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Die Büchse der Pandora ist geöffnet

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Ist es nun Mut, unbequeme Wege zu gehen, oder schlicht die Kapitulation vor dem Zeitgeist? Der Ausschluß des Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann aus den Reihen der CDU/CSU-Parlamentarier hat die Fraktionschefin Angela Merkel zwischen alle Stühle befördert. Während der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber nicht müde wird zu betonen, daß Merkel „unbeugsam auch gegen Widerstände vorzugehen weiß“, mehrt sich an der Basis die Kritik an der Vorgehensweise der Pastorentochter und CDU-Vorsitzenden. „Wenig christlich“ findet beispielsweise der stellvertretende Landesvorsitzende der hessischen Jungen Union, Peter Gabler, das Vorgehen der CDU-Vorsitzenden: „Ich vermisse das C, welches die Union ausmacht. Das C im Namen zu führen, bedeutet auch, Nächstenliebe und Vergebung zu praktizieren. Daß Angela Merkel unter dem Mediendruck eingeknickt ist, war für jeden Beobachter offensichtlich. Ein so schlechtes Krisenmanagement habe ich von der Bundespartei nicht erwartet.“ Mit Gabler gingen auch seine lokalen Mitstreiter vom CDU-Stadtverband Lauterbach auf Distanz zur Bundes-Union. Viele Menschen sind tief verbittert Doch bei der hessischen Union um Ministerpräsident Roland Koch stieß der Protest auf taube Ohren. Nach seinem Rauswurf aus der Bundestagsfraktion wurde gegen Hohmann auch ein Ausschlußverfahren aus der CDU eingeleitet. Doch genau vor diesem Schritt haben lokale Größen Angst. Der Lauterbacher CDU-Vorsitzende Michael Apel schrieb an Koch und Merkel, die Lauterbacher Union sehe keinen Zusammenhang zwischen einem Fraktionsausschluß und einem Parteiausschlußverfahren der hessischen Landespartei. „Viele Menschen in der Stadt sind aber tief verbittert über den Umgang der CDU mit ihrem Wahlkreisabgeordneten.“ Viele Bürgerinnen und Bürger haben der Union laut Apel offen mitgeteilt, „daß sie nicht mehr CDU wählen werden. Wir haben mehrere Mitglieder, die ihren Austritt aus der CDU für den Fall des Parteiausschlusses angekündigt haben.“ Doch dieser Schritt ist wohl unvermeidlich. „Frau Merkel ist eine Getriebene“, spöttelte der CSU-Parlamentarier Norbert Geis, der von Beginn an Partei für Hohmann ergriffen hatte. An seinem Abstimmungsverhalten machte Geis keinen Hehl. 28 „Nein“-Stimmen und 16 Enthaltungen beim Ausschluß für Hohmann – diese schallende Ohrfeige für Merkel versetzt die Union in Aufruhr. „Sie macht den Fehler, daß sie sich von den Medien die Richtung diktieren läßt“, kritisierte der Bundestagsabgeordnete Albrecht Feibel. Der Saarländer hat „gute Chancen“, nun der Nächste auf der Liste der Ausgestoßenen zu sein. „Unerträglich“ seien die Äußerungen Feibels, giftete der saarländische SPD-Vorsitzende Heiko Maas Anfang der Woche, und der CDU-Ministerpräsident Peter Müller, der zuvor den Rauswurf Hohmanns vehement verteidigt hatte, beeilte sich zu versichern, „daß der Abgeordnete Feibel eine Einzelmeinung vertritt, die nicht der Linie der Landes-Union entspricht“. Immerhin gab Müller seinem widerspenstigen Parteifreund mit auf den Weg, daß er als Abgeordneter ja „nur seinem Gewissen“ verpflichtet sei. Anderenorts ist es mit der christlichen Nächstenliebe nicht so weit her. Dem aus Oldenburg stammenden niedersächsischen Landtagsabgeordneten Thorsten Thümler wurde sein öffentliches Eintreten für Hohmann fast zum Verhängnis. Der Politiker gehörte zu den Erstunterzeichnen des Appells „Kritische Solidarität mit Martin Hohmann“ des ehemaligen ZDF-Journalisten Fritz Schenk. Dieser erschien am 14. November in der FAZ und in der Süddeutschen Zeitung sowie ein zweites Mal am Dienstag dieser Woche halbseitig in der FAZ. Aufgeschreckt vom öffentlichen Druck, machte Thümler eine Rolle rückwärts. „Der Abgeordnete Thorsten Thümler hat versichert, daß er sich ebenfalls in voller Schärfe von der Rede des Abgeordneten Hohmann distanziere, weil die Untaten des Nationalsozialismus nicht relativiert und verharmlost werden dürften. Thorsten Thümler ist der festen Ansicht, daß die Greueltaten des Nationalsozialismus einzigartig und nicht vergleichbar sind. Er hat dargestellt, daß er lediglich den Verfahrensverlauf in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion kritisieren wollte, weil er anstelle eines Ausschlußverfahrens ein Einwirken auf den Betroffenen favorisiert hätte, damit dieser seine Position korrigieren und überprüfen könne. Die CDU-Fraktion im Niedersächsischen Landtag hat Herrn Thümler darauf hingewiesen, daß bei Unbeteiligten der Eindruck entstehen könnte, daß er den Inhalt der Rede unterstütze und nicht das Verfahren kritisiere, mit dem die CDU/CSU-Bundestags­fraktion auf diese Rede reagiert habe“, heißt es in einer öffentlichen Erklärung. Offiziell ist die Angelegenheit damit beigelegt, doch an der Basis brodelt es weiter. Die Internet-Foren der CDU sind vor Überlastung teilweise außer Gefecht, Ortsvorsitzende berichten von wütenden Protesten und massiven Austrittsdrohungen. Die Junge Union Rhein-Neckar forderte, Hohmanns Ausschluß aus der Bundestagsfraktion rückgängig zu machen und den Parteiausschluß zu verhindern. Einen Antrag dazu lehnte der baden-württembergische JU-Landestag aber ab. Die CDU von Neuhof bei Fulda, Hohmanns Heimatverband, äußerte sich „bestürzt“ über die Ordnungsmaßnahmen gegen ihren Bundestagsabgeordneten. Medienberichte vermelden „massive Proteste“ in der osthessischen CDU und spekulieren über Austrittswellen. In Wiesbaden haben nach Angaben der örtlichen CDU drei Mitglieder – aus Protest gegen den Umgang mit Hohmann – bereits ihren Austritt erklärt. Drei weitere hätten diesen angekündigt. Außerdem habe sich ein Spender zurückgezogen, so der Kreisvorsitzende Horst Klee vor wenigen Tagen. Und die Zahl der aufmüpfigen Kommunalpolitiker wächst. Den Anfang machte der Recklinghausener Horst Knoblauch. Der CDU-Ratsherr und Wahlkreis-Referent des Bundestagsabgeordneten Erwin Marschewski hatte die als antisemitisch kritisierte Rede Hohmanns im Schaufenster des Wahlkreisbüros ausgehängt und mit dem Zusatz „Man darf in Deutschland nicht mehr die Wahrheit sagen“ versehen. Die örtliche CDU-Führung verhängte umgehende Ordnungsmaßnahmen mit dem Ziel des Parteiausschluß. „Diese Linie werden wir konsequent fortsetzen“, tönte der CDU-Landeschef und Bundesvize Jürgen Rüttgers. Den politischen Konsens der Demokraten verlassen Es kann durchaus sein, daß die Merkel-Anhänger schon in Kürze über ein akutes Maß an Mehrarbeit klagen werden. Denn die Auswirkungen der Kampagne gegen die Konservativen in der Union haben beispielsweise auch das Frankfurter Stadtparlament erreicht. SPD und Grüne beantragten eine Verurteilung des CDU-Stadtverordneten Patrick Schenk, der Hohmann in einem Leserbrief verteidigt hatte. In dem Antrag heißt es, Patrick Schenk habe „den politischen Konsens der Demokraten verlassen“. Der CDU-Stadtverordnete habe kalkuliert und mit Überzeugung öffentlich wiederholt erklärt, Hohmann habe keine antisemitische Rede gehalten. Sozialdemokraten und Grüne hingegen meinen, Hohmann zeige „ein geschlossenes, antisemitisches Weltbild“. Wer nicht bereit sei, sich von seinen Äußerungen zu distanzieren, dürfe nicht Mitglied einer demokratischen Fraktion sein. SPD und Grüne wollen, daß sich die Stadtverordnetenversammlung „aufs Schärfste“ von Hohmanns Gedankengut distanziert. CDU-Fraktionschef Uwe Becker will diesem Wunsch nachkommen. Und spielt damit das Spiel der politischen Gegner. „Die Pandora-Büchse ist geöffnet“, heißt es aus dem Umfeld der Bundestagsfraktion.

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