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„Seien Sie bitte still“

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„Seien Sie bitte still“

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Cato, Palmer, Exklusiv

Um exakt 19:12 Uhr war ZDF-Moderatorin Bettina Schausten plötzlich ganz alleine mit NPD-Mann Holger Apfel – und einigen Millionen Fernsehzuschauern. Mitten in der „heute“-Sendung verließen die Vertreter der anderen Partei fluchtartig die Plauderrunde der sächsischen Spitzenkandidaten, als Apfel das Ergebnis der NPD erklären wollte. Diese Szene wiederholte sich nur eine knappe Stunde später nahezu identisch in der „Tagesschau“. Überhaupt war die Wahlberichterstattung an diesem Abend äußerst berechenbar: Fast schien es, als hätten die Moderatoren der Sender den erwarteten Erfolg von NPD und DVU bei den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg herbeigesehnt, um vor laufenden Kameras endlich einmal vor einem großen Publikum ein ganz persönliches Zeugnis von „Zivilcourage“ abzuliefern. Denn anders läßt sich nicht erklären, warum Schausten, Leiterin der ZDF Hauptredaktion Innenpolitik, mit dem mehrfach wiederholten und mit bebender Stimmer vorgetragenen Satz „Seien Sie bitte still“ versuchte, Holger Apfel rüde das Wort abzuschneiden. Und auch das kumpelhafte, aber bestimmte „Glückwünsche lassen wir mal sein“, mit dem ihre Kollegin in der „Tagesschau“ Apfels Versuch beendete, sich bei den Wählern zu bedanken, hatte viel mit öffentlich zur Schau getragenen Verachtung für die NPD, aber wenig mit journalistischer Objektivität zu tun. Allerdings machte es Apfel, über den vor den Wahlen gemutmaßt worden war, er solle zukünftig die neue bürgerliche Seite der NPD verkörpern, seinen Gegnern allzu leicht. Er blieb sich und der NPD treu und gab mit gestanzten Parolen und dem Gerede von der „Quittung“ für eine „asoziale Politik“ und der „Pogromstimmung“, der sich die NPD gegenüber gesehen habe, Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) und den anderen Spitzenkandidaten das passende Stichwort für ihre Flucht. Originell oder gar neu waren deren Reaktionen indes nicht. Seit den ersten Wahlerfolgen der Republikaner und der DVU sind diese Akte parteipolitischer Distanzierung zur Genüge bekannt: Mit den „Schmuddelkindern“ redet man nicht, schon gar nicht hört man ihnen zu. Bleibt zu fragen, welchen Eindruck die Sender mit ihrem rüden Verhalten bei den Zuschauern hinterlassen haben. Bei den Wählern von NPD und der DVU dürften durch die deutliche Ausgrenzung ihrer Kandidaten sämtliche Vorurteile gegen das „System“-Fernsehen bestätigt worden sein. Aber auch bei Zuschauern, die beiden Partien politisch fernstehen, dürfte zumindest ein ungutes Gefühl zurückgeblieben sein. Für die PDS verlief der Wahlabend dagegen ruhiger. Die Patei ist angekommen – auch im Fernsehen. Nur die traditionelle „Berliner Runde“ war für den Bundesgeschäftsführer der PDS, Rolf Kutzmutz, etwas frustrierend. Der Leiter des ARD-Hauptstadtstudios, WDR-Mann Thomas Roth, verstieß in einem Anflug kämpferischen Journalismus die PDS aus dem Kreis der etablierten Parteien, in dem sie sich nicht nur aufgrund der Wahlergebnisse, sondern auch der wohlwollenden Wahlberichterstattung bis zu diesem Zeitpunkt wähnen durfte. Als Roth die brandenburgische PDS-Spitzenkandidatin Enkelmann als „SED-Kader“ bezeichnete und die programmatischen Aussagen der PDS-Plakate auf eine Stufe mit denen von DVU und NPD stellte, konnte man Kutzmutz die Enttäuschung des aus dem Paradies Verstoßenen ansehen. Aber der Schmerz war von kurzer Dauer. Schon in der Sendung von Sabine Christiansen wurde die PDS in Gestalt der attraktiven stellvertretenden Parteivorsitzenden Katja Kipping wieder in den Kreis der etablierten Parteien aufgenommen. Kipping, die mit ihren 26 Jahren Sahra Wagenknecht als Vorzeige-Sozialistin abgelöst hat, konnte sich dann wortreich dagegen wehren, daß die PDS mit DVU und NPD auf eine Stufe gestellt wird – der Widerspruch blieb matt. Denn bei Christiansen ging es wie immer gesittet zu. Kein Wunder: Konnte man doch in aller Ruhe ohne Vertreter der NPD und der DVU diskutieren – treu nach dem Erfolgsgeheimnis der Sendung, daß Streit nur erlaubt ist, solange er niemandem weh tut. So ließ sich dann auch der wie immer bei seinen zahlreichen Auftritten in der Christiansen-Sendung völlig in sich ruhende Otto Schily nicht aus dem Konzept bringen, als die Sprache auf seinen Vorwurf an die Verfassungsrichter in Karlsruhe kam, diese hätten den Erfolg der NPD erst möglich gemacht. Übertroffen wurde diese demonstrative Gelassenheit nur von Kurt Biedenkopf, der durch das Scheitern seines politischen Intimfeindes und Nachfolgers Milbradt im politischen Nirwana zu schweben schien und trotz des NPD-Erfolges auf Kosten der CDU in „seinem“ Sachsen leise und zufrieden vor sich hinlächelte. Wirklich originell war aber nur der Psychotherapeut Hans-Joachim Maaz, der neben dem unvermeidlichen „Parteienforscher“ Jürgen Falter und dem müden „Ostexperten“ Klaus von Dohnanyi die harmlose Runde vervollständigte. Den Ostdeutschen, so dozierte Maaz, fehle einfach etwas Zuwendung. So einfach ist das. Schade nur, daß diese tiefgründige Erkenntnis so spät am Abend über den Bildschirm ging. Leider war es da für eine herzliche Umarmung zwischen Holger Apfel und Bettina Schausten schon viel zu spät.

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