Das Haus war nur 200 Meter von unserer Mietwohnung entfernt, wir liefen jeden Tag daran vorbei“, erinnert sich Britta Ulrich, 31 Jahre alt, die mit ihrem Partner rätselte, wem die verwunschene Villa in bester Saarbrücker Lage wohl gehörte. Der Backsteinbau aus dem Jahr 1890 mit Fenstereinfassungen aus Sandstein wirkt heruntergekommen. „Wir hatten uns gleich in das Haus verliebt, und Bekannte meinten, daß eine Renovierung machbar sei“, erzählt Britta Ulrich. Jetzt, zwei Jahre und viele Renovierungsstunden später, sieht sie die Sache etwas anders: Daß sich die Renovierung dermaßen in die Länge zieht, hat das junge Paar nicht erwartet.
Der Kaufpreis des Hauses mit rund 170 Quadratmeter Wohnfläche betrug 200.000 Euro, inklusive eines kleinen Gärtchens. Beide sind ganztags berufstätig, und so bleibt für Renovierungsarbeiten nur das Wochenende. Bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau gab es eine Förderung, wenn das Haus energetisch saniert wird. „Doch wir durften erst damit anfangen, nachdem diese Förderung bewilligt wurde“, so Ulrich. Und das dauerte.
Da beide über kein Eigenkapital verfügen, wurde die Finanzierung über zwei Banken gestemmt, insgesamt hat der Kredit eine Summe von über 500.000 Euro. Das ergibt eine monatliche Belastung von mehr als 2.300 Euro. „Bisher haben wir über 67 Tonnen Bauschutt aus dem Haus herausgeholt“, wundert sich Ulrich. Das waren etliche Container, und jeder Container kostet mehr als 1.000 Euro an Entsorgungskosten.
Überraschungen unter Putz und Pappe
Ein altes Haus birgt so manche Überraschung: So zeigte sich bei einem ansehnlichen Sturm, daß das Dach undicht ist, und beim Herausreißen von alten Stromkabeln wurden Schäden an den Wänden sichtbar. Aber es gibt auch schöne Entdeckungen: die alten Lampen, die das Paar wieder in den Zimmern aufhängen will, alte Schlüssel mit Bart, die in den Türen stecken und ebenfalls wieder verwendet werden sollen, oder die romantischen Fensterklappen mit den ausgesägten Herzen drin. Dann war da noch der baufällige Balkon im Erdgeschoß, den die beiden abrissen. Unter ihm verbarg sich eine riesige Sammlung alter Glasflaschen.
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Im Weltkrieg schlug sogar eine Bombe in das Haus ein. Die Archivrecherche ergab, daß die damalige Bewohnerin nicht getötet wurde. Auf Instagram und Tiktok präsentieren die beiden regelmäßig die Sanierungsfortschritte. Mittlerweile ist die Fangemeinde auf über 44.000 Follower angewachsen. Damit hätten die beiden nie gerechnet, und so manches Mal sieht sich Ulrich mittlerweile sogar im Zwang, den Followern jede Woche neue Filmchen zu präsentieren.
Schöner wohnen – in drei Etagen-Denkmal
Chris und Shahd, ebenfalls ein junges Paar, sanieren eine denkmalgeschützte Villa aus dem Jahr 1916 und präsentieren die Fortschritte rund 650.000 Followern auf Instagram. Das Projekt startete im August 2024 – damals produzierte das Paar ein Reel, in dem die frisch gekaufte Villa präsentiert wurde. Das heruntergekommene Haus, ohne Strom und Wasser, soll bis zur Hochzeit im August 2025 fertig sein – ein sehr anspruchsvoller Plan. Allein die harten Fakten lassen aufhorchen: Wohnfläche 320 Quadratmeter, Grundstücksgröße 3.500 Quadratmeter, drei Etagen, und das ganze Haus ist mit seinem Wintergarten und dem halbrunden Treppenhaus denkmalgeschützt.
Das erste Malheur passierte gleich bei Baumfällungen im verwilderten Garten. Dabei fiel ein Baum auf ein Nebengebäude und zerstörte das Dach. Natürlich gibt es jede Menge Kommentare, und nicht alle sind bewundernd: „Die arme Frau. Wer soll das putzen?“ oder „Kauft bloß nicht diese Bruchbude!“ gehören dabei noch zur harmlosen Sorte. Der Denkmalschutz erschwert in vielen Fällen die Renovierung. Durfte das Paar den baufälligen Wintergarten abreißen, muß das Dach mit roten Biberschwanzziegeln historisch exakt nachgedeckt werden.
Im Zuge der Renovierung entstehen manchmal spontan neue kreative Ideen. Eigentlich sollten die alten gußeisernen Heizungen durch neue Heizkörper ersetzt werden. Doch ein Exemplar ging nicht auf den Müll, Chris und Shahd entschieden sich, diesen schweren Heizkörper aufzuarbeiten und ihn mit neuer schlammgrüner Farbe als Hingucker zu präsentieren. Die Küche war ausgestattet mit kleinen Plastikfenstern, die ganz offensichtlich nachträglich eingebaut wurden. So durchstöberte das Paar Archive und fragte in der Nachbarschaft, um letztendlich herauszufinden, daß an dieser Stelle im Original eine große Tür mit einer Treppe in den Garten war. Sie sollte wieder nachgebaut werden.
Die Kosten hielten sich trotz allem im Rahmen: Bisher investierte das Paar rund 150.000 Euro, davon entfielen allein auf das Dach 81.000 Euro.
Aus Alt mach Hochzeitshaus
Juliane, von Beruf Mathematikerin, kaufte sich vor drei Jahren ein altes Haus im Oderbruch in Brandenburg, das schon verschiedene Nutzungen erfuhr: Freudenhaus, Diskothek und Gaststätte. Sie hatte sich entschieden, es als Ort für Hochzeiten und Ferienwohnungen umzubauen. Rund 80.000 Follower schauen bei Instagram den Renovierungsfortschritten zu. Doch Juliane läßt sich Zeit, die Fertigstellung liegt noch in der Zukunft.
Die junge Frau macht fast alles selbst, sogar die Holztüren für die Remise stammen aus ihrer Hand. Ansonsten stöbert sie gern auf Flohmärkten, zum Beispiel nach alten Türen, die dann im Haus Verwendung finden. Die Kommentare der Follower sind oft überschwenglich: „Die Remise ist so toll geworden, du hast ein Händchen dafür und scheust wie es scheint nicht die Arbeit des Selbermachens“, schreibt ein Follower.
Wirken die Filmchen mit dem Feuer im Kaminofen und der fleißigen Frau, die am Werkeln ist, romantisch, so machen sich doch die wenigsten Follower ein Bild davon, wieviel Arbeit und Frust wirklich in solch einem Projekt stecken. Zu Besuch will man nur vorbeikommen, „wenn alles fertig ist“.