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Aufstand der Redakteure

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Man stelle sich vor: Die linke Tageszeitung wird vom Axel-Springer-Verlag übernommen, und bald darauf erscheint auf der Titelseite der Zeitung eine Erklärung, in der sich die Redaktion gegen eine Einflußnahme des Verlages auf die Inhalte der Zeitung wendet und von Zensur spricht. Zu Recht würde ein Aufschrei durch das Land gehen, und unzählige Stimmen würden für die offensichtlich bedrohte Pressefreiheit Partei ergreifen. Genau dieser Fall scheint jetzt in Rumänien eingetreten zu sein: Die Redakteure der Tageszeitung Romania libera (Freies Rumänien) protestierten in der vergangenen Woche auf der ersten Seite des Blattes gegen angebliche Einmischungsversuche seitens des Mehrheitseigners und sprachen vom „schwärzesten Tag“ in der Geschichte der Zeitung. Das Brisante: Bei dem Besitzer handelt es sich nicht etwa um einen rumänischen Verlag, der es aus Nostalgie nach der Ceausescu-Zeit mit der Pressefreiheit noch immer nicht so genau nimmt, sondern um die deutsche WAZ-Gruppe, einen der größten deutschen Zeitungsverlage. Der Konzern aus Essen hält seit drei Jahren 70 Prozent an Romania libera, die eine Auflage von 70.000 Exemplaren hat. Die von SPD-Mann und Ex-Kanzleramtsminister Bodo Hombach geführte WAZ-Mediengruppe ließ die massiven Anschuldigungen aus Bukarest nicht auf sich sitzen und reagierte umgehend. Der deutsche Geschäftsführer der Romania libera, Klaus Overbeck, wies ebenfalls auf der Titelseite den Vorwurf der Einflußnahme auf die redaktionelle Linie des Blattes zurück und widersprach der Behauptung, er habe die Redaktion aufgefordert, die sozialdemokratische Regierung in Rumänien pfleglicher zu behandeln. Pikant ist in diesem Zusammenhang, daß es sich bei der Zeitung um eine klassische Dissidentenzeitungen handelt, die nach dem Ende des Ceausescu-Regimes zu den ersten unabhängigen Blätter gehörte und auch der jetzigen Regierung kritisch gegenübersteht. In der Redaktion von Romania libera wird offensichtlich befürchtet, daß der WAZ-Konzern die Zeitung rechtzeitig zu den im November anstehenden Parlaments- und Präsidentenwahlen auf Kurs der regierenden PSD bringen will. Kein Zweifel besteht jedenfalls daran, daß sich die Regierung vor den Wahlen um eine wohlwollende Berichterstattung in den Zeitungen bemüht. Hierbei hat sie offensichtlich handfeste Argumente: Die rumänische Regierung gilt als einer der größten Auftraggeber für Webeanzeigen in Rumänien. Hinter den internen Streitigkeiten bei der Romania libera müssen daher nicht zwangsläufig politische Motive stecken. Auch wirtschaftliche Überlegungen des deutschen Mehrheitseigners könnten eine Rolle spielen. Die Redaktion fürchtet neben der behaupteten politischen Einflußnahme zudem, daß ihre Zeitung zu einem Boulevardblatt umgebaut wird, beispielsweise durch das Ersetzen einer politischen Beilage durch eine Beilage für Lebensart. Die WAZ spricht dagegen lediglich von einem „Relaunch“, also einer Überarbeitung des optischen Erscheinungsbildes der Zeitung. Mittlerweile haben sich Redaktion und Vertreter der WAZ an einen Tisch gesetzt, um die Wogen zu glätten. Zu denken gibt der Fall, wenn man sich die Auseinandersetzungen bei der Krone, der auflagenstärksten österreichische Zeitung, in Erinnerung ruft. Auch an diesem Blatt ist der WAZ-Konzern beteiligt, und auch hier gibt es seit der Beteiligung des Unternehmens, das 50 Prozent der Anteile hält, interne Streitigkeiten um Stil und Inhalt der Zeitung (JF 6/03, 41/03).

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