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Unzeitgemäßer Putsch

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Am letzten Sonntag im Juni stürmten Soldaten den Präsidentenpalast in Honduras’ Hauptstadt Tegucigalpa, nahmen den 2006 gewählten Präsidenten José Manuel Zelaya Rosales fest und flogen ihn mit einer Militärmaschine in das eine Flugstunde entfernte Costa Rica aus. Dieser zunächst unblutige Staatsstreich im Morgengrauen rief sowohl Befürworter als auch Gegner auf den Plan. Es folgten Demonstrationen in der Hauptstadt sowie im industriell geprägten San Pedro Sula und weiteren Orten in der Provinz. Drei große Gewerkschaften riefen einen Generalstreik aus. Wer annahm, daß dieser Coup nach bekanntem südamerikanischen Muster ablief, stellte alsbald fest, daß diesmal Rollen anders verteilt sind.

Daß die EU-Staaten, die Uno und die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) diesen Putsch einmütig verurteilten, überraschte nicht. Doch auch aus Washington waren völlig neue Töne zu hören: Barack Obama warnte vor einem „schrecklichen Präzedenzfall“ und einem „Rückfall in die Ära der Militärputsche“. Außenministerin Hillary Clinton und Emissäre des Pentagon sollen in den Wochen zuvor sogar versucht haben, das traditionell US-freundliche Militär von seinen Staatsstreichplänen abzubringen. George W. Bush hatte der letztlich gescheiterten Militärrevolte gegen den venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez im Frühjahr 2002 noch ungeniert Beifall gezollt.

Zunächst unbeeindruckt zeigte sich Roberto Micheletti Bain, seit 2006 Parlamentspräsident und von diesem am 28. Juni zum Interimspräsidenten proklamiert. Seine gegen Zelaya erhobenen Vorwürfe trägt der italienischstämmige Unternehmer mit verbaler Militanz vor: So bezichtigt er seinen Amtsvorgänger und Parteifreund (beide sind Mitglied der liberalen PLH) des Vaterlandsverrats, Autoritätsmißbrauchs, Korruptionsvergehen und bringt ihn sogar in Verbindung mit dem internationalen Rauschgifthandel. Auf insgesamt 18 summieren sich die seitens der honduranischen Justizbehörden erhobenen Delikte. Bei Betreten des Landes droht „Mel“ Zelaya die sofortige Verhaftung.

Dabei hat die mittelamerikanische Tropenrepublik eigentlich andere Sorgen. Honduras, etwa so groß wie die Ex-DDR, hat eine rasant wachsende 7,7-Millionen-Bevölkerung (fast ausschließlich Mestizen), die Mehrheit zählt zu den Ärmsten Lateinamerikas. Da überrascht es nicht, wenn Zelaya sich etwa die Anhebung des Mindestlohns auf die Fahne schreibt. Während die Opposition bei der Bekämpfung jugendlicher Straßenbanden auf die Todesstrafe setzt, plädiert Zelaya für soziale Integration und die Verdopplung der Polizeikräfte.

Aber in einem Land, dessen konservatives Militär eine traditionell starke Stellung innehat – der „Tag der Streitkräfte“ (Día de las Fuerzas Armadas) am 21. Oktober wird als offizieller Feiertag begangen –, überschritt er eine Grenze, als er sich in allzu große Nähe des Linkspopulisten Chávez begab. Dieser hat 2004 die Bolivarianische Allianz für die Völker unseres Amerika (Alba) ins Leben gerufen. Alba bedeutet im Spanischen auch Morgendämmerung, und die Betonung auf „unser Amerika“ gibt einen Fingerzeig auf den Anspruch des Wegbereiters in Caracas. Der „Handelsvertrag der Völker“ soll als Gegengewicht zu dem von den USA initiierten Freihandelsabkommen Nafta fungieren. Über Alba gelangt etwa venezolanisches Öl zu Freundschaftspreisen an Kuba.

Der 56jährige Zelaya, ein Bauingenieur, der aus dem Unternehmerlager kommt, hatte 2005 die Wahl mit einem linksliberalen Programm gegen Porfirio Lobo Sosa von der rechten PNH gewonnen. 2008 führte er Honduras in die Alba. Dieser umstrittene Schritt gilt als eigentliches Putschmotiv. Zelaya unterstrich zudem seine Verbundenheit zum kommunistischen Kuba. Im März besuchte er den Máximo Líder Fidel Castro auf der Zuckerinsel. Wie Chávez wollte nun auch Zelaya sich per Referendum mit einer Verfassungsreform eine weitere Amtszeit ermöglichen. Die gültige Verfassung sieht weder eine Wiederwahl vor, noch darf die Exekutive Volksbefragungen frei nach ihrem Gusto anberaumen. Ein Referendum muß vom Obersten Wahlgericht terminiert und überwacht wird. Neben dieser Institution hatten sowohl der Oberste Gerichtshof als auch das Parlament ihre Zustimmung versagt. An 25. Juni hatte Zelaya zudem Armeechef Romeo Vásquez Velásquez entlassen, da dieser die für den 28. Juni geplante (rechtlich aber nicht bindende) „Volksbefragung“ ablehnte. Das Militär hätte die notwendige Organisation übernehmen sollen.

Wenn Zelaya gegen die verfassungsmäßige Ordnung verstoßen hat, hätte er gemäß dieser durch ein ordentliches Amtsenthebungsverfahren entmachtet werden können. Doch er mußte brachialer Gewalt weichen, was einen eklatanten Mangel an demokratischem Verständnis offenbart. Daß Interimsaußenminister Enrique Ortez Colindres am Wochenende den Putsch-Kritiker Oba­ma als „Negrito“ (Negerlein) titulierte, das nicht einmal wisse, wo Tegucigalpa liege, dürfte die nun in Washington geplanten Verhandlungen kaum erleichtern. Hillary Clinton soll am Sitz der OAS zwischen Zelaya und Micheletti vermitteln. Eine Vorverlegung der regulär am 29. November anstehenden Präsidentenwahl und eine Volksabstimmung über eine Rückkehr Zelayas ins Amt waren am Wochenende im Gespräch.

Vielleicht nimmt man sich künftig auch an Zelayas Kurzzeit-Exil Costa Rica ein Beispiel. Dieses pazifistische Land kommt seit mehr als einem halben Jahrhundert ohne Militär aus. Dessen Präsident Óscar Arias Sánchez erhielt 1987 den Friedensnobelpreis für sein Wirken zur Herstellung eines dauerhaften Friedens in Mittelamerika. Sein Verhandlungsgeschick und direkter Zugang zu OAS-Generalsekretär José Miguel Insulza prädestinierten ihn zum idealen Vermittler.

Foto: Zelaya-Anhänger vor Militär: Proteste der armen Bevölkerung

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