FLENSBURG. Die Bundespolizei hat im Zusammenhang mit Schleuserkriminalität 40 Objekte in neun Bundesländern durchsucht. Das berichtet die dpa unter Berufung auf Angaben der Bundespolizei und der Staatsanwaltschaft Flensburg.
Den Behörden zufolge richten sich die laufenden Maßnahmen gegen eine mutmaßliche Schleusergruppierung aus Schleswig-Holstein, die über einen längeren Zeitraum chinesischen Staatsangehörigen gegen Bezahlung zur Einreise und zum dauerhaften Aufenthalt in Deutschland verholfen haben soll. Dabei sei eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle geschaffen worden.
750 Polizisten im Einsatz – drei Festnahmen
Von neun Uhr an war die Bundespolizei am Mittwoch mit einem Großaufgebot im Einsatz. In insgesamt neun Bundesländern haben laut Bundespolizei rund 750 Einsatzkräfte 38 Wohnungen und Geschäftsräume durchsucht. Schleswig-Holstein stand dabei im Fokus. Durchsucht wurden unter anderem auch Objekte in Hessen, Niedersachsen, Berlin, Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen und Nordrhein-Westfalen.
Die Ermittler nahmen drei Personen fest – einen 44jährigen Mann aus Harrislee (Kreis Schleswig-Flensburg) sowie eine 52jährige Frau und einen 67jährigen Mann aus Husum (Kreis Nordfriesland), berichtet der NDR. Hintergrund ist ein seit Oktober 2023 laufendes Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Flensburg wegen des Verdachts des gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern.
Die Ermittler gehen davon aus, daß die Organisation arbeitsteilig vorgegangen ist. So sollen einzelne Mitglieder für die Anwerbung der Klienten, andere für die Beantragung der Aufenthaltstitel sowie für die Bereitstellung der Scheinunternehmen zuständig gewesen sein. Der Verdacht auf bandenmäßiges Handeln gilt daher als erhärtet.
230.000 Euro zahlten Chinesen für die Einreise
Die mutmaßlichen Schleuser haben nach Angaben der Staatsanwaltschaft Flensburg online und vor Ort mit Partnerfirmen für eine Immigration nach Deutschland geworben. Die Chinesen sollten demnach nur zum Schein bei Unternehmen beschäftigt werden, um über das beschleunigte Fachkräfteverfahren legale Aufenthaltsgenehmigungen zu erhalten. In Eigen- und Partnerfirmen wurden dafür gezielt Scheinarbeitsplätze geschaffen.
Pro Person sollen die Schleuser bis zu 230.000 Euro verlangt haben. Die Höhe der von den geschleusten Personen gezahlten Beträge verdeutlicht nach Ansicht der Ermittler die Professionalität des Netzwerks. Die Bundespolizei bezeichnete das Vorgehen als „hochgradig konspirativ und arbeitsteilig organisiert“.
Bei den Durchsuchungen stellten die Beamten analoge und digitale Beweismittel sowie größere Mengen an Bargeld sicher. Laut Staatsanwaltschaft und Bundespolizei konnten Vermögensarreste in Höhe von mehr als fünf Millionen Euro vollstreckt werden. Die beschlagnahmten Gelder gelten als mutmaßlicher Erlös aus den Schleusungstätigkeiten. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft sprach von „erheblichen kriminellen Gewinnen“, die nun eingefroren worden seien.
Haftstrafe von bis zu zehn Jahren möglich
Nach Abschluß der Durchsuchungsmaßnahmen sollen die Auswertungen der sichergestellten digitalen Geräte und Unterlagen weitere Aufschlüsse über die Struktur und das internationale Ausmaß des Netzwerks liefern. Inwieweit Verbindungen zu weiteren Personen oder Organisationen bestehen, ist Gegenstand der laufenden Ermittlungen.
Die festgenommenen Hauptverdächtigen befinden sich derzeit in Untersuchungshaft. Ihnen drohen im Falle einer Verurteilung mehrjährige Freiheitsstrafen. Laut Paragraph 96 des Aufenthaltsgesetzes sieht der Gesetzgeber für banden- und gewerbsmäßige Schleusungen Freiheitsstrafen von bis zu zehn Jahren vor.
„Keine Verbindung“ zu Fall aus 2024
Bereits im Frühjahr vergangenen Jahres war ein großangelegter Schleuserkomplex bekannt geworden, in den auch prominente Politiker verwickelt sein sollen. Jens Bröker (SPD), Stabsleiter im Kreis Düren, gestand inzwischen, rund 300.000 Euro von einer Schleuserbande erhalten zu haben, um Einfluß auf Behördenentscheidungen zu nehmen. Er habe wohlhabende Chinesen an das Netzwerk vermittelt. Auch gegen den CDU-Landrat Wolfgang Spelthahn wird wegen Bestechlichkeit ermittelt. Bei einer Razzia im April waren zehn Verdächtige festgenommen worden. Insgesamt sollen rund 350 chinesische Staatsangehörige illegal nach Deutschland gebracht worden sein – gegen Zahlungen in Millionenhöhe.
Eine Verbindung zwischen beiden Schleusernetzwerken besteht laut Auskunft der zuständigen Staatsanwaltschaft Flensburg nicht. „Es gibt nach bisherigem Kenntnisstand keine Verbindung“, teilte ein Sprecher der JUNGEN FREIHEIT auf Anfrage mit. Auch könne „nach aktuellem Stand“ ausgeschlossen werden, daß die Fälle personell oder strukturell verflochten seien. Ob sich durch die Auswertung digitaler Beweismittel ein anderes Bild ergeben werde, lasse sich derzeit nicht sagen. Die Verfahren würden „vollkommen getrennt geführt“. (sv)