BERLIN. Dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) liegen Hinweise vor, daß türkische Asylbewerber Förderprogramme für freiwillige Rückkehrer mißbrauchen. Mehrere Bundesländer wie Bayern, Berlin und Niedersachsen wiesen auf mögliche Betrugsfälle hin, berichtete die Welt am Sonntag. Im letzteren Bundesland sei insbesondere seit dem zweiten Quartal 2023 die Zahl freiwilliger Ausreisen mit einer „sehr kurzen“ Verweildauer von unter sechs Monaten deutlich gestiegen. Dazu zählten überwiegend „Männer im Alter von 19 bis 45 Jahren“.
Die Betroffenen bewerben sich demnach hauptsächlich um Leistungen aus dem Förderprogramm REAG/GARP sowie der sogenannten Starthilfe Plus. Asylsuchende, die sich als mittellos ausgeben, können bis zu 200 Euro Reisebeihilfe und 1.000 Euro „Starthilfe“ bekommen. Sollten sie frühzeitig auf ein Asylgesuch verzichten, bekommen sie zusätzlich 500 Euro. Weitere 400 Euro folgen sechs Monate nach der Rückkehr. In einigen Fällen kommen Reintegrationshilfen der EU-Grenzschutzagentur Frontex hinzu. Demnach erhalten die Rückkehrer Hilfsleistungen im Wert von bis zu 2.000 Euro sowie weitere 615 Euro für ausreisebezogene Ausgaben.
Berlin nennt konkrete Zahlen zum Asylbetrug
Bei aufgedecktem Mißbrauch entfallen sämtliche Gelder. Lediglich ein Taschengeld in Höhe von 50 Euro kann dann noch beantragt werden. Dem Bundesamt liegen dazu allerdings keine Informationen vor: „In wie vielen Fällen 2023 und 2024 Rückkehrhilfen versagt oder nur in vermindertem Umfang gewährt wurden, wird statistisch nicht erfaßt“, teilte ein Sprecher der Welt am Sonntag mit. Demnach unterliege jeder Fall einer Einzelfallprüfung. Dabei verlange die Behörde eine „vertiefte Begründung“ von den Rückkehrberatern, die einen möglichen Mißbrauchsfall vermerkten.
Als einziges Bundesland gab Berlin eine konkrete Zahl der Mißbrauchsfälle an. Die Senatsverwaltung hatte bei 17 von 106 geförderten Ausreisen einen Mißbrauch festgestellt. Bundesweit vermeldete das BAMF im vergangenen Jahr 1.616 freiwillige Ausreisen türkischer Asylsuchender, mehr als siebenmal so viele wie im Vorjahr. Fast die Hälfte erfolgte innerhalb von sechs Monaten.
Unionsfraktion fordert Konsequenzen
Bereits im April hatten Vertreter der Länder bei einem Treffen mit den Beamten des BAMF sowie des Bundesinnenministeriums vor den Gesetzeslücken gewarnt. „Einige Beratende entschließen sich auch, das Kreuz bei zweckwidriger Inanspruchnahme nicht zu setzen, um dadurch Diskussionen und möglichen Konflikten mit den Rückkehrenden zu entgehen“, heißt es im Protokoll der Runde. Die vom BAMF verlangte Begründung sei zudem „zeitintensiv und aufwendig“.
Deutliche Kritik äußerte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Alexander Throm. Der CDU-Politiker forderte, daß das BAMF „hart durchgreift“ und gegebenenfalls strafrechtliche Schritte einleite. „Hier könnte man über eine Staffelung der Förderungen nach geographischer Nähe der Herkunftsländer zu Deutschland nachdenken“, fügte er hinzu. Jede freiwillige Ausreise sei zwar besser als eine Abschiebung, aber die Anreize für den Mißbrauch der Rückkehrförderungen müsse der Staat möglichst gering halten.
Sein Pendant in der SPD-Fraktion, Sebastian Hartmann, betonte dagegen, die Rückkehrberatungen seien inzwischen sensibilisiert. „Sollte sich der Verdacht bestätigen, hat das BAMF die Möglichkeit, die Finanzhilfe zu versagen.“ (kuk)