Im vergangenen Jahr betrug der Anteil der Straftaten mit legalen Waffen an der Gesamtzahl der Delikte mit Schußwaffen 0,3 Prozent. Dennoch hat der Amoklauf in Winnenden vom 11. März eine öffentliche Diskussion über eine erneute Verschärfung des Waffenrechts in Gang gesetzt. Insbesondere die Grünen und die Linkspartei haben ein neues Wahlkampfthema entdeckt, und die Große Koalition will noch vor der Bundestagswahl eine Novellierung des Waffengesetzes beschließen.
Zu den wesentlichen Forderungen der Befürworter einer Verschärfung des Waffenrechts gehören das generelle Verbot der Unterbringung von Waffen und Munition in Privatwohnungen und deren Sicherung durch biometrische Daten. Die waffenrechtliche Erlaubnis soll an die Einverständniserklärung zu unangekündigten Wohnungskontrollen gekoppelt, der Erwerb von Waffen und Munition limitiert und ein zentrales Waffenregister geschaffen werden. Zudem gibt es Forderungen, „Paintball“-Veranstaltungen künftig zu verbieten und sämtliche Großkaliberwaffen aus dem Verkehr zu ziehen.
Nicht nur nach Meinung des Waffenexperten der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Wolfgang Dicke, ist allerdings das Waffengesetz schon bisher sehr restriktiv. Wenn ein Wasserhahn zugedreht sei, könne man ihn nicht noch weiter zudrehen. Eine Verschärfung des Waffenrechts als Reaktion auf die Tat in Winnenden sei daher „Ausdruck purer Hilflosigkeit“. Betrachtet man die Forderungen im einzelnen, erscheint es tatsächlich mehr als fraglich, ob hierdurch die allgemeine Sicherheit erhöht werden kann.
Die Forderung nach einer zentralen Unterbringung von Waffen auf dem Gelände des Schützenvereins und einem generellen Lagerungsverbot in Privathaushalten ist alleine schon deswegen geradezu kontraproduktiv, weil sich die Schießsportstätten in aller Regel am Rande oder außerhalb von bewohnten Ortschaften befinden. Durch einen Einbruch zu nächtlicher Stunde in unbewohnter Umgebung wird bei einer zentralen Lagerung auf dem Vereinsgelände zum einen das Risiko bei dem Versuch, unberechtigt an Waffen zu gelangen, beträchtlich minimiert. Zum anderen steht dann nicht mehr nur die Privatsammlung eines einzelnen Schützen, sondern sogar das Arsenal eines gesamten Vereins zur Verfügung. Und Nachlässigkeiten bei der Waffenaufbewahrung können bei einer zentralen Lagerung ebenso wie in Privatwohnungen dazu führen, daß unberechtigte Personen auch ohne Einbruch Zugriff erhalten.
Die technischen Möglichkeiten, Waffen zu blockieren und erst nach Abgleich mit dem Fingerabdruck des Inhabers zu entriegeln, werden bereits zu einem Preis von bis zu 500 Euro pro Waffe angeboten. Diese Systeme sind aber nach Angaben der Deutschen Versuchs- und Prüfanstalt für Jagd- und Sportwaffen (DEVA) für den praktischen Einsatz unbrauchbar. Schon kleinste Verletzungen des Hautreliefs würden zu einem Versagen des Systems führen.
Ein wesentliches Grundrecht des Rechtsstaates wird zur Disposition gestellt, wenn unangekündigten Wohnungskontrollen bei Waffenbesitzern Gesetzesrang erhalten sollten. Die Sicherheitsorgane dürfen sich bislang nur mit richterlichem Beschluß im begründeten Verdachtsfall Zutritt zur Privatwohnungen verschaffen, wenn Hinweise auf eine Straftat vorliegen. Ob das Grundrecht auf die Unverletzlichkeit der Wohnung nun für Waffeninhaber gleichsam unter der Annahme eines Generalverdachtes außer Kraft gesetzt werden kann, erscheint unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten mehr als bedenklich. Abgesehen davon kann doch jeder Schütze oder Jäger behaupten, er wollte seine Waffe gerade putzen oder reparieren, wenn sie tatsächlich bei einer Wohnungskontrolle nicht vorschriftsmäßig untergebracht aufgefunden werden sollte. Wer will das Gegenteil beweisen?
Der Schießsport umfaßt eine große Anzahl unterschiedlicher Disziplinen, die mit verschiedenen Waffenarten und unterschiedlichen Kalibern betrieben werden. Alleine 18 dieser verschiedenen Wettbewerbe werden bei den olympischen Spielen ausgetragen. Je nach Anzahl der Disziplinen benötigt der Sportschütze daher verschiedene Waffen und die dazugehörige Munition. Eine zahlenmäßige Begrenzung hätte somit zur Folge, daß der Sportschütze bestimmte Disziplinen schlichtweg nicht mehr schießen kann. Was diese Maßnahme für die Erhöhung der allgemeinen Sicherheit bringen soll, ist jedoch unklar. Selbst wenn die Begrenzung auf eine einzige Waffe festgesetzt würde, könnte auch diese in unbefugte Hände geraten.
Bislang sind die legalen Waffen dezentral bei den Ordnungsämtern angemeldet. Beim geplanten zentralen Register geht es darum, diese Meldungen an eine zentrale elektronische Datei weiterzugeben und somit in ihrer Gesamtheit zu erfassen. Ähnlich wie bei der Forderung nach einer zentralen Unterbringung der Waffen könnte sich ein zentrales Waffenregister als Bumerang erweisen: Wer sich unerlaubt Zugriff auf die Registerdaten verschafft und illegal an Waffen gelangen will, würde gleichsam wie in einer Schaufensterauslage das gesamte Arsenal von zehn Millionen legalen Waffen im ganzen Land vor sich haben. In Kenntnis der Aufbewahrungsorte kann dann anschließend ein Objekt gezielt ausgekundschaftet werden.
Die Forderung nach der Schaffung eines zentralen Waffenregisters ist teilweise auch mit unrealistischen Erwartungshaltungen verbunden. Grünen-Chefin Claudia Roth verspricht sich hiervon „einen wichtigen ersten Schritt zur effektiven Kontrolle von illegalen Schußwaffen bzw. des Schwarzmarktes von Schußwaffen“. Diese Ansicht muß nicht nur nach Meinung von Kriminalisten als schlichtweg absurd bezeichnet werden.
Sowohl beim Amoklauf in Winnenden als auch in Erfurt 2002 haben die Täter großkalibrige Pistolen verwendet. Es ist jedoch sehr fragwürdig, ob ein generelles Verbot dieser Waffen zukünftige vergleichbare Ereignisse zu verhindern vermag. Zahlreiche Beispiele haben gerade in letzter Zeit vor Augen geführt, daß der „Phantasie“ von Amokläufern bei der Auswahl ihrer Mittel keine Grenzen gesetzt sind: Samuraischwerter und Messer, Giftgas und Brandbeschleuniger zeigen, daß nicht die Waffe das eigentliche Problem darstellt, sondern die Psyche des Täters.
Amokläufer führen nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO bis zum Tatzeitpunkt ein völlig unauffälliges Leben. Sie drehen – meist ohne Vorwarnung – dann völlig durch, wenn sich Gefühle wie Demütigung, Eifersucht oder Zukunftsangst gleichsam wie in einem Kessel ohne Ventil so lange angestaut haben, bis sie für den Betroffenen unbeherrschbar werden.
Auch nach Ansicht von Generalbundesanwältin Monika Harms wird es daher „eine schlüssige Erfolgsformel zur Vermeidung solcher Ereignisse nicht geben können“– ob nun mit oder ohne Verschärfung des Waffenrechts.
Foto: Modernes Jagdgewehr: Fingerabdruck als Lösung?