STUTTGART. AfD-Chef Jörg Meuthen tritt am Dienstag als Fraktionsvorsitzender der AfD-Landtagsfraktion in Baden-Württemberg zurück und verläßt diese mit zwölf weiteren Abgeordneten. Meuthen kündigte auf einer Pressekonferenz an, nun eine neue „Gruppierung“ im Landtag zu gründen, die dann „definitiv antisemitismusfrei“ sei.
Der Politiker hatte am Vormittag eine Abstimmung zum Ausschluß des AfD-Politikers Wolfgang Gedeon aus der Fraktion verloren. Zwar hatte die Mehrheit der Parlamentarier für den Antrag gestimmt, eine Zwei-Drittel-Merheit kam jedoch nicht zustande.
Hintergrund sind mehrere Publikationen Gedeons, die bereits einige Jahre alt sind und die er unter dem Pseudonym „W. G. Meister“ verfaßt hatte. In verschiedenen Büchern nennt er beispielsweise Horst Mahler und Ernst Zündel, die den Holocaust an den Juden bestreiten, „Dissidenten“, die allein wegen ihrer Meinung „für Jahre hinter Gitter“ gesperrt würden.
Meuthen: Antisemitismus hat kein Platz in der AfD
Auch kritisiert er das Mahnmal für die ermordeten Juden in Berlin mit scharfen Worten und bezeichnet das Judentum als „inneren Feind“ des „christlichen Abendlandes“. Er wirft den Juden vor, an einer Versklavung der Menschheit zu arbeiten und verteidigt die sogenannten „Protokolle der Weisen von Zion“ nicht nur als echt, sondern auch als richtig. Bei dem Machwerk handelt es sich um eine antisemitische Fälschung, die darauf abzielt, die Legende einer jüdischen Weltverschwörung zu stricken.
Meuthen sagte auf einer Pressekonferenz: „Wir bedauern diese Trennung vollziehen zu müssen. Wer nicht in der Lage ist, rassistische oder antisemitische Äußerungen zu erkennen und zu unterlassen, schädigt seine Partei und gehört schon gar nicht auf Führungspositionen einer staatstragenden Partei.“ Antisemitismus dürfe keinen Platz in der Partei haben.
Wir sind uns bewußt, daß dieser Schritt für die gesamte AfD eine höchst belastende Situation darstellt. Er ist jedoch von existentieller Bedeutung, da wir eine alternative Politik zum Wohle unseres Volkes nicht auf faulen Wurzeln begründen können. Es geht hier nicht um Meinungsfreiheit; es geht darum, klare Position gegen alle Strömungen zu beziehen, die unserem Volk und unserem Land schaden. Wir stehen für eine Politik der Werte und der Freiheit, wir stehen weiter für Mut zur Wahrheit und Mut zu Deutschland. – Jörg Meuthen
Petry fordert Deeskalation
Parteichefin Frauke Petry rief die Partei am Nachmittag zur Ruhe auf. „Wir werden in den nächsten Stunden gemeinsam an einer konstruktiven Deeskalation wirken“, schrieb die Bundessprecherin auf Facebook. „Ein Konflikt, der sich in einer Landtagsfraktion verselbständigt hat, wird nicht zur Schicksalsfrage der AfD.“
Die Frage, ob Antisemitismus in der AfD beheimatet sein kann, ist dabei nicht das Thema. Antisemitismus hat in der AfD keine Heimat und kein Sprachrohr. Und dies ist auch nicht verhandelbar. – Frauke Petry
Restlicher Bundesvorstand stellt sich hinter Meuthen
Petry schrieb, sie werde noch am Dienstag in Stuttgart eintreffen „um mit der gesamten AfD-Fraktion zu reden“. Sie bitte daher alle Abgeordneten „Ruhe zu bewahren und nicht mit voreiligen Entscheidungen an die Öffentlichkeit zu treten“. Zudem drang Petry darauf, an einer Pressekonferenz mit Meuthen teilzunehmen. Dieser lehnte jedoch mit dem Hinweis ab, er wünsche keine weitere Einmischung Petrys.
Der restliche Bundesvorstand stellte sich dagegen hinter Meuthen und distanzierte sich von den Unterstützern Gedeons. „Der Bundesvorstand mißbilligt aufs Schärfste die Entscheidung derjenigen Mitglieder der AfD-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg, die den Ausschluß von Wolfgang Gedeon aus der Fraktion verhindert haben. Diese Mitglieder akzeptieren den Verbleib eines Abgeordneten in der Fraktion, dessen Schriften eindeutig antisemitische Aussagen enthalten“, heißt es in einem vorab verbreiteten einstimmigen Beschluß des Gremiums. „Wir anerkennen als Vertreter der AfD im Landtag von Baden-Württemberg ab sofort nur Jörg Meuthen und die Abgeordneten, die sich ihm anschließen.“ Petry wie auch Albrecht Glaser und Julian Flak hatten nicht an der Telefonkonferenz teilgenommen.
Gedeon selbst gab auf Facebook Meuthen die Schuld am Zerfall der Fraktion. „Das Thema ist keine ‘Causa Gedeon’, sondern eine ‘Causa Meuthen’.“ Durch den Vorfall sei deutlich geworden, daß mit ihm nur „von Herrn Meuthens Problemen abgelenkt werden soll“. Dieser akzeptiere „keine demokratische Wahl“. Zudem warf er dem Bundeschef parteischädigendes Verhalten vor.
Gutachtermangel
Meuthen hatte bereits im Vorfeld angekündigt, er werde die Fraktion verlassen, wenn diese Gedeon nicht ausschließe. Später einigte sich die Fraktion darauf, drei Gutachten zu dem Werken Gedeons einholen zu wollen. Allerdings hat die AfD bisher nicht genügend Gutachter gefunden. Derzeit läßt Gedeon seine Mitgliedschaft in der Fraktion ruhen.
Zuletzt hatte es Berichte gegeben, der Holocaust-Leugner Gerard Menuhin sei als ein Gutachter angefragt worden. Die Fraktion wies dies zurück. Lediglich ein Abgeordneter habe Menuhin vorgeschlagen und kontaktiert. Nach JF-Informationen handelt es sich dabei um den Abgeordneten Stefan Räpple, der als Unterstützer Gedeons gilt.
Kann eine Partei zwei Fraktionen bilden?
Der AfD-Bundesvorstand hatte dem baden-württembergischen Landesverband Anfang Juni empfohlen, den Gedeon aus der Partei auszuschließen. In einem einstimmigen Beschluß hieß es nach Informationen der JUNGEN FREIHEIT, der Parteivorstand habe „in den vergangenen Tagen von den Äußerungen und Schriften“ Gedeons Kenntnis erhalten und sei über diese „entsetzt“. Das Gremium empfahl dem zuständigen Landesverband Baden-Württemberg „unverzüglich“ ein Parteiausschlußverfahren gegen Gedeon zu prüfen und gegebenenfalls einzuleiten.
Zahlreiche Bundesvorstandsmitglieder hatten später scharfe Kritik an Gedeon geäußert. Darunter Vize-Chef Alexander Gauland, Armin Paul Hampel, Georg Pazderski und Alice Weidel.
Unklar ist derzeit, ob die Abgeordneten, die mit Meuthen austreten, eine eigene Fraktion gründen können. Derzeit prüften Landtagsjuristen, ob zwei Fraktionen, die zur selben Partei gehören, im Parlament vertreten sein können, sagte eine Sprecherin der Parlamentsverwaltung dieser Zeitung. (JF)