines linken Blocksystems“. Weiter: „Vor diesem Hintergrund stellt der vorliegende Koalitionsvertrag auch eine Richtungsentscheidung für die CDU dar.“ Gies fordert die Christdemokraten daher auf, eine Mitgliederbefragung über das Koalitionspapier in Gang zu setzen.
Der promovierte Tierarzt Gies saß bis 1998 im Magdeburger Landtag. Im Februar 1990 wurde Gies zum Vorsitzenden der CDU Sachsen-Anhalt gewählt, dem ersten Landesverband der Partei auf dem Gebiet der damaligen DDR. Nach der Wahl am 18. März 1990 zog er in die erste freigewählte Volkskammer in Ost-Berlin ein. Ministerpräsident war er nur etwas mehr als sieben Monate. (ser)