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Unbequeme Statistiken

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Die Zahl der statistisch erfaßten Gewalttaten mit rechtsextremistischem Hintergrund hat im Jahr 2007 gegenüber 2006 deutlich abgenommen. Dies geht aus den Angaben hervor, welche die Bundesregierung auf Anfrage der Linksfraktion monatlich zur Entwicklung rechtsextremistischer und rassistischer Gewalt vorlegt. Nach dieser vorläufigen Gesamtschau wurden 2007 insgesamt 10.935 Delikte in der Kategorie „Politisch motivierte Kriminalität – rechts“ erfaßt. 2006 waren es zum gleichen Zeitpunkt 12.240. Dies entspricht einem Rückgang um fast elf Prozent. Auch 2007 stellen die meisten Straftaten mit mutmaßlich rechtsextremistischem Hintergrund Propagandadelikte dar, wie etwa das Zeigen verfassungsfeindlicher Symbole. Als unmittelbare Gewalttaten wider Leib und Leben wurden 642 Delikte eingestuft. 2006 lag diese Zahl bei 726, was einem Rückgang von 11,5 Prozent entspricht. Zwar haben diese Angaben nur vorläufigen Charakter, da sie auf den zusammenaddierten Monatsberichten der Polizeibehörden der Bundesländer beruhen, welche erst später durch Nachmeldungen ergänzt werden. Aufgrund dieser Tatsache stieg die Gesamtzahl der offiziell erfaßten Delikte 2006 bis zum Bericht des Bundesinnenministeriums im Mai 2007 noch von 12.240 auf 18.142; die Zahl der Gewalttaten von 726 auf 1115. Allerdings geben die vorläufigen Zahlen bereits einen Trend vor, da sie zum einen auf gleicher Grundlage erhoben wurden und ferner eine gravierende Veränderung des Gesamtbildes nur aufgrund prozentual stark gestiegener oder gesunkener Nachmeldungen möglich wäre, was aber – wie der Vergleich mit den Angaben der früheren Jahre zeigt – relativ unwahrscheinlich ist. Dagegen kann sich das Ausmaß, in dem die erfaßten Straftaten zurückgegangen sind, durchaus noch deutlich wandeln. Aus Vorsicht gibt das Bundesinnenministerium bislang jedoch an, noch könne „nicht auf einen tatsächlichen Rückgang der politisch rechts motivierten Kriminalität geschlossen werden“. Die Entwicklung deutete sich bereits aus den Halbjahreszahlen von 2007 an, die im August vergangenen Jahres von der Bundesregierung präsentiert worden waren. Danach wurden von Januar bis Juni 2007 insgesamt 5.321 Delikte dem Bereich „Politisch motivierte Kriminalität – rechts“ zugeordnet, davon 339 Gewalttaten. Die meisten dieser Gewalttaten wurden in Niedersachsen registriert (58), danach folgten mit deutlichem Abstand Sachsen (39), Nordrhein-Westfalen (36) und Berlin (34). Der generelle Trend spiegelt sich auch in den Angaben wider, die von Organisationen für Opfer rechter Gewalt selbst erhoben werden. Erfahrungsgemäß gehen deren inoffizielle Statistiken von weit höheren Angaben aus. Aber auch einige dieser Initiativen wiesen bereits auf einen starken Rückgang rechtsextremer Gewalttaten im vergangenen Jahr hin, etwa „Reach Out“ in Berlin. Die Einrichtung registrierte 112 rechtsextremistische und rassistische Übergriffe in der Hauptstadt – gegenüber 166 im Vorjahr. Andere Opferorganisationen meinen dagegen, ein gegenläufiges Bild zu erkennen. So hatte der Vorsitzende des Vereines „Gesicht zeigen!“, Uwe-Karsten Heye, vor wenigen Wochen in einem Aufsatz „Jugendgewalt und politische Ignoranz“ bereits prophezeit, daß man 2007 „auf ein weiteres Rekordjahr von Straf- und Gewalttaten mit rechtsextremem Hintergrund zurückblicken“ werde. Nach Angaben der Opferberatung Amal in Sachsen und des Vereins RAA Sachsen hätten die rechtsextremen Angriffe 2007 im Freistaat „deutlich zugenommen“. Und auch die Mobile Beratung in Thüringen meldete im Januar, daß es im vergangenen Jahr in Thüringen „im Vergleich zum Vorjahr fast eine Verdoppelung“ gegeben habe. Als Erklärung für diese Gegensätze zu dem offiziellen Zahlenmaterial wird von Vertretern der Initiativen – neben dem Verweis auf die Vorläufigkeit des Datenmaterials – angeführt, daß möglicherweise die Zahlen aus einigen Ländern „gefälscht“ sein könnten. So seien insbesondere die Angaben aus Sachsen-Anhalt und Thüringen nur mit großer Vorsicht zu betrachten. In Sachsen-Anhalt war im Sommer des vergangenen Jahres bekannt geworden, daß der Direktor des Landeskriminalamts (LKA), Frank Hüttemann, die Beamten Ende 2006 angewiesen habe, Delikte mit einem zweifelhaften rechten Hintergrund, deren Täter nicht bekannt seien, als politisch uneindeutig einzuordnen. Dies betraf unter anderem Hakenkreuzschmierereien, die möglicherweise Kinder aus Gedankenlosigkeit oder zur Provokation anbrachten. Nachdem Hüttemann aus diesen Gründen unter massives Kreuzfeuer geraten war, trat er Ende November 2007 von seinem Amt zurück (JF 50/07). Der Innenminister von Sachsen-Anhalt, Holger Hövelmann (SPD), hatte bereits vorher „die Fehler Hüttemanns“ bedauert und eine umgehende Nachprüfung von etwa 200 Delikten angekündigt. Generell wird zur Erklärung des Rückgangs rechtsextremer Gewalt 2007 zudem von Organisationen wie „Gesicht zeigen!“ angeführt, daß sich Opfer rechter Gewalt häufiger nicht bei der Polizei melden und die Bevölkerung bei rechten Gewalttaten häufig wegsehen würde. Andererseits wies erst vor kurzem Björn von Swieykowski von der „Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus“ in Berlin bei seiner Interpretation der Zahlen der vergangenen Jahre darauf hin, daß – dank des verstärkten „bürgerschaftlichen Engagements“ und der Arbeit der Initiativen gegen Rechts „die Bevölkerung“ bei dieser Thematik deutlich „sensibler geworden“ sei: Es trauten sich inzwischen immer mehr Menschen, „rechte Schläger“ der Polizei oder Opferberatungen zu melden, so Swieykowski. Eine ähnliche Auffassung vertritt auch die Bezirksbürgermeisterin von Berlin- Lichtenberg, Christina Emmrich (Linkspartei), deren Stadtteil als Sammelpunkt der rechtsextremen Szene gilt. Die Leute informierten sich mehr als früher und reagierten bewußter auf die Versuche Rechtsextremer, Einfluß zu gewinnen, sagte Emmrich. Fotos: Schmierereien an einer Moschee in Lindau am Bodensee: Mehrheitlich Propagandadelikte

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