Der 13. Dezember 2003 – der Tag, an dem die EU-Verfassungskonferenz scheiterte – markiert einen Schlußpunkt und eine Wende in der Integration Europas. Die EU, so wie wir sie kennen, ist passé. Sie wird sich zwar nicht auflösen, sie kann durchaus als bürokratisches Monstrum weiterleben, aber sie wird nicht zu einem Faktor der Weltpolitik werden. Statt dessen wird schon 2004, zunächst in Umrissen, ein neuer Spieler auf die weltpolitischen Bühne treten: ein Kerneuropa, das sich um Deutschland und Frankreich gruppiert und in der Militär-, Außen- und Sicherheitspolitik ungleich enger zusammenarbeitet als der Rest Europas. Insofern agiert Kanzler Schröder richtig und instinktsicher, während die CDU/CSU seit dem Irak-Krieg konzeptionslos wirkt – sie hat nicht einmal einen überzeugenden außenpolitischen Sprecher vorzuweisen. Was steckt hinter der neuen Entwicklung? Erstens die Tatsache, daß sich die raison d’être der früheren EWG und späteren EG überlebt hat. Sie wurde nach dem Krieg erfunden, um den Amerikanern die Kontrolle Westeuropas und den Franzosen die Kontrolle Deutschlands zu erleichtern. Jetzt steht Westeuropa auf eigenen Beinen, und der alte deutsch-französische Antagonismus hat längst einer unverbrüchlichen Partnerschaft Platz gemacht. Zweitens geht es ums Geld. Es hat sich herausgestellt, daß die Nettozahler in der EU nicht mehr willens und nicht mehr in der Lage sind, den 100-Milliarden-Etat der Gemeinschaft weiter aufzustocken. Die Grenze der Belastbarkeit und der Umverteilung ist erreicht, nachdem Differenzen in der EU lange genug damit zugedeckt wurden, daß Helmut Kohl das Scheckbuch zückte. Drittens ist unübersehbar, daß die Interessen einer zu groß gewordenen EU nicht mehr deckungsgleich sind. Den Skandinaviern mißfällt das Demokratiedefizit in Brüssel, die Osteuropäer gerieren sich als Satelliten der USA, und Randstaaten wie Spanien und Irland sind primär an Subventionen interessiert, für die es keine vernünftige Begründung mehr gibt und die ersatzlos gestrichen werden müßten. Im Grunde krankt diese EU daran, daß sie etwas sein wollte, was sie nicht sein kann: eine Art von Bundesstaat. Nur als Bund souveräner Staaten ist sie überlebensfähig. Das wußte schon de Gaulle. Er war einer der großen europäischen Realpolitiker. Die deutsch-französische Entente, die heute auch geopolitisch das Zentrum Europas ausmacht, ist nichts anderes als die Neuauflage der gaullistischen Vision. Und die Polen? Sie haben sich überschätzt, sie sind dabei, sich selbst zu marginalisieren. Dr. Bruno Bandulet ist Herausgeber des Deutschlandbriefes und des Finanzdienstes G&M.
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