WARSCHAU. Yitzak Arad, langjähriger Leiter der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem und eine der größten moralischen Autoritäten Israels, soll während des Zweiten Weltkriegs an Massenerschießungen im besetzten Litauen beteiligt gewesen sein. Ein Ersuchen der litauischen Generalstaatsanwaltschaft, Arad zu verhören, ist vom Justizministerium in Jerusalem abgelehnt worden.
Wie die polnische Tageszeitung Rzeczpospolita berichtet, reagierte Israel ungewöhnlich scharf auf den litauischen Antrag. „Die israelischen Behörden halten das Ermittlungsverfahren gegen Arad für skandalös. Diesen Standpunkt haben wir der litauischen Regierung unmißverständlich mitgeteilt“, sagte ein Sprecher des Ministeriums.
Aus den Akten zur Person, zu denen Rzeczpospolita Zugang hatte, geht hervor, daß Arad ab 1943 in sowjetischen Partisaneneinheiten in der Wilnaer Gegend kämpfte, was der spätere israelische Armeegeneral auch nicht bestreitet. Dabei habe er sich an Raubzügen unter der Zivilbevölkerung beteiligt.
Grausame Aktionen gegen litauische Widerstandsbewegung
Ebenso soll Arad, der damals den Namen Rudnicki trug, in Dutzende Morde verwickelt gewesen sein, darunter auch an einem Offizier der polnischen Untergrundarmee AK. Bei der Einnahme des Gebietes durch die Rote Armee soll der damals 19jährige zum sowjetischen NKWD gekommen sein, wo er an grausamen Aktionen gegen die litauische Widerstandsbewegung teilgenommen habe.
Der frühere Chef von Yad Vashem, der während des Holocausts die Ermordung seiner ganzen Familie mitansehen mußte, wies im Gespräch mit der Rzeczpospolita alle Vorwürfe zurück. „Nein, niemals war ich in dieser Institution beschäftigt“, beschied er knapp die Frage nach einer Mitgliedschaft im NKWD.
Nach litauischen Angaben entspricht diese Aussage nicht der Wahrheit. „Aus den Dokumenten der Sicherheitsdienste der Litauischen Sowjetrepublik geht hervor, daß er bezahlter Mitarbeiter des NKWD war“, so Rytas Narvydas, Abteilungsleiter im Zentrum für Erforschung des Völkermords und der Widerstandsbewegung in Litauen. Narvydas trug für die Generalstaatsanwaltschaft das Beweismaterial gegen Arad zusammen.
Mögliche Beteiligung an Kriegsverbrechen
Auf die Spur von Arads Vergangenheit waren die Behörden allerdings durch die auszugsweise Veröffentlichung von dessen Tagebuch gekommen, in dem der Israeli die Kämpfe der Partisanen gegen die Nazis und litauische Kollaborateure beschrieb. Die Passagen belegten die mögliche Beteiligung des heute 82jährigen an Kriegsverbrechen gegen die Zivilbevölkerung und Polizisten.
Ein Ermittlungsverfahren nach Paragraph 99 und 101 des litauischen Strafgesetzbuches wurde im Juni 2007 eingeleitet – wegen Beteiligung am Völkermord.