Es herrscht Zeitungskrieg in Deutschland. Im Norden der Republik hat die Hamburger Morgenpost, die zum Medienimperium des Finanzinvestors David Montgomery gehört, eine Sonntagszeitung lanciert. Sofort heulten die Sirenen im Axel Springer Verlag. Gegenmaßnahme: eine Sonntagsversion des Hamburger Abendblatt. Noch vor dem Start der Konkurrenz bot Springer Abendblatt Sonntags zum Kampfpreis von gerade einmal 50 Cent an – 20 Cent weniger als die Konkurrenz. Eine „massive Abwehrmaßnahme,“ wie Abendblatt-Geschäftsführer Florian Kranfuß sagt. Das Szenario erinnert an die martialischen Reaktionen, mit denen deutsche Verlage seit Jahren Versuche ausländischer Wettbewerber attackieren, im hiesigen Markt Fuß zu fassen. 1999 eröffnete der norwegische Schibsted-Konzern mit der Gratiszeitung 20 Minuten Köln den „Kölner Zeitungskrieg“. Damals konterte die örtliche Konkurrenz: Springer lancierte gratis Köln Extra, der Kölner Verlag Neven DuMont ging gerichtlich gegen den neuen Mitbewerber vor. Der Gegenangriff zeigte Wirkung. Zwei Jahre später streckte Schibsted die Waffen. Junge Leser an das gedruckte Wort heranführen „Der Zeitungskrieg hat gezeigt, daß enorme finanzielle Mittel in die Hand genommen werden müssen, um eine Marktplazierung durchzuführen“, so Cornelia Seinsche, Sprecherin von DuMont Schauberg. Aktuell sieht es nicht danach aus, als sei mit einer neuen Offensive zu rechnen. Denn Schibsted ebenso wie die schwedische Metro-Gruppe haben ihre Expansion vorerst ausgesetzt. Doch bis vor wenigen Wochen wurde hinter den Linien sondiert. So soll Schibsted auf der Suche nach Verbündeten in der Verlagsgruppe Handelsblatt (VHB) Ausschau gehalten haben. Die haben zwar Erfahrung mit Gratistiteln, bedienen aber eine Zielgruppe, die sich nicht aus Gratisblatt-Lesern rekrutiert: Business News wird an Entscheider in Unternehmen verteilt. Eines eint Zeitungshäuser wie Axel Springer (Bild), die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) oder DuMont (Express). Sie haben sich allesamt bequem in ihren Regionen eingerichtet und Sorge vor Leserverlusten. Aus Angst vor mehr Wettbewerb halten sie selbst dann ihre Abwehrfront aufrecht, wenn – wie derzeit – mit einem Angriff gar nicht zu rechnen ist. Beispiel: die Essener WAZ. „Wir haben für den Fall, daß „einer kommt, der meint, er könne sich unsere Märkte unter den Nagel reißen“, ein Konzept in der Schublade, warnte gerade Geschäftsführer Bodo Hombach. In dem Fall will die WAZ mit DuMont kooperieren. Was DuMont wiederum mit dem Abwehr-Titel Direkt bezweckt, ist unklar. Denn zum einen will der Verlag „junge Leser an das gedruckte Wort heranführen“, wie Alfred Neven Dumont versichert. Daher sei das Blatt im Tabloid-Format besonders auf die junge Zielgruppe ausgerichtet. Zum anderen könne das Blatt mit einem geänderten inhaltlichen Konzept auch als Gratiszeitung angeboten werden. Dann dürfte indes das Ziel, neue kaufkräftige Zielgruppen zu erschließen, ad acta gelegt werden. Denn Gratiszeitungen sprechen ein Publikum an, das gerade nicht bereit ist, für ein qualitativ hochwertiges Blatt Geld zu bezahlen. Die Franzosen stellten sich selbstbewußt dem Wettbewerb Experten vom Dortmunder Formatt-Institut konstatieren daher auch, daß Gratiszeitungen klassische Abo-Zeitungen wie die der WAZ oder DuMonts kaum tangierten. Je nach Konzept wären Boulevard-Kaufzeitungen am stärksten betroffen. Axel-Springer-Vorstand Mathias Döpfner zweifelt generell an der Wirtschaftlichkeit. „Gratiszeitungen funktionieren nur in Märkten mit keinem oder schwachem Wettbewerb“, betont er – womit er unfreiwillig die Skandinavier munitioniert. Denn „nach wie vor herrscht in einigen deutschen Regionen eine monopolartige Situation“, erklärt Jürgen Lindner, Managing Director des Anzeigenvermarkters Vizeum aus Wiesbaden. Gratiszeitungen könnten eine Alternative zu den Angeboten der regionalen Zeitungen sein und den Wettbewerb erhöhen. Daß dies funktioniert, zeigt das Beispiel Frankreich: Obzwar noch nicht profitabel, haben die Gratiszeitungen der skandinavischen Verlage seit ihrer Lancierung im Jahr 2000 ihre Leser gefunden: 20 minutes erscheint mit einer landesweiten täglichen Auflage von 714.000 Exemplaren, Métro erreicht 541.000. Die Folgen des Markteintritts waren längst nicht so dramatisch, wie es die deutschen Verlage befürchten. Bei den drei renommiertesten französischen Tageszeitungen mußte Le Monde in den letzten zehn Jahren einen Auflagenrückgang von 6.900, Le Figaro von 4.500 und Liberation von 3.600 Exemplaren pro Jahr hinnehmen. Welcher Anteil davon auf das Konto der Gratisverlage geht, ist nicht zu ermitteln. Fest steht hingegen: Von einem „Zeitungskrieg“ sprachen die französischen Verlage nie, ebensowenig wurden gerichtliche Schritte gegen die Konkurrenten eingeleitet. Die Franzosen stellten sich selbstbewußt dem Wettbewerb.
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