BERLIN. Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) hat angesichts des drastischen Anstiegs der Gewalt gegen Polizisten eine härtere Bestrafung der Täter sowie eine Ächtung solcher Übergriffe durch die Gesellschaft gefordert.
Die Zahl schwerer Gewaltübergriffe auf Polizisten sei 2009 im Vergleich zum Jahr 2006 um 60,1 Prozent gestiegen. „Dies ist ein drängendes innenpolitisches und gesellschaftliches Thema“, sagte der Minister am Mittwoch in Berlin bei der Vorstellung einer Studie des Kriminologischen Forschungsinstitutes Niedersachsen (KfN) zur Gewalt gegen Polizeibeamte. Für die noch nicht abgeschlossene Untersuchung hat das vom Rechtswissenschaftler Christian Pfeiffer geleitete Institut mehr als 22.500 von Polizisten ausgefüllte Fragebögen ausgewertet.
Demnach wird fast jeder Streifenbeamte mehrmals im Dienst beleidigt, jeder zweite muß körperliche Attacken hinnehmen, fast 27 Prozent werden mit Fäusten geschlagen, zwischen acht und neun Prozent sogar mit Waffen angegriffen. „All das zeigt, daß wir handeln müssen“, sagte Schünemann, der zugleich auf erste Erfolge verwies. So sei die Zahl der besonders schweren Straftaten, die eine Dienstunfähigkeit der verletzten Polizisten von mehr als zwei Monaten nach sich ziehen, seit 2007 um 30 Prozent zurückgegangen.
„Jünger, betrunkener, linker”
Schünemann forderte zur Bekämpfung der Übergriffe eine Verschärfung des Strafrechtsparagraphen 113 (Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte). Die Mindeststrafe müsse erhöht und das Höchststrafmaß von zwei auf vier Jahre heraufgesetzt werden. „Die höhere Strafe wäre ein wichtiges Signal an unsere Polizeibeamten, die sich mit ihrer Gesundheit für Recht und Ordnung und damit für unsere Sicherheit einsetzen“, sagte der Minister.
Neben der härteren Bestrafung von Übergriffen auf Polizisten forderte Schünemann auch eine verstärkte Präventionsarbeit. Der CDU-Politiker verwies in diesem Zusammenhang zudem darauf, daß bei Angriffen auf Polizisten bei Demonstrationen drei von vier Tätern Linksextremisten seien. Hier müsse die Gesellschaft genauso wie bei der Bekämpfung rechtsextremistischer Gewalt gegensteuern: „Wir brauchen ein Bündnis gegen linksextreme Gewalt“, forderte der Minister.
Pfeiffer zeigte sich schockiert von den Schilderungen der Beamten, die Opfer eines Übergriffs geworden sind. Die Polizisten müßten sich häufig gegen Tritte und Schläge wehren. „Die Täter werden immer jünger“, sagte der Kriminologe. Die Zahl der Angriffe von Jugendlichen auf Polizisten sei in den vergangenen Jahren um 80 Prozent gestiegen. Gleichzeitig stünden die Täter immer häufiger unter dem Einfluß von Alkohol. Die werden „immer jünger, immer betrunkener, und wenn es sich um politische Dinge handelt, dann immer linker“, faßte Pfeiffer die Entwicklung zusammen.
Streit um Studie
Er verwies darauf, daß die Mehrzahl der Übergriffe jedoch nicht bei Demonstrationen erfolge, sondern vor allem Streifenpolizisten treffe. Häufig spiele dabei familiäre Gewalt eine Rolle, gerade auch unter Einwanderern.
Welche Rolle der sogenannte Migrationshintergrund bei den jugendlichen Tätern spielt, die Polizeibeamte angreifen, konnten die Wissenschaftler bislang nicht klären. „Diese Frage kommt vier Monate zu früh“, sagte Pfeiffer. Allerdings sei dies ein interessanter Untersuchungsgegenstand, zumal die Polizeiliche Kriminalstatistik keine Aussage über einen möglichen Migrationshintergrund treffe.
An der Studie beteiligen sich zehn der sechzehn Bundesländer. Im Vorfeld der Untersuchung waren einige Fragen auf Kritik von Gewerkschaftern gestoßen, da sie als zu persönlich für die befragten Polizisten bewertet wurden. Daraufhin hatten Bayern, Hamburg, Sachsen, Nordrhein-Westfalen und die Bundespolizei die Teilnahme an der Studie abgesagt. (ms)