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Fall Edathy: Der Kuhhandel

Fall Edathy: Der Kuhhandel

Fall Edathy: Der Kuhhandel

Steinmeier und Gabriel
Steinmeier und Gabriel
Die SPD-Bundesminister Frank-Walter Steinmeier (links) und Sigmar Gabriel vor der Presse: Die SPD-Führung hat die Fäden in der Hand behalten Foto: picture alliance / dpa
Fall Edathy
 

Der Kuhhandel

Der Eindruck, den die Große Koalition in dieser Affäre macht, ist verheerend. Noch ist die Angelegenheit nicht vorbei, aber der Rechtsstaat und das Vertrauen der Bürger in diesen haben bereits schweren Schaden genommen.
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Die Affäre um den unter Kinderporno-Verdacht stehenden früheren SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy ist zwar noch nicht ausgestanden, aber die politischen Gewichte in Berlin haben sich bereits stark verschoben. Gut hält sich die SPD, während die CSU mit ihrem fahrigen Chef Horst Seehofer einen an die Substanz gehenden Tiefschlag einstecken mußte. Der eigentliche Verlierer steht schon fest: der Rechtsstaat.

Der SPD-Führung ist es auch bei der ersten schweren Belastungsprobe der Großen Koalition gelungen, die Fäden in der Hand zu behalten und den Verlauf einigermaßen zu steuern, so wie sie praktisch seit der Regierungsbildung auf allen relevanten Politikfeldern den Ton angibt. Parteichef Sigmar Gabriel, der vom damaligen Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) die Information über bevorstehende Ermittlungen gegen Edathy bekam, ist inzwischen ganz aus der Affäre raus. Das volle Vertrauen, das Kanzlerin Angela Merkel an die Adresse des SPD-Vorsitzenden gerichtet aussprach, entsprach der Vergebung der Sünde des Geheimnisverrats, weil Gabriel die Sache weitergequatscht hatte.

Kann sich Oppermann halten?

Schwieriger tut sich noch der Fraktionschef der Sozialdemokraten, Thomas Oppermann, dessen Rücktritt laut ZDF-Politbarometer 53 Prozent der Deutschen fordern. Oppermann hatte die Information von Friedrich an Gabriel öffentlich gemacht und damit faktisch für die Entlassung des CSU-Politikers gesorgt. Durch diese taktische Meisterleistung wurde aus einer SPD-Affäre eine CSU-Angelegenheit. Wer Oppermann kennt, sieht hinter seiner Erklärung – „es tut mir aufrichtig leid, daß meine Veröffentlichung zum Rücktritt von Hans-Peter Friedrich geführt hat“ – Zynismus schimmern.

Zwar zogen führende Sozialdemokraten sofort eine Brandmauer um Oppermann hoch, der aber weiter unter Druck steht. Grund ist das Telefonat Oppermanns mit Jörg Ziercke, dem Präsidenten des Bundes-kriminalamtes (BKA), in der Causa Edathy. Ziercke ist Genosse wie Oppermann. Er will angeblich nichts gesagt, Oppermann nichts gefragt haben. Damit ziehen sich beide Genossen gegenseitig aus dem Sumpf: Ziercke kann kein Geheimnisverrat vorgeworfen werden, Oppermann keine Anstiftung dazu.

Das riecht nach abgekartetem Spiel, zumal Oppermann eine frühere Darstellung des Telefonats ändern mußte. Unter Glaubwürdigkeitsaspekten rangiert die jetzige Darstellung der beiden Genossen in der Rubrik Märchen. Aber Oppermann könnte davonkommen, da die Unruhen in der Ukraine und der nahende Karneval für Ablenkung von den Berliner Nachrichten sorgen.

Eine CSU ohne klare Führung

Klar verloren hat die CSU. Die stärkste Landesgruppe ihrer Geschichte ist ein koalitionspolitisches Leichtgewicht. Sie erinnert fatal an die 2009 mit fast 14 Prozent in den Bundestag eingezogene FDP, die trotz des besten Ergebnisses ihrer Geschichte keinen Boden unter den Füßen fand – bis sie 2013 ihre parlamentarische Existenz verlor. Der Grund bei der CSU heißt Seehofer. Er hat sich von Kanzlerin Angela Merkel die Fäden aus der Hand nehmen lassen. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik ist ein CSU-Minister (Friedrich) von einem CDU-Regierungs-chef (Merkel) gefeuert worden. Selbst Helmut Kohl hatte es nie gewagt, in die auf ihre Unabhängigkeit bestehende CSU hineinzuregieren. Jetzt darf sich die CSU als Appendix der CDU fühlen.

CSU-Chef Horst Seehofer vor Journalisten: Eine CSU ohne Führung Foto: picture alliance / dpa
CSU-Chef Horst Seehofer vor Journalisten: Eine CSU ohne Führung Foto: picture alliance / dpa

Das hat auch damit zu tun, daß der CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt engere und persönlichere Beziehungen zur Kanzlerin nachgesagt werden, als das der Berliner politischen Öffentlichkeit bewußt ist. Hasselfeldt hat seit dem Macht- und Bedeutungsverlust der Kanzler-Freundin Annette Schavan deren Rolle eingenommen.

Angesichts des Einflusses von Merkel in der CSU war der angebliche Plan von Seehofer, den eurokritischen Abgeordneten Peter Gauweiler zum neuen Landwirtschaftsminister zu machen, zu keinem Zeitpunkt mehr als eine schnell verglühende Sternschnuppe. Nur das eurokritisch eingestellte Publikum sollte die Gauweiler-Personalie als eine Art Stern von Bethlehem ansehen. In Wirklichkeit sinkt Seehofers Stern mit rasantem Tempo. Die CSU muß aufpassen, daß sie mit dem Hallodri Seehofer nicht völlig untergeht und sich schließlich als Landesverband der CDU wiederfindet. Die Vorarbeiten hat Merkel schon erledigt.

Berliner Politik ohne Grundsätze sorgt für irreparable Schäden

Es wird der CSU auch nichts helfen, daß sie jetzt angeblich versuchen will, mit sachpolitischen Zugeständnissen für den Minister-Rauswurf „entschädigt“ zu werden. Die Rede ist von mehr Geld für Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und der raschen Verwirklichung des CSU-Wahlversprechens Ausländermaut. Noch ist keines dieser Geschäfte, die auch Einschränkungen bei der doppelten Staatsbürgerschaft und beim SPD-Lieblingsthema Mindestlohn umfassen könnten, geschlossen. Aber der Eindruck ist bereits verheerend.

Berliner Politik hat nichts mehr mit Grundsätzen zu tun, sondern wird auf das Prinzip des Kuhhandels reduziert. Ins Bild paßt weiterhin der Eindruck, daß Politiker Einfluß auf Sicherheitsbehörden genommen haben, um Parteifreunde vor Ermittlungen zu schützen. Edathy schien dank Warnungen von Parteifreunden Zeit genug gehabt zu haben, um sich auf die Durchsuchungen seiner Wohnungen und Büros vorzubereiten.

Noch ist die Affäre nicht vorbei, aber der Rechtsstaat und das Vertrauen der Bürger darin haben bereits schweren Schaden genommen, vermutlich sogar irreparablen Schaden.

JF 10/14

Die SPD-Bundesminister Frank-Walter Steinmeier (links) und Sigmar Gabriel vor der Presse: Die SPD-Führung hat die Fäden in der Hand behalten Foto: picture alliance / dpa
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