Anzeige
Anzeige

Arabische Revolution: Libysches Bürgerkriegstagebuch XXII

Arabische Revolution: Libysches Bürgerkriegstagebuch XXII

Arabische Revolution: Libysches Bürgerkriegstagebuch XXII

4klein
4klein
Arabische Revolution
 

Libysches Bürgerkriegstagebuch XXII

Der libysche Bürgerkrieg wird nicht nur in Bengasi oder Misrata an der Mittelmeerküste ausgefochten. Im Landesinnern kämpfen unterschiedliche Stämme in Wüstenstädten wie Kufra und Rebianah gegeneinander. Mittendrin befindet sich unser JF-Reporter. Aus der Sahara berichtet Billy Six.
Anzeige

4_02
Abwarten und Tee trinken – ein Angehöriger der Tobou-Miliz wartet mit seinen Panzerbüchsen auf die Abfahrt Richtung Westen (Rebianah)
1_16
Die eine Hälfte der Tobou Kufrahs lebt in Blech- und Lehmhütten – „Und schuld ist Gaddafi“, sagt der andere Teil, der es besser hat (Al Kufrah)
3_08
Der Autor zu Besuch im Hauptquartier von Ahmed Scharif in Al Kufrah Alle Fotos: Bilx Six

Rebianah, 18. August

Endlich! Trotz des Krieges: Ein wenig Romantik. Wie funkelnde Diamanten kleben die Sterne am nächtlichen Himmelsfirnament. Eine rotglühende Sternschnuppe rauscht vorüber. Für derartige Anblicke muß ein weiter Weg zurückgelegt werden. Sehr weit. Mitten in die menschenleere Sahara Libyens. 1.000 Kilometer südlich der Oppositionshochburg Bengasi liegt die Palmen-Oase Rebianah. 3.000 Menschen leben hier, dichtgedrängt von den bedrohlichen Sanddünen – und derzeit ohne Strom. Es stellt sich die Frage, wieso Geländewagen und Laster der Aufständischen sich ausgerechnet hier sammeln.

Das Dutzend Bewaffnete gehört zum Volk der Tobou. Auf 350.000 Menschen wird diese Gemeinschaft geschätzt – grenzübergreifend, in Libyen, Tschad und Niger haben sie ihr Zuhause. Seit der Februar-Revolution befinden sie sich im Krieg gegen Muammar al Gaddafi. „Wir werfen ihm vor, daß er über Jahrzehnte unsere Kultur zu zerstören versuchte. Wir mussten Araber werden oder am Rande der Gesellschaft leben“, sagt Idris Mousa al Tobawieh. Der 51jährige, mit traditionellem Namen Bannai Tobawieh genannt, ist Anführer der Gruppe „Märtyrer Ahmed Scharif“.

Schwerer Schlag für die Regierung in Tripolis

Hier zwischen Lehmhütten und Dattelpalmen bereitet eine Vorhut eine Unterstützungsmission für die Brüder im südwestlichen Fessan vor. 800 Kilometer Luftlinie Entfernung, dazwischen keine Menschenseele. Tobou-Milizen haben im anderen Landesteil die Oase Gatroun und den Militärflughafen Al Wyg unter ihre Kontrolle gebracht – und damit auch den Durchgangsverkehr Richtung Niger. Ein schwerer Schlag für die Regierung in Tripolis, die seitdem erfolglos immer wieder zu Gegenangriffen ansetze.

Aber selbst in der Fessan-Hauptstadt Sabha, einer der Bastionen von Muammar al Gaddafi, brodelt es. In Nacht-und-Nebel-Aktionen kommt es dort immer wieder zu Feuergefechten zwischen Gaddafi-Anhängern und -Gegnern. Die westlichen Medien nehmen von den Vorgängen, so fern der Mittelmeer-Küste, keine Notiz. „Aber“, so gibt ein Rebellenführer ehrlich zu, „wir haben in der Metropole einen schlechten Stand“. Die Klans der Gaddaffa, Magarha, Warfalla und Hassauna stünden hinter dem „Revolutionsführer“.    

Selbstkritische Worte. Eine Seltenheit bei den libyschen Rebellen. „Wir sind eben anders.“ Einem Nordafrikaner, der Beethoven und Bach lauscht, glaubt man dies gerne. In der Hauptkeimzelle des Wüsten-Widerstands, Al Kufrah, 120 Kilometer östlich von Rebianah gelegen, arbeiten ihnen sogar einige der sonst verfeindeten Sway zu. Das sind Araber, und die stellen die Mehrheit in den Kufrah-Oasen. In der Vergangenheit gab es jedes Jahr Tote durch Straßenkämpfe zwischen beiden Gruppen. Die Polizei habe immer zugunsten der Sway eingegriffen, ist von beiden Seiten zu hören. Doch im Moment ist wie durch ein Wunder zumindest an dieser Front Ruhe.

„Wir sind gute Moslems“

Die jungen Freiwilligen lächeln. Dank ihrer „Obama-farbenen“ Haut glänzen die Zähne um so weißer im Sonnenlicht. Barack Obama – den Vergleich mögen sie hier. Der Westen ist bei ihnen angesehen. Einige sprechen Englisch oder Französisch. „Überhaupt, wir sind keine echten Afrikaner“, gibt der alte Mahmoud al Tobawieh, ein Aufseher im weißen Dschalabija, zu bedenken. „Zwar sind wir gute Moslems – aber unsere Wurzeln sind die gleichen wie jene der Tigray von Äthiopien oder der Tutsi von Ruanda. Der antike Nahe Osten.“ Die Abneigung gegenüber Juden, wie überall in Arabien anzutreffen, ist den Tobou fremd. „Wir würden uns freuen, Nachkommen der alten Stämme Israels zu sein. Wir haben kein Problem mit dem Judenstaat, dort herrscht wenigstens Freiheit“, sagt Mahmoud nachdenklich. „Jerusalem ist ihre Hauptstadt, es steht im Koran geschrieben – aber unsere arabischen Freunde verstehen ihre eigenen Bücher nicht.“

Anzeige
Anzeige

Der nächste Beitrag

ähnliche Themen
Hierfür wurden keine ähnlichen Themen gefunden.