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„Wir müssen Geduld haben“

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Wir wollen, daß Südamerika für immer eine Region des Friedens ist, die bei der Lösung der Wirtschaftsprobleme seiner historisch im Stich gelassenen Mehrheit zusammenarbeitet“, erklärte der bolivianische Präsident Evo Morales letzten Samstag auf dem Gipfeltreffen der Gemeinschaft der Nationen Südamerikas (CSN) in Cochabamba. Der Linkssozialist rief dazu auf, „die offenen Adern Lateinamerikas zu schließen“. Deshalb soll die 2004 in Peru gegründete CSN (JF 1/05) nach dem Vorbild der EU ihre politische und wirtschaftliche Integration vorantreiben. In Rio de Janeiro wird künftig eine Studiengruppe alle Möglichkeiten ausloten – bis hin zur Bildung eines gemeinsamen Parlaments für die insgesamt 360 Millionen Einwohner der CSN, die alle Staaten Südamerikas außer Französisch-Guayana umfaßt. Der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva war weniger euphorisch als sein Gastgeber: „Wir müssen Geduld haben“, mahnte der im Oktober wiedergewählte Linkspolitiker. „In Südamerika werden wir nicht wie Europa 50 Jahre für die Einheit brauchen.“ Die Diskussion über eine Südamerika-Union soll nun am Freitag fortgesetzt gesetzt werden, wenn die Staaten der Wirtschaftsgemeinschaft Mercosur (Brasilien, Argentinien, Venezuela, Paraguay und Uruguay) zu ihrem Treffen in Brasilia zusammenkommen. Ob die südamerikanische Einheit überhaupt kommt, ist mehr als fraglich; zu gegensätzlich sind die Länder und ihre Regierungen. Dem jüngsten CSN-Gipfel waren die Präsidenten Kolumbiens und Argentiniens, Álvaro Uribe Vélez und Néstor Kirchner, ferngeblieben. Auch der scheidende liberale ecuadorianische Präsident Luis Alfredo Palacio González war nicht nach Cochabamba gereist – sein linkspopulistischer Nachfolger Rafael Vicente Correa Delgado kommt erst im Januar ins Amt. Correas mutmaßliches Vorbild Hugo Rafael Chávez Frías ist vehement für die Südamerika-Union – und gleichzeitig wohl auch ein Haupthindernis dabei. Bei den Präsidentschaftswahlen am 3. Dezember in Venezuela wurde der 52jährige radikale US-Kritiker und Wortführer der Linken in Lateinamerika jetzt für weitere sechs Jahre im Amt bestätigt. Übrigens fast mit dem gleichen Ergebnis wie sein 54jähriger ideologischer Widerpart Uribe, der am 28. Mai von 62,2 Prozent der kolumbianischen Wähler ebenfalls eindrucksvoll im Amt bestätigt wurde. Ausschlaggebend für Chávez‘ Sieg dürften vor allem die massiven Sozialreformen und Umverteilungen gewesen sein, der Ausbau des Bildungs- sowie Gesundheitswesens – und sein populistisches Geschick. Der Erdölverkauf an USA finanziert den Bolivarismus Ideologische Basis von Chávez ist der am Marxismus orientierte „Bolivarismus“ – benannt nach dem südamerikanischen Freiheitshelden Simón Bolívar (1783-1830). Die zentralen Forderungen dieser von Chávez mitentwickelten Theorie wirken zunächst unspektakulär. Durch nationale Unabhängigkeit, politische Beteiligung der Bevölkerung mittels Volksentscheiden und Referenden, ökonomische Eigenständigkeit, die Etablierung einer „Ethik des Dienstes am Volk“, gerechte Verteilung der umfangreichen Erdöleinnahmen und Bekämpfung von Korruption soll der Wohlstand aller vergrößert werden. Bei näherem Hinsehen entpuppt sich der Bolivarismus als eine weitere sozialistische Theorie, welche sich nur marginal von ähnlichen Konstrukten unterscheidet. Der Bolivarismus ist daher unvereinbar nicht nur mit der liberalen Wirtschaftspolitik Uribes, auch das von Michelle Bachelet regierte Chile verfolgt – trotz sozialistischer Rhetorik – im Prinzip eine Politik à la Tony Blair. Doch im Gegensatz etwa zum sozialistischen Kuba (oder Chile bis 1973) ist Venezuela ein rohstoffreiches Land, das sich zumindest einige Wahlversprechen leisten kann. Denn trotz aller diplomatischen Scharmützel zwischen Caracas und Washington sind die USA Hauptempfänger des venezolanischen Erdöls – und damit ungewollt Finanzier des sich immer radikaler gebenden Linkspopulisten und US-Gegners Chávez. So waren nach dessen Wiederwahl aus Washington ungewöhnlich versöhnliche Töne zu hören. Ein Sprecher des US-Außenministeriums erklärte unlängst, man hoffe auf positive und konstruktive Beziehungen mit der Regierung in Caracas. Das überrascht nur auf den ersten Blick. Denn trotz aller ideologischer Abneigung haben die USA derzeit ganz andere Sorgen. Die Lage im Irak (und im ganzen Nahen Osten) sowie der „War on Terror“ binden nicht nur militärische, sondern auch finanzielle und planerische Ressourcen. Der Wahlsieg der Demokraten bei den Kongreßwahlen (JF 47/06) dürfte ein übriges tun, um den US-Kurs im Hinblick auf Venezuela zu entschärfen. Die Demokraten werden sich – angesichts der wachsenden Antikriegshaltung in großen Teilen der US-Bevölkerung – nicht auf eine weitere außenpolitische Kraftmeierei einlassen. Venezuelas Öllieferungen (die fünftgrößten der Welt) sind von immenser Wichtigkeit für die USA – Lieferengpässe würden die Wirtschaft enorm schädigen. Russische Großunternehmen investieren massiv im Land Zudem droht ein massiver US-Einflußverlust in Südamerika – China und auch Rußland sind hier auf dem Vormarsch. „Die vertrauensvollen Beziehungen zwischen den Präsidenten unserer beiden Staaten treiben die Kooperation in Handel, Wirtschaft, im militärtechnischen Bereich und auf weiteren Gebieten voran“, erklärte kürzlich der russische Botschafter in Caracas, Michail Orlowez. „Wir stehen vor der Aufgabe, die russisch-venezolanischen Beziehungen in allen Bereichen zu intensivieren.“ Russische Großunternehmen wie Gasprom, Lukoil und Sarubeschneftegas investieren bereits massiv in Venezuela. „Dafür müssen unsere Regierungen ein Abkommen über die gegenseitige Förderung und den Schutz der Investitionen abschließen“, so Orlowez. Um in dieser Konkurrenzsitua-tion nicht den kürzeren zu ziehen, muß Washington einen versöhnlichen Kurs fahren, um trotz aller Antipartie das Beste herauszuholen. Foto: Anhänger feiern den Wahlsieg von Präsident Chávez: „Die offenen Adern Lateinamerikas schließen“

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