Wahlen in Schwarzafrika sind allzuoft ein undurchsichtiges Possenspiel. Nicht selten arten sie in ethnisch begründete Gewalttätigkeiten aus. Jeder versucht zu manipulieren, sofern er die Möglichkeit hat. Hat er diese nicht und unterliegt an den Urnen, bleibt bloß ohnmächtiger Protest. Die Auseinandersetzung verlagert sich endgültig auf die Straße und findet zumeist erst dann ein Ende, wenn auswärtige Mächte mit Zuckerbrot (zusätzliche Finanzspritzen) und Peitsche (Entzug von Entwicklungshilfe) eingreifen. Das völlig herabgewirtschaftete südafrikanische Simbabwe offenbart derzeit eine neue Facette des grotesken Machtgerangels. Die Opposition um ihren Bewerber Morgan Tsvangirai konnte die Parlaments- wie die Präsidentschaftswahl vom 29. März gegen den verhaßten 84jährigen Amtsinhaber Robert Mugabe und dessen Partei ZANU-PF offensichtlich gewinnen. Mugabe selbst hatte den Wahlgang allerdings bereits im vorhinein als „Zeitverschwendung“ bezeichnet, da er „niemals“ abtreten werde. Nach kurzem Schock begann er Gegenmaßnahmen einzuleiten und veranlaßte die Behörden dazu, die Stimmen in 23 Bezirken neu auszuzählen, sprich: die Ergebnisse zu verfälschen. Am 15. April deutete Tsvangirai gegenüber einem südafrikanischen Fernsehsender überraschend an, zu einer Stichwahl ums Präsidentenamt „unter internationaler Beobachtung“ bereit zu sein. Wie ist dieser Sinneswandel zu erklären? – Der oppositionellen Bewegung für einen demokratischen Wandel (MDC) fehlen offenbar die Machtmittel, um die sich an die Regentschaft klammernde Mugabe-Clique endgültig zu beseitigen. So wurde ein Aufruf zum Generalstreik von den Sicherheitskräften im Keim erstickt. Allerorten regiert die Angst – bei den Oppositionellen vor den Schergen des Regimes, bei den Machthabern um liebgewordene Privilegien und die eigene Gesundheit angesichts drohender Bestrafung ihrer Verbrechen. Letzteres führte dazu, daß die bereits in Auflösung befindlichen Gefolgsleute Mugabes, namentlich die Armeespitze und der Geheimdienst, ihre Reihen wieder geschlossen haben. Allerdings sind auch sie derzeit zu geschwächt, um die Auseinandersetzung nach vertrauter Art mit Gewalt zu entscheiden. Das Land – etwa von der Größe der Bundesrepublik Deutschland – war als Südrhodesien seit 1891 britische Kronkolonie. Unter dem weißen Premierminister Ian Smith erklärte es sich 1965 einseitig als unabhängig. Trotz des daraufhin folgenden internationalen Embargos einerseits und des von der Sowjetunion und China unterstützten schwarzen Guerillakriegs gegen die weiße Smith-Regierung andererseits galt das Land weiter als die „Kornkammer Afrikas“. Doch heute ist es völlig ausgelaugt. Während der auf die Unabhängigkeitserklärung von 1980 folgenden langen Regierungszeit des Schona-Häuptlings Robert Mugabe erlebte Simbabwe einen selbst im afrikanischen Vergleich beispiellosen Abstieg. Rund 4.000 weiße Großfarmer, die in den fruchtbaren Landesteilen als Motoren einer effektiven Landwirtschaft gewirkt hatten, wurden enteignet, umgebracht oder außer Landes getrieben. An ihre Stelle und die der bisherigen angelernten schwarzen Arbeiter kamen Angehörige der neuen sozialistischen Parteieliten, die von der Bewirtschaftung keine Ahnung hatten. Mehr als drei von vier Einwohnern Simbabwes sind nicht zuletzt deshalb arbeitslos geworden, die Inflation liegt bei unvorstellbaren 164.000 Prozent, eine neuerliche Dürre und Mißernten stehen bevor. Schon jetzt sind 5,8 von 12,7 Millionen Einwohnern Simbabwes auf Nahrungsmittelhilfen angewiesen. Die durchschnittliche Lebenserwartung ist in den letzten 15 Jahren von 61 auf 34 Jahre gesunken. Viele besser Qualifizierte wandern nach Botswana, Australien, in die USA oder nach Südafrika aus, wo es bereits annähernd drei Millionen Flüchtlinge aus dem nördlichen Nachbarland geben soll. Angesichts der erschreckenden Bilanz von Mugabes Terrorregime wünschen sich nicht wenige Schwarze die weißen Farmer zurück. Selbst das einst weltweit verschriene „Apartheidsregime“ unter den Premierministern Winston Field und Ian Smith erscheint rückblickend in differenziertem Licht. Zwar waren damals 95 Prozent der Schwarzen an Wahlen nicht beteiligt – was jedoch nicht an ihrer Hautfarbe lag, sondern vielmehr daran, daß die Ausübung des Stimmrechts an die Fähigkeit des Lesens und Schreibens sowie die Zahlung von Steuern gebunden war. Nach anderthalb Jahrzehnten relativen Wohlstands führte der auch mit westlicher und sogar kirchlicher Unterstützung (JF 17/08) geführte siegreiche „Freiheitskampf“ letztendlich dazu, daß im Nachfolgestaat Simbabwe die von den Weißen unterdrückten, aber althergebrachen Stammesrivalitäten wieder voll entbrannten. Es traten wieder regelmäßig Hungersnöte auf, Kriminalität und Korruption entwickelten sich zu den wichtigsten Wachstumsfaktoren. Nur die großangelegte Entwicklungshilfe aus Deutschland und anderen westlichen Staaten verhinderte lange Zeit den totalen Wirtschaftskollaps. Trotz aller Gegenwehr Mugabes und seiner Getreuen scheinen die Tage ihrer Regierung gezählt. Zwar halten Südafrikas Präsident Thabo Mbeki und die Volksrepublik China dem Despoten noch die Treue, doch ansonsten wird der internationale Druck immer stärker. Simbabwe stehen schwierige Wochen und Monate bevor, in denen den verarmten Massen aber ein Trost bleibt: Nach einem Machtwechsel kann es für sie eigentlich nur besser werden.