HAMBURG. Der Völkerrechtler und Rußland-Experte Wolfgang Seiffert ist am vergangenen Donnerstag im Alter von 82 Jahren nach kurzer, schwerer Krankheit in Hamburg verstorben.
Geboren am 18. Juni 1926 im niederschlesischen Breslau, erlebte er den wechselvollen Verlauf der deutschen Geschichte. Nach katholischer Schulerziehung, Ministrantenausbildung und Hitlerjugend wurde er 1944 Kriegsfreiwilliger bei der Marine. Die Kriegslage verschlug ihn zur kämpfenden Truppe, im April 1945 geriet er in sowjetische Gefangenschaft.
Nach Zwangsarbeit und „Antifa“-Schule wurde er Ende 1949 entlassen. Er kam nach Westdeutschland und wurde Anfang der fünfziger Jahre für die kommunistisch gesteuerte Freie Deutsche Jugend tätig, was ihm eine Gefängnisstrafe einbrachte.
Flucht in die DDR
Aus dem Strafvollzug floh er in die DDR. An der Berliner Humboldt-Universität studierte Seiffert Rechtswissenschaften und machte eine rasche SED-Kader-Karriere als Jurist. Doch sein Festhalten an der deutschen Einheit kollidierte in den siebziger Jahren immer offener mit der gewandelten DDR-Staatsräson.
1978 übernahm er schließlich eine Gastprofessur in Kiel und setzte seine Übersiedlung nach Westdeutschland durch. Es erregte großes Aufsehen, daß er sich 1982 mit einem Beitrag über „Die SED und die deutsche Frage“ mit Wolfgang Venohr, Hellmut Diwald, Peter Brandt und Harald Rüddenklau – entgegen dem bundesrepublikanischem Zeitgeist – an dem publizistischen Eisbrecher „Die deutsche Einheit kommt bestimmt!“ beteiligte.
In seiner engagiert vertretenen Einschätzung der DDR und der deutschen Teilung als Provisorium sollte er schon sieben Jahre später recht behalten. „Wolfgang Seiffert hat sich in seinem langen und teilweise abenteuerlichen Leben stets als nationalbewußter Deutscher bewährt“, erklärte Detlef Kühn, der ehemalige Präsident des Gesamtdeutschen Instituts – Bundesanstalt für gesamtdeutsche Aufgaben (BfgA), gegenüber der JUNGEN FREIHEIT.
<---newpage---> Im Dienst der deutschen Einheit
„Nachdem er die DDR verlassen hatte, stellte er seine fundierten völkerrechtlichen Kenntnisse und sein gutes politisches Gespür entschlossen in den Dienst der deutschen Einheit. Im Rahmen der deutschlandpolitischen Bildungsarbeit der BfgA hielt er zahlreiche Vorträge und wirkte an einschlägigen Seminaren mit”, so Kühn.
Seine Publikationen und seine Auftritte in Funk und Fernsehen hätten entscheidend dazu beigetragen, daß alle Versuche scheiterten, die einheitliche Staatsangehörigkeit für Deutsche in Ost und West abzuschaffen. „Wolfgang Seiffert hat sich um die Einheit Deutschlands sehr verdient gemacht.”
Bis 1994 arbeitete Seiffert – der sich auch kritisch mit der EG/EU auseinandersetzte – weiter am Institut für Osteuropäisches Recht der Universität Kiel. Anschließend lehrte er in Moskau an der Akademie der Wissenschaften russisches und europäisches Recht.
Seiffert sagte Putins Aufstieg vorraus
Dort lernte er auch den späteren Präsidenten Wladmir Putin kennen, dessen Aufstieg und anhaltende Bedeutung Seiffert in seinem Buch „ Wiedergeburt einer Weltmacht?“ präzise vorhersagte. Sein profundes Wissen über die russische Innenpolitik im „System der gelenkten Demokratie“ stünde manchem außenpolitischen Kommentator der Gegenwart gut zu Gesicht.
Die JUNGE FREIHEIT verliert mit Wolfgang Seiffert einen langjährigen Autor und Rußland-Experten.