WARSCHAU. In Polen geht die Auseinandersetzung um die Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen (BdV), Erika Steinbach, weiter.
„Steinbach kam nach Polen zusammen mit Hitler und mußte mit Hitler wieder gehen“, sagte der polnische Außenminister Radosław Sikorski gestern mit Blick auf die CDU-Bundestagsabgeordnete, die kürzlich vom BdV für den Stiftungsrat des Zentrums gegen Vertreibungen nominiert worden war.
„Sie war gar keine Vertriebene, sondern deren Familie, deren Papa, Feldwebel Hermann wenigstens, mußte verduften, als die Rote Armee und die polnischen Truppen siegreich heranbrandeten“, zitierte der polnische Dziennik das Mitglied der Regierungspartei Bürgerplattform (PO).
„Der Bundespräsident nennt sich auch nicht Vertriebener”
Sikorski ließ sich zu Empfehlungen an die Adresse Steinbachs hinreißen: Sie solle sich „ein Beispiel nehmen am Bundespräsidenten, der auch im besetzten Polen geboren wurde, aber sich nicht Vertriebener nennt“. Der Außenminister forderte den BdV auf, sich von Steinbach zu trennen.
Steinbach hatte sich vergangene Woche diese Art von Einmischungen in die Nominierungen für den Beirat verbeten: „Was die polnische Seite hier betreibt, ist nichts anderes als Erpressung“, sagte die BdV-Vorsitzende der Passauer Neuen Presse. Dies diene dem deutsch-polnischen Miteinander überhaupt nicht, „und daraus spricht leider nicht der Geist der Versöhnung“, sagte sie.
Es sei zwar nirgendwo festgelegt, daß sie selbst für den Stiftungsrat nominiert werden müsse. „Allerdings gab und gibt es sowohl von polnischer Seite als auch SPD-Seite eine so aggressive Haltung gegen meine Person, daß mein Verband einen Verzicht von mir überhaupt nicht akzeptieren kann. Der Bund der Vertriebenen kann sich nicht vorschreiben lassen, wen er benennt“, stellte Steinbach klar.
<---newpage---> „Mit der diskutiere ich überhaupt nicht“
„Ich diskutiere mit dieser Person überhaupt nicht, sie existiert für mich nicht“, kommentierte daraufhin der polnische Deutschlandbeauftragte Władysław Bartoszewski, der extra Steinbachs wegen noch kürzlich in Berlin Kanzlerin Merkel unter Druck gesetzt hatte. „Ich ehre sie nicht noch durch eine Polemik“, ätzte der sonst so um Dialog bemühte ehemalige Außenminister im polnischen Dziennik.
In einem Kommentar der Rzeczpospolita von heute wurde indessen bezweifelt, daß Bartoszewski in seinem Vier-Augen-Gespräch mit der Kanzlerin wirklich – aus polnischer Sicht – etwas erreicht habe. Die Überzeugung, dessen persönliche Ausstrahlung erweiche die Deutschen, habe sich als naiv herausgestellt.
„Auch deswegen, weil dort schon eine Generation regiert, die von Komplexen gegenüber einem früheren Auschwitz-Häftling befreit ist“, schreibt der Kommentator. Diese Leute nähmen sich gar heraus, ihn nicht ernst genug zu nehmen und ihn zu „ermahnen“.
Deutsch-polnisches Verhältnis wertvoller als Wählerstimmen?
Unterdessen dankte Außenminister Sikorski der Kanzlerin und seinem deutschen Amtskollegen Frank-Walter Steinmeier (SPD) für die „Sensibilität für die polnischen Forderungen“. Während einer Sitzung der EU-Außenminister in Brüssel sagte er, das zeige die „Effektivität“ polnischer Politik.
„Während meiner Zeit ist das die erste Entscheidung, und vielleicht die erste Entscheidung überhaupt, in der deutsche Politiker in Fällen, die für Politiker auf der ganzen Welt immer schwierig sind – wenn es nämlich um Wählerstimmen in ihren eigenen Ländern geht –, anerkannt haben, daß die polnisch-deutschen Beziehungen etwas Wertvolles sind“, für das „es sich lohnt, die politische Unterstützung im eigenen Land zu riskieren“, bewertete Sikorski Merkels Nachgiebigkeit und Steinmeiers polenfreundliche Haltung.