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Denkzettel für zu Hause

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In Budapest fragt man sich nur noch, wie hoch die bürgerliche Opposition bei den Wahlen zum Europäischen Parlament gewinnen wird. Denn die regierenden Sozialisten (MSZP) kämpfen schon seit Monaten gegen ein anhaltendes Stimmungstief. Für die Wähler liegt Straßburg in weiter Ferne, so daß an den Urnen – ähnlich wie in den anderen Mitgliedsstaaten auch – vor allem die aktuelle Innenpolitik bewertet wird. Und die ist in Ungarn zur Zeit recht miserabel. Ministerpräsident Péter Medgyessy, einst Offizier „D-209“ bei der kommunistischen Staatssicherheit, hat mit seiner sozialistisch-linksliberalen Koalition sein Pulver verschossen und praktisch jedes Wahlversprechen gebrochen. Entgegen seinen Beteuerungen wurden die kontrollierten Energiepreise drastisch erhöht, der versprochene dringende Autobahnbau stockt, die Inflation bewegt sich wieder bei sieben Prozent, die bislang mit fünf Prozent geringe Arbeitslosigkeit nimmt zu. Die Opposition muß sich daher nicht besonders anstrengen, um bei dem Volk zu punkten, zumal die nationalen Parlamentswahlen 2002 denkbar knapp verloren wurden. Viktor Orbán, Ex-Ministerpräsident und unangefochtener Führer der Bürgerlichen, ist nach wie vor sehr populär, was seine Gegner besonders ärgert. Nach seiner Niederlage vor zwei Jahren zog er sich nicht in die Schmollecke zurück, sondern begann mit einem radikalen Umbau seiner Partei. Für jedes politische Thema wurde eine lose Unterabteilung mit einem verantwortlichen Vorsitzenden gegründet. Die Abteilungen werden in dem Ungarischen Bürgerlichen Bund (MPSZ) zusammengefaßt, zu dessen Chef man Orbán wählte. Aus den einstigen „Jungdemokraten“ (Fidesz), eigentlich ein Freundeskreis aus der Studienzeit, entstand so eine professionelle Partei mit dem Charakter einer Bewegung. Orbán hat es auch geschickt verstanden, nicht alles auf seine Person zu fixieren, von einer „Führerpartei“ à la Front National ist die MPSZ also weit entfernt. EU-Listenerster ist etwa der zweifache Olympiasieger im Fechten, Pál Schmitt, der zum liberalen Flügel gehört. Ungarns bürgerliche Rechte steht vor klarem Wahlsieg Die Struktur als „Bund“ hat es auch ermöglicht, die kleineren bürgerlichen Parteien zu integrieren, die inzwischen nicht mehr über die Fünf-Prozent Hürde kommen. So wurden Teile der Christdemokraten und der Kleinlandwirte geschluckt. Für die verbliebenen bürgerlichen „Rechten“ ist diese Tendenz bedrohlich. Allen voran das Ungarische Demokratische Forum (MDF), nach der Wende bis 1994 Regierungspartei, wehrt sich gegen die Integration. Um zu beweisen, daß man auch alleine überlebensfähig ist, hat die Parteivorsitzende Ibolya Dávid mit einer Abgrenzung zum MPSZ begonnen, die auch in den eigenen Reihen umstritten ist. Denn inzwischen attackiert die Ex-Justizministerin im Orbán-Kabinett ihren einstigen Brötchengeber und liebäugelt mit den Linken, in der Hoffnung, auch aus dem sozialistischen Lager Stimmen zu bekommen. Die Mühen scheinen vergeblich: Momentan steht das MDF in Meinungsumfragen bei 2,8 Prozent und dürfte damit keines der 24 Mandate in Straßburg bekommen. Das andere Häufchen der Renitenten ist die im Westen als böse „Radikale“ bekannte Ungarische Gerechtigkeitspartei MIÉP, die bei den letzten Wahlen aus dem Parlament gewählt wurde. Seit ihrem letzten Parteitag (JF 2/04) hat sich die MIÉP wieder gefaßt, aber ob sie ihren Listenführer, den reformierten Bischof Loránt Hegedüs, nach Straßburg entsenden wird, ist sehr ungewiß. Denn das Lager der „Radikalen“ ist inzwischen weiter zersplittert, und der MIÉP-Vorsitzende István Csurka (einst MDF-Mitglied) scheint an Integrationskraft zu verlieren. Ursache dafür sind menschliche Defizite, die man auch bei Le Pen beobachten kann. Beide Politiker, die nicht zufälligerweise befreundet sind, gehören in die Kategorie der „alten Rabauken“ – Csurka ist 70 Jahre alt! -, die lieber ihre Partei an die Wand fahren, als den Jüngeren das Steuer zu überlassen. Neben seiner Sturheit sehen viele Rechte Csurkas Realitätsverlust auch durch seine Lebensgefährtin Gizella Papolczy begründet. „Gizi“ scheint die Rolle einer Madame Pompadour zu spielen, die „dem Alten“ die Marschrichtung bläst. Bei dem Volksentscheid im vergangenen Jahr stimmten 17 Prozent der Magyaren gegen den EU Beitritt. Sollte die MIÉP am 13. Juni nicht wenigstens fünf Prozent aus diesem Potential schöpfen können, wäre sie in ihrer bisherigen Besetzung am Ende. Linkspopulisten als Ventil für die Verlierer des Reformkurs In der Slowakei wird es genau andersherum laufen, denn dort regiert eine bürgerliche Koalition, die sich durch einschneidende soziale Reformen unbeliebt gemacht hat. Die „Errungenschaften des Sozialismus“ im sozialen Sektor wurden radikal entrümpelt, was im Osten des Landes zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen führte (JF 11/04). Gleichzeitig gab es ein „Zuckerbrot“ in Form einer flat tax (einheitlicher Niedrigsteuersatz) von 19 Prozent für die Leistungsträger der Gesellschaft – die 19 Prozent Mehrwertsteuer belasten hingegen speziell die sozial Schwachen. Die Hauptstadt Preßburg gilt inzwischen als prosperierendes „Detroit Europas“. Trotzdem wackelt das christliberale Kabinett von Mikulas Dzurinda. Es wird vor allem von dem linkspopulistischen Heißsporn Róbert Fico unter Beschuß genommen, der seine politische Laufbahn bei der stalinistischen Staatspartei begann. 1999 sollte er Chef der Wendekommunisten werden, was aber alte Seilschaften verhinderten. Daraufhin gründete er seine eigene Partei Smer („Richtung“), die „eine Gruppierung politisch engagierter, junger und verantwortungsbewußter Menschen sein will, die die Politik als Arbeit und Dienstleistung betrachten, und nicht als Möglichkeit der Bereicherung“. Die Parole brachte dem selbsternannten künftigen Ministerpräsidenten Fico bei den Parlamentswahlen 2002 immerhin 13,4 Prozent ein. Smer wurde so zur drittstärksten Kraft und muß sich vorerst mit der Oppositionsbank begnügen. Der 39jährige Fico nennt als seine Vorbilder Gerhard Schröder und Tony Blair und propagiert einen „dritten Weg“. Seine Kritiker von links sehen in ihm einen Nationalisten, der seine Vorstellungen in jugendlich-populärer Weise besser verpacken kann als etwa Ex-Premier Vladimír Meciar. Die Erklärungsversuche in dem veralteten Links-Rechts-Schema gehen indes an der Wahrheit vorbei. Fico gehört zu dem neuen Typus Politiker, der seinen Erfolg aus einer fein abgestimmten Mischung unterschiedlicher ideologischer Versatzstücken bezieht. So ist für jeden etwas dabei. Am 13. Juni dürfte Smer einen grandiosen Sieg einfahren und dann zusammen mit den Meciar-Leuten die slowakische EU-Parlamentsdelegation dominieren.

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