WARSCHAU. Laut Nachwahlbefragungen des Meinungsforschungsinstituts Ipsos hat die langjährige polnische Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) bei den Parlamentswahlen in Polen keine regierungsfähige Mehrheit mehr erlangt. Hochrechnungen liegen bisher nicht vor. Das Endergebnis wird für den heutigen Montag oder Dienstag erwartet.
Die rechte PiS liegt zwar mit 36,8 Prozent der Stimmen vorne. Das Bündnis Bürgerkoalition KO unter der Führung der Partei Bürgerplattform (PO) von Ex-EU-Ratspräsident Donald Tusk erreicht demnach lediglich 31,6 Prozent, könnte aber mit dem Bündnis der Vereinigten Linken („Lewica“) um die postkommunistische SLD (8,6 Prozent) und dem Dritten Weg (13 Prozent) eine Regierung bilden. Zusammen kämen sie auf 248 Sitze.
PiS auch mit Konföderationspartei ohne Mehrheit
Die PiS und die noch rechts von ihr positionierte Konföderationspartei (6,2 Prozent) würden nach derzeitigem Stand zusammen auf 212 Sitze kommen.
Was bedeutet nach dem konfrontativen Wahlgang ein möglicher Regierungswechsel? Donald Tusk, dessen Partei auf europäischer Ebene der EVP mit CDU und CSU angehört, würde Ministerpräsident. Von 2014 bis 2019 war er Präsident des Europäischen Rates und bereits von 2007 bis 2014 polnischer Ministerpräsident. Der 66jährige hat angekündigt, einen radikalen Kurswechsel in der EU-Politik vorzunehmen.
Verliert Ungarn mit Polen seinen Partner?
Damit würde Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán auf europäischer Ebene seinen wichtigsten Partner verlieren. Denn gemeinsam haben sich beide Länder bisher gegen die EU-Migrationspolitik gestemmt und sich geweigert, dem Verteilerschlüssel zuzustimmen.
So haben Polen und Ungarn verhindert, daß sie hunderttausende Asylbewerber aus dem arabischen Raum aufnehmen müssen. Ukraine-Flüchtlingen geben die beiden Länder dagegen großzügige Aufnahme. Allein in Polen mit 37,75 Millionen Einwohner leben jetzt rund eine Million Ukrainer.
Polen liegt auch wegen der Justizreform mit Brüssel über Kreuz. Die EU behält deswegen immer noch die Corona-Hilfen in Höhe von 36 Milliarden Euro zurück und hat das Land über den Europäischen Gerichtshof zu Strafzahlungen verurteilt. (fh)
