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„Unsere Tradition und Kultur verteidigen“

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„Unsere Tradition und Kultur verteidigen“

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Die Lega verändert das Land“, erklärte Lega-Nord-Chef Umberto Bossi am Sonntag bei seiner Rede auf dem padanischen Volksfest in Venedig. Dort treffen sich alljährlich Zehntausende Lega-Anhänger, die für die Unabhängigkeit oder zumindest mehr Eigenständigkeit Norditaliens („Padanien“) kämpfen. Diesmal hatte Bossi, der seit dem Amtsantritt der neuen Regierung von Silvio Berlusconi wieder Reformminister ist, seine Aussage nicht übertrieben: Vorige Woche beschloß das Kabinett in Rom eine umfassende Reform des Föderalismus (Devolution).

Noch im September soll das Parlament das Gesetzpaket verabschieden, damit es 2009 in Kraft treten kann. Kernpunkt ist eine stärkere Finanzautonomie für die 106 italienischen Provinzen und 20 italienischen Regionen. Rom soll eine Sonderautonomie erhalten.

Auch in der Innenpolitik hat die im Ausland oft als „rechtsextrem“ titulierte Lega Nord einige Erfolge erzielt. So geht die Verschärfung des Straf- und Ausländerrechts maßgeblich auf die Initiative von Innenminister Roberto Maroni zurück (JF 34/08). Im Sommer sorgte der Lega-Vize europaweit für Aufsehen, als er gemeinsam mit Verteidigungsminister Ignazio La Russa den Armeeeinsatz für die innere Sicherheit durchsetzte.

Der Lega-Europaabgeordnete Mario Borghezio sorgte 2007 für Schlagzeilen, weil er nach einer Kundgebung gegen die Islamisierung Europas in Brüssel verhaftet wurde — die belgische Regierung mußte sich dafür in Rom offiziell entschuldigen. Kommenden Samstag soll Borghezio auf dem Anti-Islamisierungskongreß in Köln als einer der Hauptredner auftreten. Die JF sprach über diese und andere Themen mit dem Lega-Spitzenpolitiker Giancarlo Giorgetti.

Herr Giorgetti, Ihre Partei, die Lega Nord, ist zur drittstärksten politischen Kraft Italiens aufgestiegen — und das obwohl sie nur im Norden kandidiert hat. Was ist das Geheimnis Ihres Erfolges?

Giorgetti: Die Lega hat viel Zuspruch unter jungen Leuten geerntet, in den Städten und von den Linken: Ein Fünftel der kommunistischen Wähler sind zu uns gewechselt. Aber mit dieser Verdoppelung der Wählerstimmen von vier auf acht Prozent haben wir noch nicht einmal unser Maximum erreicht. Denn 1996 waren es zehn Prozent. Ich glaube, das ist landesweit unsere „natürliche Grenze“. Im Norden dagegen ist das potentielle Wählerreservoir der Lega etwa mit dem der CSU in Bayern zu vergleichen. Deshalb ist es unser Ziel, im Norden die führende Partei zu werden.

Im Ausland ist die Lega vor allem dafür bekannt, daß sie mit drastischen Worten der illegalen Einwanderung, der schleichenden Islamisierung und der ausufernden Kriminalität den Kampf angesagt hat. Ihre Regierung hat erste diesbezügliche Gesetze beschlossen. Aber ist diese EU-weite Entwicklung überhaupt noch mit nationalstaatlichen Mittel zu stoppen?

Giorgetti: Nein. Und Italien ist um so mehr auf eine gemeinsame Lösung angewiesen, als es in Sachen Einwanderung bekanntlich eine Frontstellung in Europa innehat. Andererseits gibt es natürlich nationale Bedingungen, die durchaus zu Einfluß ausüben: In Italien etwa hatten Zuwanderer viele Rechte, aber keine Pflichten. Vergangene Regierungen waren nicht in der Lage, diese Mißstände zu beseitigen.

Was wollen Sie tun?

Giorgetti: Wir wollen die Einwanderung verhindern, die nicht funktioniert: Ich meine damit Einwanderer, die sich nicht integrieren, die stehlen, betrügen, kein Zuhause haben. Das Bossi-Fini-Gesetz besagt, daß Einwanderer eine feste Perspektive auf Integration haben müssen, bevor sie kommen. In Italien hat keiner etwa dagegen, wenn zum Beispiel Filipinos hier Geld verdienen, um ihre Angehörigen zu Hause zu unterstützen. Was die Italiener aber fürchten, ist die islamische Einwanderung!

Immer mehr Entscheidungen werden in Brüssel getroffen — Sie kritisieren diese Entwicklung. Dabei profitiert Italien als Nettoempfänger von der EU-Mitgliedschaft.

Giorgetti: Italien ist Netto-Empfänger, das stimmt — aber nicht der Norden! Schuld daran sind die Verhältnisse im Süden. Ja, die Lega lehnt einen EU-Superstaat ab. Wir im Norden haben ja schon Vorbehalte gegenüber Rom — und nun soll über unsere Angelegenheiten im fernen Brüssel entschieden werden?

Die Lega Nord ist Anfang der neunziger Jahre aus Bürgerbewegungen entstanden, die einen unabhängigen norditalienischen Staat Padanien forderten. Was ist von diesem Ziel eigentlich geblieben?

Giorgetti: Man muß klarstellen: Padanien ist derzeit nicht mehr unsere Agenda. Heute setzen wir auf den Föderalismus: Wir hoffen, in spätestens fünf Jahren die italienische Verfassung föderalisiert zu haben. Andererseits: Unsere Partei heißt „Nordliga für die Unabhängigkeit Padaniens“. Aber heute haben wir keine Mehrheit für eine Unabhängigkeit, deshalb verfolgen wir das Ziel der Bundesstaatlichkeit. Doch die Unabhängigkeit ist ein Traum. Unsere direkten Anhänger teilen diesen Traum, aber nicht alle unsere Wähler.

Norditalien gehört zu den reichsten EU-Regionen. Warum wollen Sie dem armen Süden die Solidarität aufkündigen?

Giorgetti: Kleinere Unternehmer sind es, die uns stützen, aber auch Arbeiter — eben alle, die das System der Geldverschwendung im Süden ablehnen. Wir haben zum Beispiel viel Geld in den Süden geschickt, um das Müllproblem Neapels zu lösen. Aber dieses Geld ist versickert. Warum? Weil das Müllgeschäft dort in den Händen der Camorra ist. Egal, wer im Süden regiert — rechts oder links —, immer die gleichen Probleme. Als im 19. Jahrhundert Österreich noch Lombardo-Venetien regierte, funktionierte die Verwaltung besser als heute! Unsere Antwort ist: Selbstverwaltung. So funktionieren die Dinge besser.

Die postfaschistische Alleanza Nazionale (AN) ist inzwischen fast zu einer respektierten Partei geworden. Sie stellt mit Gianni Alemanno den römischen Bürgermeister. Der Lega wird hingegen weiter „Rechtsradikalismus“ vorgeworfen.

Giorgetti: Solche Vorwürfe sind Unsinn, wir stehen mitten im Volk! AN-Chef Gianfranco Fini versteht es allerdings mit den Journalisten umzugehen. Wir dagegen hatten nie eine geschickte Kommunikationspolitik. Wir fangen jetzt erst damit an. Und wer gegen Einwanderung und gegen die EU ist, der zieht den Zorn auf sich. Aber unsere Wähler kommen von der Rechten ebenso wie von der Linken.

Warum war Bossi nicht in der Lage, so mit den Medien umzugehen wie Fini und das Image der Lega aufzupolieren?

Giorgetti: Bossi ist ein charismatischer Führer, ein Vollblutpolitiker. Er ist kein Mann der Konferenzräume, der Talkshowstudios, all der Bühnen der Etablierten. Er gehört ins Volk, das ist seine Natur. Deshalb mögen die Leute ihn lieber als die Zunft der Journalisten.

Trotz aller Anfeindungen kann man die Situation der Lega dennoch nicht mit der einer deutschen oder französischen Rechtspartei vergleichen. Die Lega hat, wie auch die Kommunisten, eigene Fernseh- und Rundfunkprogramme, Presse, soziale Räume und einen gewissen Zugang zum Establishment. Unvorstellbar in Berlin, Brüssel oder Paris. Können Sie unseren deutschen Lesern dieses Lega-Nord-Universum mal etwas vor Augen führen?

Giorgetti: Radio-Padania, Tele-Padania, La Padania, unsere Zeitung, all das brauchen wir, weil die Medien in Italien nicht frei sind. Sie geben neuen Kräften keine echte Chance, deshalb mußten wir unsere eigenen Medien schaffen, um uns öffentlich darzustellen. Inzwischen umfaßt das Sendegebiet von Radio-Padania bereits die Hälfte des Nordens. Tele-Padania sendet zwei Stunden am Abend ein Fernsehprogramm. Sicher, heute sind wir an der Regierung und haben ganz andere Möglichkeiten der Selbstdarstellung als noch Mitte der neunziger Jahre. Aber wir brauchen diese Medien dennoch für die direkte Kommunikation mit unseren Anhängern.

Der Lega-Minister Roberto Calderoli mußte 2006 zurücktreten, weil er in einer Fernsehsendung ein Trikot mit einer Mohammed-Karikatur getragen hat und es daraufhin zu tödlichen Krawallen in der islamischen Welt gekommen ist. Wie beurteilen Sie den damaligen Fall?

Giorgetti: Die Mehrheit der Leute dachte folgendes: „Erstens: Der Mann hat recht. Zweitens: Aber es ist keine gute Idee, das so darzustellen.“ Man muß sich im klaren sein, daß die Leute einer Protestbewegung zwar zustimmen mögen, aber daß sie von einer ministrablen Gruppierung dann doch ein etwas anderes Verhalten erwarten.

Warum tritt speziell die Lega dem Islam so energisch entgegen?

Giorgetti: Weil wir unsere Tradition und unsere Kultur verteidigen. Wir erinnern uns an die Seeschlacht von Lepanto, als 1571 eine christliche, vor allem auch venetianische Flotte siegreich das Vordringen des Osmanischen Reiches im Mittelmeer stoppte.

Die Italiener erinnern sich an Lepanto?

Giorgetti: Der einfache Mann nicht, aber wir erinnern ihn daran. In der Haupthalle des Parlaments hing traditionell ein großes Gemälde der Schlacht. Aber als wir in einer Debatte an dieses Ereignis erinnert haben, entschied der damalige Parlamentspräsident, ein Kommunist, das Bild in einen anderen Raum hängen zu lassen. Begründung: Es könnte ausländischen Besuchern nicht gefallen. Heute bekämpft Europa die christlichen Serben zugunsten von Moslems und betreibt die Aufnahme der Türkei in die EU! Ist das nicht bizarr?

Berlusconi unterhält freundschaftliche Beziehungen zum Amtskollegen Erdoğan.

Giorgetti: Ja, wer für den Türkeibeitritt ist, der wählt Berlusconi, wer dagegen ist, der wählt uns.

 Lega und AN sind im EU-Parlament in der Rechtsfraktion „Union für ein Europa der Nationen“ (UEN) verbündet. Warum haben Sie sich nicht mit der FPÖ und dem Vlaams Belang, die ihnen politisch viel näher stehen, verbündet?

Giorgetti: Das weiß ich auch nicht. Erst waren wir in der Fraktion der Autonomisten, mit Basken, Katalanen, Schotten. Später hatten wir Kontakte zu Haider, bis die wieder abbrachen. 2007 sind wir Mitglied der UEN geworden, aber das heißt nicht, daß ich ein Problem mit Gruppen wie dem Vlaams Belang hätte. Mal sehen, wie die Lage nach den Europawahlen 2009 aussieht.

Giancarlo Giorgetti ist seit 2002 Chef der Lega in der Region Lombardei. Der 41jährige Wirtschaftsfachmann ist in der italienischen Abgeordnetenkammer derzeit Vizepräsident des auswärtigen Ausschusses und zuständig für die Beziehungen Italiens zur Nato.

Foto: Giorgetti beim JF-Interview: Lehnt einen EU-Superstaat ab

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