Die Amerikaner lieben es plakativ. Egal welche Botschaft unters Volk gebracht werden soll: Es muß möglichst bunt und laut sein und für jedermann leicht verständlich. Kein Wunder, daß US-Präsident George W. Bush von der Idee begeistert war, die größten Bösewichte des gestürzten Regimes im Irak mit Hilfe eines Kartenspiels hinter Schloß und Riegel zu bringen. War schon der Krieg kein Kinderspiel, so sollte zumindest die Suche nach dem entwischten Saddam Hussein und seinem Gefolge Spaß machen. Ob das Kartenspiel wirklich erfolgreich war, läßt sich schwer nachvollziehen. Immerhin: Von den ursprünglich 55 mit Hilfe des Spieles gesuchten Männer sind nur noch wenige auf der Flucht. Die Mehrzahl sitzt hinter Gittern oder ist tot. Jetzt könnte sich die erfolgreiche Propagandamasche allerdings gegen Präsident Bush wenden. Zumindest wenn es nach dem Willen einiger engagierter Kriegsgegner geht. Frei nach dem Motto „Von Amerika lernen heißt siegen lernen“ haben sie die Idee aufgegriffen und agitieren mittels eines Kartenspiels gegen die Irak-Politik der amerikanischen Regierung und ihrer Verbündeten. Statt Saddam Hussein und Co. schmücken nun Bush, Tony Blair und Paul Bremer die Spielkarten – die zu allem Überfluß auch noch als französisches Blatt gestaltet sind. Das Ganze nennt sich dann „Blutöl-Kartenspiel“ und soll nach dem Willen der Initiatoren nicht weniger als „die Zusammenhänge des blutigen Krieges um Macht und Öl in Irak aufdecken und die Verflechtungen zwischen Wirtschaft und Politik der US-Regierung näher beleuchten“. Man ahnt spätestens nach diesen ins Grundsätzliche abgleitenden Erklärungen, daß es sich bei den Machern nur um Deutsche handeln kann. Und tatsächlich stammen die Initiatoren, die sich zutrauen, Vorgeschichte, Verlauf und Folgen des Irak-Krieges auf 55 gerade einmal 12 mal 7,5 Zentimeter großen Spielkarten unterbringen zu können, aus dem Herzen des alten Europas. Als Herausgeber tritt warprofit.com auf, nach eigenen Angaben ein Netzwerk „kritischer Wissenschaftler“ aus Nürnberg, das sich als „nicht-kommerzielles Informationsprojekt“ versteht und die Informationsflut zum Thema Irak-Krieg so oft filtern will, bis sich dessen Geschichte mittels Spielkarten erklären läßt. Wo sich das amerikanische Original mit dem Bild des gesuchten Regimemitglieds begnügte, schrumpfen die Porträts beim Blutöl-Kartenspiel auf Briefmarkenformat, um Platz zu machen für allerlei Anmerkungen. Man erfährt etwa über Bush, daß er Geld von der Familie Bin Laden erhalten habe und sich auf einem „lange beschlossenen Krieg bzw. Kreuzzug“ wähnt. Von der US-Soldatin Jessica Lynch, die in Gefangenschaft geriet, wird berichtet, daß sie „trotz Knappheit“ von den Irakis Blutkonserven erhielt. Im Gegensatz zu ähnlichen Spielen, die bald nach dem amerikanischen Original auf den Markt kamen und den Spieß ebenfalls umdrehten, präsentiert das Blutöl-Spiel neben den amerikanischen „Tätern“ auch die Opfer des Krieges: Den Toten der Bombardierungen ist eine eigene Karte gewidmet – ebenso der Deutschen Antje Croton, die „in die Mühlen der US-Einwanderungs- und Terrorjustiz“ geraten sei. Die Joker-Karten schmücken der Papst, Fidel Castro und Muammar al-Gaddafi, zu dem sogar angemerkt wird, er habe den österreichischen Umwelt-Ehrenpreis „Water-Globe 2003“ erhalten. Wie es sich für den wissenschaftlichen Anspruch gehört, sind alle Angaben mit einer Quellenangabe versehen – allerdings nur im Internet. Denn hier stößt das Vorhaben, die Welt auf einer Spielkarte zu erklären, an seine Grenzen. Die Rückseite ist – wie bei Spielkarten üblich – neutral gehalten. Schließlich sollen die Karten auch für eine zünftige Skatrunde im Wirtshaus zu gebrauchen sein.
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