Die EU-Polit-Nomenklatura hat in der finnischen Ratspräsidentschaft einen willfährigen Erfüllungsgehilfen gefunden. So erklärte Matti Vanhanen, Ministerpräsident und nunmehriger EU-Vorsitzender vor dem Europäischen Parlament, es erfülle ihn mit Zufriedenheit, daß die Aufnahmefähigkeit der EU nicht zu einem Beitrittskriterium geworden sei. Man müsse allen europäischen Ländern, die die Beitrittskriterien erfüllen, die Möglichkeit geben, beizutreten. Um seinen Worten auch Taten folgen zu lassen, will der Finne die Länder des westlichen Balkans in ihrer EU-Perspektive unterstützen. Denn die Erweiterung sei, so Vanhanen, eine „Erfolgsgeschichte“. Daß die letzte, überhastete Erweiterungsrunde die real existierende EU an den Rand ihrer Funktionsfähigkeit gebracht hat, erwähnte er freilich ebensowenig wie die immer unerträglicher werdende finanzielle Belastung der Nettozahler, die für den Erweiterungswahn die Zeche zahlen müssen. Bei der Fortsetzung des Erweiterungswahns werden für Finnland die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei im Mittelpunkt stehen. Von der Möglichkeit, die Verhandlungen abzubrechen oder zumindest auszusetzen, dürfte der finnische Ministerpräsident nicht Gebrauch machen, denn dies wäre für ihn eine „persönliche Niederlage“, wie er Ende Juni offen zugab. Voll des Lobes zeigte sich Vanhanen auch für ein weiteres Lieblingsprojekt der Eurokratie, die Wiederbelebung der vermeintlich toten EU-Verfassung. Rechtzeitig vor Übernahme des EU-Vorsitzes leitete die finnische Regierung das Regelwerk zur Ratifizierung an das Parlament weiter, um der Zentrale in Brüssel nur ja keinen Anlaß für einen Rüffel zu geben. Als besonders bedenklich bei den Vorhaben Helsinkis erweist sich die Verknüpfung von Erweiterung und EU-Verfassung mit der Globalisierung. Ohne Verfassung sei keine Erweiterung möglich und diese sei wiederum die „strategische Antwort Europas auf die Herausforderungen der Globalisierung“, lautet die Argumentation. Die berechtigten Sorgen der Bürger vor dem Verlust von Arbeitsplätzen oder vor einer Verschlechterung der sozialen Lage sollen also zum Anlaß genommen werden, um die vorhandene Ablehnung von Verfassung und Erweiterung zu neutralisieren. Wie sehr die EU selbst in den Diensten der Globalisierung steht, machen auch die Ausführungen Vanhanens deutlich, der die „Beschränkungen des effektiven Binnenmarkes“ kritisierte und im Gegenzug die Dienstleistungsrichtlinie lobte. Die EU soll also kein Staatenbund sein, der den Staaten und Völkern die Wahrung ihrer Identität gewährleistet, sondern ein großer Markt in Diensten internationaler Konzerne. Schließlich kündigte Vanhanen an, Rußland stärker in die europäische Zusammenarbeit einbinden zu wollen. Fraglich ist jedoch, ob er das Ziel einer „weit gefächerten Partnerschaft“ mit Moskau mit demselben Elan verfolgen wird wie den EU-Beitritt der Türkei. Für Europa jedenfalls ist – im Gegensatz zur Mitgliedschaft der islamisch-asiatischen Türkei – eine über wirtschaftliche Fragen hinausgehende strategische Partnerschaft mit Rußland von entscheidender Bedeutung, wenn es auf der globalen Bühne mehr als eine Statistenrolle spielen will. Andreas Mölzer ist Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung „Zur Zeit“ und seit 2004 FPÖ-Europaabgeordneter.
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