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„Man kann niemandem vertrauen“

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„Man kann niemandem vertrauen“

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In Namibia geht die Angst um. In der vergangenen Woche bekamen weiße Farmer, zumeist Deutsche und afrikaanssprachige Buren, einen Brief von der namibischen Regierung in Windhuk. Der Inhalt des Briefes, der viele überraschend traf, erschütterte die Empfänger. Der namibische Minister für Land, Umsiedlung und Rehabilitation, Hifikepunye Pohamba, fordert die Farmer auf, der Regierung binnen 14 Tagen ein Angebot zum Verkauf ihres Landes zu unterbreiten. Unverhohlen kündigt die Regierung an, nach Ablauf der Frist selbst einen Preis für eine Entschädigungszahlung festzusetzen, sollte kein Angebot eingehen. Zu den ersten Empfängern des Erpresserbriefes gehören Andreas und Hilde Renate Wiese, deren Lebenswerk nun in Gefahr ist. Ihre Farmen Ongombo West und Voigtskirch, im weiteren Umland Windhuks gelegen, haben zusammen eine Fläche von rund 4.000 Hektar. Seit Generationen trotzen die Wieses dem trockenen Land, das nach dem Südwesterlied „hart wie Kameldornholz“ ist, Erträge ab – trotz der sehr wechselvollen Geschichte des Landes. 1884 wurde das 823.000 Quadratkilometer große Gebiet als Deutsch-Südwestafrika Schutzgebiet des deutschen Kaiserreiches. 1920 erhielt die Südafrikanische Union das Land vom Völkerbund als Mandatsgebiet. 1963 wurde die South West African Peoples Organization (Swapo), die als Untergrundorganisation der Schwarzen für Unabhängigkeit und gegen die südafrikanische Apartheidspolitik kämpfte, von der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) offiziell anerkannt. 1966 entzog die Uno Südafrika das Völkerbunds-Mandat, 1968 erhielt Südwestafrika von der Uno den Namen Namibia. 1976 wurde die Swapo – die einen gewalttätigen bewaffneten Kampf führte – auch von der Uno-Vollversammlung zur „einzigen und authentischen Vertretung des namibischen Volkes“ erklärt. Dabei gibt es eigentlich gar kein „namibisches Volk“, sondern elf offiziell anerkannte ethnische Gruppen: Fast die Hälfte derBevölkerung sind die im Norden lebenden Ovambo, daneben gibt es Herero, Tswana, Bergdama, Nama und Buschmänner. Etwa sechs Prozent sind Weiße. Der 1977 von der „Turnhallenkonferenz“ beschlossene Verfassungsplan und die 1978 durchgeführten Wahlen wurden von der Swapo boykottiert. Die Swapo setzte ihren Untergrundkampf fort – offen unterstützt von Kuba. Die DDR und andere sozialistische Staaten leisteten indirekte und finanzielle Hilfe. Viele heutige Swapo-Kader wurden in der DDR ideologisch geschult. 1988 vereinbarten Südafrika, Kuba und Angola Wahlen für eine verfassungsgebende Versammlung, aus denen die Swapo 1989 mit 57 Prozent als stärkste Kraft hervorging. 1994 errang die Swapo eine Zweidrittelmehrheit, Präsident Sam Nujoma wurde im Amt bestätigt – er regiert bis heute. Üppig haben die deutschen Süd-Wester nie gelebt. Für das Luxusleben südafrikanischer Großbauern oder englischer Kolonialherren gab das Land nie genug her. Als letztes Jahr infolge einer Dürre ein Teil der schwarzen Landarbeiter entlassen werden mußte, kam es zu ersten Zusammenstößen mit der Regierung. Anstatt das Farmland zu räumen, errichteten einige Baracken in einem ausgetrockneten Flußbett in Sichtweite des eher bescheidenen Gutshauses. Durch politische Kontakte wurde Präsident Nujoma zu einem Ortstermin herbeigeholt. Ohne die Situation näher zu prüfen, kündigte er an, daß Ongombo West bald enteignet würde und der „Mißbrauch der Landarbeiter“ ein Ende haben solle. Ganz offenbar steht die jetzt angekündigte Enteignung im Zusammenhang mit den Vorfällen des letzten Jahres. Die Vermutung von Willkür und Protektion alter politischer Kampfgenossen durch die Regierung Nujoma drängt sich auf. Minister Pohamba weist in dem Brief an Hilde Wiese darauf hin, daß er das Recht habe, Land zu enteignen. Schließlich gehe es auch darum, „Land für die Belange der Bürger Namibias zu landwirtschaftlichen Zwecken zur Verfügung zu stellen, die sozial, ökonomisch oder bildungsmäßig durch die früheren diskriminierenden Gesetze und Gewohnheiten benachteiligt sind“. Wie Hohn klingt der Schlußsatz Pohambas: „Sie sind herzlich eingeladen, dem Staat ein Angebot über den Verkauf Ihres Grundes zu machen und in weitere Verhandlungen in dieser Sache einzutreten“. Der Brief läßt keinen Zweifel aufkommen, was den Wieses passieren wird, wenn sie der herzlichen Einladung nicht folgen. Tief verunsichert ist Hilde Wiese – und verbittert: „Man kann niemandem vertrauen“. Andreas und Hilde Wiese sind keine Einzelfälle. Unzählige Briefe gleichen Inhaltes wurden ohne nachvollziehbares System in der letzten Woche versandt. Der einzige erkennbare Hintergrund ist die Haltung der namibischen Regierung, ihre eigenen Versäumnisse beständig auf den Sündenbock weiße Farmer abzuschieben. Bisher konnte die Regierung einen beträchtlichen Anteil des Landes nach der Politik gegenseitigen Einverständnisses kaufen. Die Verkäufer waren Farmer, die für sich keine Zukunft in Namibia sahen. Mit jedem Kauf war der implizite Kauf von Wählerstimmen verbunden, konnten doch 38.000 Menschen von der Umverteilung profitieren. Doch die Zahl der willigen Verkäufer ist zurückgegangen. Die Regierung muß nun zu drastischeren Maßnahmen greifen: Weitere 250.000 Menschen haben Ansprüche auf Umsiedlung und Landzuwendung erhoben, die die Regierung zwar versprochen hat, aber offenbar auf legalem Wege nicht einhalten kann. In Namibia macht sich nun die Befürchtung breit, daß dem Land ähnliches bevorsteht wie Simbabwe. In der 24jährigen Regierungszeit des sozialistischen Präsidenten Robert Mugabe ist das einst lebensmittelexportierende ehemalige Südrhodesien zu einem Armenhaus geworden. „Simbabwische Verhätnisse“ wären nicht allein um des Eigentums und der Existenzgrundlage der Farmer willen problematisch. Es scheint wahrscheinlich, daß auf dem Land nach der Zerschlagung der Farmen in Einheiten à 20 Hektar kaum noch wirtschaftlich Erträge erzielt werden können – wenn es nicht gar durch die völlige fachliche Überforderung der Neueigentümer bezüglich der Erfordernisse der Landwirtschaft zu einer Verödung des Landes kommt, in deren Folge wie in Simbabwe eine Hungersnot stehen könnte. Gleichwohl: Die Swapo-Regierung wird selbst dann kaum politische Schäden davontragen – zu festgefahren sind die Stammesstrukturen, die die vermeintlich demokratischen Wahlen unabhängig von konkreten Erfolgen oder Mißerfolgen determinieren. Im immer noch vom Tribalismus beherrschten Namibia ist für den Wahlerfolg vor allem wichtig, Stammesoberhäupter zu alimentieren oder durch Hauruck-Aktionen zu beeindrucken. Die Frage nachhaltiger Politik ist noch stets von geringer Relevanz. In Deutschland werden die Vorgänge derweil mit weitgehender Kritiklosigkeit verfolgt. Das deutsche Entwicklungshilfeministerium sah sich nicht zu einer Erklärung über die Enteignungen in Namibia genötigt. Unverändert der deutsche Regierungskurs: „Namibia und Deutschland sind sich einig, daß die Landreform dazu beitragen kann, langfristig die Armut und Ungleichheit in Namibia zu beenden.“ Ob dies durch die Willkürmethoden der Swapo-Regierung erreicht werden kann, darf jedoch bezweifelt werden. Nichtsdestotrotz ist das kein Anlaß für Deutschland, seine Entwicklungspolitik von der Einhaltung menschenrechtlicher Mindeststandards abhängig zu machen, im Gegenteil: 23 Millionen Euro sind 2003/04 für Namibia vorgesehen. Der Betrag ist von Ministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) explizit auch zur weiteren Förderung der Landreform in Namibia bestimmt. Positiv zu diesem Thema steht auch die Opposition: Zwar kritisiert der entwicklungspolitische Sprecher der CDU-CSU-Fraktion, Christian Ruck, die derzeitige Enteignungspolitik als rechtsstaatlich unhaltbar. Dennoch fordert auch er Enteignungen, um den Hardlinern in Namibia Wind aus den Segeln zu nehmen. Wichtig sei lediglich, die „geplanten Enteignungsmaßnahmen in einem rechtmäßigen und sinnvollen Rahmen durchzuführen“. Es geht Ruck dabei nicht etwa darum, gemäß dem deutschen Grundgesetz darauf hinzuweisen, daß Enteignungen grundsätzlich einen Verstoß gegen Grundrechte darstellen, der überhaupt nur in äußerst seltenen Fällen zulässig ist. Ruck stellt nicht die Legitimität der Enteignungen in Frage, sondern nur deren konkrete Ausführung. Um das in Simbabwe entstandene Chaos zu vermeiden, solle zukünftig die „Auswahl der zu enteigneten Farmen sowie die Auswahl der begünstigten Neuansiedler auf zuvor eindeutig definierten und gesetzeskonformen Kriterien beruhen“. Statt ein eindeutiges Bekenntnis zur Unterstützung der Farmer in Namibia abzulegen, von denen immerhin ein nicht geringer Anteil nicht nur deutscher Herkunft, sondern auch deutsche Staatsangehörige sind, zu deren Schutz Deutschland verpflichtet wäre, verfolgt Ruck die gleiche Strategie wie die Regierung, wenn er seine Forderungen abschließt, die rot-grüne Bundesregierung sollte weiterhin „Namibia tatkräftig bei der Durchführung einer vernünftigen Agrarreform unterstützen“. Foto: Weißes Kind unter Afrikanern in Oshakati/Namibia: Die Zukunft der weißen Farmer ist ungewiß

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