Für Parteien, die weder im Bundestag noch in einem der Länderparlamente vertreten sind, endete Anfang dieser Woche die Frist, in welcher sie die für eine Teilnahme an der Wahl zum Europa-Parlament notwendigen 4.000 Unterstützer-Unterschriften beim Bundeswahlleiter einreichen mußten. Weil den Abgeordneten in Brüssel und Straßburg noch immer eine weitergehende Mitwirkung an Entscheidungen auf europäischer Ebene verwehrt bleibt, ist die Europawahl in erster Linie eine sogenannte „Denkzettel-Wahl“. Und genau damit erhält sie für die zumeist unter „Sonstige“ subsumierten Parteien eine spezifische Bedeutung: Bis zum 13. Juni können sie sich den Wahlberechtigten in Erinnerung rufen und von der Unzufriedenheit mit den etablierten Kräften profitieren; die Befürchtung, mit der „Protestwahl“ eine Stimme zu verschenken, ist damit nicht so ausschlaggebend wie auf nationaler Ebene. Nur die Republikaner hatten bereits EU-Abgeordnete Die notwendige Zahl von Unterschriften haben nach eigenen Angaben die Republikaner (REP), die Deutsche Partei (DP), die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP), die Deutsche Kommunistische Partei (DKP), die Nationaldemokratische Partei (NPD) sowie die Partei Bibeltreuer Christen (PBC) zusammenbekommen und mit den entsprechenden Wahllisten beim Bundeswahlleiter fristgerecht eingereicht. Auch die Bayernpartei (BP), die lediglich 2.000 Unterschriften benötigt, konnte diese einreichen. Die endgültige Bestätigung der Teilnahme erfolgt durch den Wahlleiter Anfang Mai. Die Partei Rechtsstaatlicher Offensive (Offensive D) wird wahrscheinlich nicht antreten können; nach Angaben ihres Pressesprechers Florian Gottschalk lag die Zahl der Unterschriften für die frühere „Schill-Partei“ am Montag noch unter dem nötigen Quorum. Ein endgültiges Ergebnis lag bis zum Redaktionsschluß nicht vor. Die Republikaner hatten als einzige der aufgezählten Parteien schon einmal Abgeordnete nach Brüssel und Straßburg entsandt, wobei ihre Fraktion damals schon bald zerbrach. In diesem Jahr möchte die Partei, die mittlerweile in keinem Landesparlament mehr vertreten ist, mit Ursula Winkelsett aus Nordrhein-Westfalen und dem Bundesvorsitzenden Rolf Schlierer an der Spitze einer 15 Kandidaten umfassenden Liste wieder ins EU-Parlament einziehen. Einem klaren Bekenntnis zu Europa setzen die REP ihre Ablehnung der derzeitigen Europäischen Union entgegen. Die Souveränität der Nationalstaaten dürfe nur dort aufgegeben werden, wo dies durch ihren begrenzten Einfluß notwendig sei. Insbesondere der Schutz der eigenen Grenzen obliege den Mitgliedsstaaten, wenn die Sicherung der EU-Außengrenzen unzureichend bleibe. Zum Kernbestand der einzelstaatlichen Entscheidungsfreiheit gehöre auch das Recht zum Austritt aus der EU. Über deren Erweiterung sowie die Verfassung müsse jeweils per Volksentscheid bestimmt werden. Die REP betonen zudem die gültigen „Grenzen Europas“ – sowohl kulturell als auch geographisch. Das schließt für die REP eine Mitgliedschaft der Türkei als islamischer Staat dauerhaft aus; ebenso lehnen sie den Beitritt von Polen und der Tschechischen Republik ab, solange diese sich nicht eindeutig von ihren Vertreibungsdekreten distanzieren. Die Rechte des Parlaments gegenüber der Kommission seien zu stärken und Deutsch als Amtssprache gleichberechtigt neben Englisch und Französisch zu etablieren, fordern die Republikaner. Inhaltlich weitgehende Überschneidungen mit diesem Programm weist das der Deutschen Partei auf. Auch die freiheitliche Gruppierung wendet sich gegen einen „Bundesstaat“ und für einen „Staatenbund“ Europa. Auf Platz eins der DP-Liste kandidiert deren Vorsitzender Heiner Kappel, gefolgt von Claudia Wiechmann, die früher die DVU-Abspaltung Freiheitliche Deutsche Volkspartei (FDVP) in Sachsen-Anhalt angeführt hatte. Wie die REP lehnt auch die DP eine überflüssige Einmischung der Brüsseler Bürokratie in die Angelegenheiten der Mitgliedsstaaten ab; der Grundsatz der Subsidiarität müsse gewahrt bleiben. Als Defizit gilt der freiheitlichen DP die Tatsache, daß die Deutschen weder über die EU-Erweiterung noch über die Einführung des Euro abstimmen durften; dies müsse im Falle der EU-Verfassung anders sein. Die DP fordert eine Senkung der deutschen Beitragszahlungen, stärkere Berücksichtigung der deutschen Sprache und mehr Eigenständigkeit gegenüber der US-Dominanz. Die ÖDP geht mit 107 Kandidaten aus dem gesamten Bundesgebiet ins Rennen um die Sitze im EU-Parlament. Ihr Bundesvorsitzender und Listenerster, der Münchner Physiker Klaus Buchner, plädiert für ein „ökologisches, demokratisches und friedfertiges Europa der Regionen“ und fordert, daß sich dies „auch in einer künftigen Verfassung widerspiegeln“ müsse. Nach dem Wunsch der Ökodemokraten soll die Entwicklung der Europäischen Union „von einer bloßen Wirtschaftsgemeinschaft hin zu einem föderalen Bundesstaat freier, sich vorrangig selbst regierender Völker, der auch die kulturellen, sprachlichen und wirtschaftlichen Eigenarten der einzelnen Regionen respektiert und fördert“, vonstatten gehen. Einen der Schwerpunkte setzt das Programm auf den Bereich der Landwirtschaft, die europaweit gentechnikfrei bleiben soll. Personell wird die Bedeutung dieser Forderung durch die Kandidatur von Cornelia Schmitt unterstrichen, die der Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft vorsteht. Auch die ÖDP möchte die künftige EU-Verfassung den Wählern zur Beschlußfassung vorlegen lassen und spricht sich für einen „Gottesbezug“ im Verfassungsentwurf ausdrücklich aus. Einen solchen sucht man freilich im Programm der Deutschen Kommunistischen Partei vergeblich, die sich mit 34 Kandidaten unter Führung des Bundesvorsitzenden Heinz Stehr zur Wahl stellt. „Die politischen Gegner unserer Wahlkampagne sind das Großkapital und deren Parteien, vor allem die CDU/CSU und FDP“, verkünden die Kommunisten freimütig. Doch auch SPD und Grüne kommen wegen einer ebensolchen neoliberalen Politik, die dem Interesse des Kapitals unterworfen sei, nicht besser weg. Die EU-Beschlüsse von Lissabon werden genau wie der Entwurf des Verfassungskonvents abgelehnt; der PDS wirft die DKP eine widersprüchliche Haltung vor. Von daher gesehen wird es auch im Spektrum links von Rot-Grün eine Aufsplitterung der Kräfte geben. Die „real existierende EU als Sachwalterin der Kapitalinteressen“ geißeln auch die Nationaldemokraten. Die Erweiterung von Nato und EU werde in erster Linie im Interesse der USA betrieben. Dem sollen sich nach dem Willen der NPD die „Völker Europas, die sich geographisch, ethnisch und kulturell als Einheit verstehen und zudem durch eine gemeinsame Zielsetzung verbunden sind“, entgegenstellen. Auch ohne christlichen Bezug wendet sich die NPD gegen einen EU-Beitritt der Türkei, hinter dessen Forcierung man ebenfalls geostrategische Interessen der Amerikaner sieht. Anstelle der Unterwerfung unter die Interessen des Marktes (mit der Folge von sozialer Verelendung in Europa) müsse Europa auf der Grundlage des Willens der Völker existieren, so die Nationaldemokraten. Die 23köpfige NPD-Liste führen ihr Bundesvorsitzender Udo Voigt sowie der ehemalige Vorsitzende der Jungen Nationaldemokraten, Holger Apfel, an. Auch der frühere NPD-Vorsitzende Günter Deckert tritt als Kandidat an. Bayernpartei will immer noch Eigenstaatlichkeit Bayerns Die Partei Bibeltreuer Christen tritt mit elf Kandidaten unter der Führung von Gerhard Heinzmann zur Europawahl an. An vorderster Stelle steht ihre Ablehnung einer Politik, die sich auf Humanismus und die „Vernunft der Menschen“ gründet. Daher verlangt die PBC den Bezug auf Gott oder „zumindest die jüdisch-christlichen Wurzeln“ als „Segen für Europa“ in einer zukünftigen EU-Verfassung. Die Bayerpartei setzt an die Spitze ihres Programms die (alte) Forderung nach Eigenstaatlichkeit und somit einer Einzelmitgliedschaft Bayerns in der EU. Als Begründung führt die Partei die Tatsache an, daß Bayern wirtschaftlich und sozial besser dasteht als Gesamtdeutschland und größer ist als viele andere Mitgliedsstaaten der Union. Für die Bayern hätte ein Ausscheiden aus der Bundesrepublik neben den finanziellen Entlastungen vor allem den Vorteil einer besser möglichen eigenen Willensbildung. Anstelle der Nationalstaaten sollen nach dem Willen der BP die Regionen politische Grundlage Europas sein. Für alle kleinen Parteien bedeutet ihr jeweiliges Abschneiden bei der Europawahl eine richtungsweisende Entscheidung für die Zukunft – vor allem in puncto Geld: Denn sollte die Erstattung von Wahlkampfkosten ab dem nächsten Jahr – wie von den Bundestagsparteien beschlossen – herabgesetzt werden (die jeweilige Partei muß in mindestens drei Ländern ein bestimmtes Quorum an Stimmen erzielen), droht einigen bei fehlendem Erfolg am 13. Juni das finanzielle und somit auch das politische Aus.