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Der nächste Aufruf kommt bestimmt

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Der nächste Aufruf kommt bestimmt

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Gerhard Schröders Aufruf zum „Aufstand der Anständigen“ klingt vielen noch in den Ohren. Das ist einige Jahre her, aber die Situation ist jetzt wieder da. Die NPD und ihr Treiben im sächsischen Landtag ist Gegenstand aller Nachrichten, und die politische Debatte in Berlin konzentriert sich darauf, wie man den Rechtsextremismus am besten bekämpfen kann. Schon träumt Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) von einem „breiten Bündnis gegen Rechts“. Die Inszenierung kommt gelegen. Politiker aller Bundestagsparteien diskutieren oder streiten darüber, was man am besten gegen den braunen Sumpf tun könne. Thierse zum Beispiel würde am liebsten die von der NPD am 8. Mai geplante Demonstration verbieten lassen. Die CSU wiederum fordert die Einführung einer Bannmeile rund um das Brandenburger Tor und den Reichstag, damit Demonstrationen dort grundsätzlich verboten wären. Das wollen aber SPD und Grüne nicht, was den CSU-Landesgruppenchef Michael Glos bereits zu der Äußerung reizte, die Koalitionsfraktionen würden wohl gerne Demonstranten mit roten Fahnen durchs Brandenburger Tor marschieren sehen, hätten aber nicht erwartet, daß auch andere das Demonstrationsrecht für sich ausnutzen könnten. Andere Politiker wie CSU-Generalsekretär Markus Söder wollen Staatsanwälten und Gerichten die Prüfung überlassen, was Abgeordnete im Parlament sagen dürfen und was nicht. Und wie gerufen kamen Interviews von Bundesverfassungsrichtern, durch die sich die Berliner Politiker aufgerufen fühlten, wieder an einen NPD-Verbotsantrag zu denken. Zur Erinnerung: Das erste Verfahren, das besonders von Innenminister Otto Schily (SPD) und seinem bayerischen Kollegen Günther Beckstein betrieben worden war, scheiterte, weil sich zu viele Verbindungsleute des Verfassungsschutzes in Reihen der NPD befanden. Das Verfassungsgericht wollte nicht mehr differenzieren, was Eigenleben und was staatlich gelenktes Handeln der NPD war, und wies den Antrag weit von sich. Die bürgerlichen Parteien standen blamiert da, die NPD triumphierte. Jetzt agiert man vorsichtiger. Bundespräsident Horst Köhler (CDU) sprach sich für die Prüfung eines neuen Verbotsantrages aus. Man muß sich das auf der Zunge zergehen lassen. Köhlers Äußerung besagt nämlich nur, daß er empfiehlt, die Sache untersuchen zu lassen. Was Köhler wirklich davon hält, sagte er nicht. Mehrere Ministerpräsidenten, darunter Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), zeigten sich offen für einen neuen Verbotsantrag, legten sich aber nicht eindeutig fest. Bei dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff (CDU) überwiegt die Skepsis, festlegen lassen wollte er sich aber auch nicht. Nur der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) und FDP-Chef Guido Westerwelle stellten sich strikt dagegen. Der Spielverderber kommt aus München So hätte die Diskussion noch wochenlang weitergehen können mit heftigem Streit über das Für und Wider, dem Vortragen von Bedenken und dem Ausräumen derselben. Man hätte Zeitungsspalten und Fernsehnachrichten gefüllt und wäre vielleicht zum krönenden Abschluß am 8. Mai in einem gemeinsamen Demonstrationszug aller Bundestagsfraktionen durch das Brandenburger Tor marschiert – Merkel und Müntefering an der Spitze und Festreden von Horst Köhler und Kanzler Schröder. An einen neuen Verbotsantrag traut man sich nicht ran. Der Spielverderber kommt aus München. Ex-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber meldete sich in erst in der Welt am Sonntag und kurz darauf im Münchner Merkur zu Wort und warf Schröder nahezu Ungeheuerliches vor. „Das ökonomische Versagen der Regierung Schröder, dieses Ausmaß an Arbeitslosigkeit, bildet den Nährboden für Extremisten“, sagte Stoiber in dem WamS-Interview. Während insbesondere der mitten im schleswig-holsteinischen Wahlkampf stehende CDU-Spitzenkandidat Peter Harry Carstensen sofort auf Distanz zu Stoiber ging, bekam der CSU-Chef von den CDU-Landesvorsitzenden in Brandenburg (Jörg Schönbohm) und Berlin (Joachim Zeller) Schützenhilfe. Für Rot-Grün war der Vorstoß des Bayern ein kommunikativer Super-Gau. Geht doch damit die schöne Rechnung nicht mehr auf, mit der NPD-Debatte wenigstens zum Teil von den fünf Millionen Arbeitslosen abzulenken.Im Gegenteil: Stoiber brachte beide Themenkomplexe in einen engen Zusammenhang. In der Tat ist es keine neue Erkenntnis, daß Unzufriedenheit, Enttäuschung und Hoffnungslosigkeit Kräften an den politischen Rändern Zulauf bringen können. Das erlebte die Weimarer Republik in mehrfacher Hinsicht: Die wirtschaftliche Lage und der von vielen als Schmach empfundene Versailler Vertrag gaben Extremisten starken Auftrieb. Zwar ist Berlin nicht Weimar, und der 2-plus-4-Vertrag, der Deutschlands heutige Grenzen besiegelt, spielt in der Debatte keine Rolle. Aber die wirtschaftliche Lage nähert sich der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg an. Das sagt kein anderer als Stoiber: Die Bundesrepublik stehe vor einer Situation, „wie Deutschland sie seit 1932 nicht mehr hatte“. Man muß allerdings hinzufügen, daß die Machtübernahme rechtsradikaler Kräfte nicht bevorsteht. Schröder, der SPD und den Grünen paßt die Debatte natürlich nicht. Sofort warnte ein Sprecher, Stoiber habe sich auf das „unterste Niveau“ begeben. Die Grünen nannten Stoibers Äußerungen „unanständig“, als ob sie die Moralwächter der Nation seien. Auch der Vorsitzende des Zentralrat der Juden, Paul Spiegel, nahm den Bundeskanzler sofort in Schutz. Stoibers Tat bestand darin, daß er der antifaschistischen, friedliebenden und multikulturellen politischen Elite der Bundesrepublik das Spiel verdorben hat. Statt moralische Entrüstung über braune Gestalten am Brandenburger Tor verbreiten zu können, müssen sich Schröder und Genossen für ihre Wirtschaftspolitik rechtfertigen. Die Tatsachen sprechen gegen Rot-Grün. Es gibt nur ein bescheidenes Wirtschaftswachstum, während die Arbeitslosigkeit steigt. Jeden Tag gehen in der Bundesrepublik eintausend sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze verloren. Die Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung stehen trotz aller Reformen vor der Pleite. Die Kinderarmut wird zum Untergang aller umlagefinanzierten Sozialversicherungssysteme führen. Schröders Gaukeleien sollen davon ablenken. Mal kämpft er für mehr Bildung, mal gegen Rechts, aber immer für sich und den Machterhalt.

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